Pressestimmen zum Streik:"Die GDL ist auf Amokfahrt"

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Der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, Claus Weselsky. (Foto: dpa)

Die verprellten Passagiere verhalten sich angesichts des Mega-Streiks der GDL noch ruhig. In den Medien hingegen ist der Hauptschuldige schon ausgemacht: "Weselsky verspielt alle Sympathien".

Die Lokführergewerkschaft GDL will fast vier Tage streiken; Reisenden und Pendlern drohen massive Einschränkungen. In der Presse steht vor allem GDL-Chef Claus Weselsky in der Kritik.

Die Lokführer gehen ein hohes Risiko ein, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

"Als Angestellte eines Staatskonzerns handeln die Lokführer leider aus einer Position besonderer Stärke, die sie offensichtlich zu besonderer Rücksichtslosigkeit ermutigt. Welche Folgen der Streik in anderen Unternehmen im Lande anrichtet, weil Produktionsabläufe gestört werden, ist den Lokführern herzlich egal. Dafür kostet jeder weitere Streiktag die Lokführer öffentliche Sympathien, zumal sie bisher nicht den Anschein erwecken, sich ernsthaft um einen Kompromiss zu bemühen. Und je länger der Stillstand währt, desto größer wird der politische Rückhalt werden für Nahles' Gesetz, das solche Eskalationen zu verhindern sucht. Gut möglich, dass sich die Lokführer diesmal völlig verkalkuliert haben - und am Ende mit leeren Händen dastehen. Wollen sie dieses Risiko wirklich eingehen?"

Dem Hamburger Abendblatt zufolge verspielt Weselky jede Chance auf Sieg:

"Gewerkschaftschef Weselsky will die Konfrontation; die GDL ist auf Amokfahrt. In diesem Tarifkonflikt, der in Wahrheit ein Machtkampf ist, nun vier Tage die Arbeit niederzulegen, zeugt von grandioser Selbstüberschätzung und minimalem Geschick zugleich. Weselsky verspielt alle Sympathien - und wohl jede Chance auf einen Sieg."

Ähnlich sieht es der Tagesspiegel. Claus Weselsky riskiere das hohe Gut des Streikrechts und verliere das Augenmaß, meint das Blatt.

"Mit seinem Crashkurs ohne Rücksicht auf Verluste richtet Claus Weselsky immer größeren Schaden an. Die GDL will Stärke beweisen und so den Zugbegleitern und anderen Bahn-Beschäftigten zeigen, dass sie bei der Lokführergewerkschaft besser aufgehoben wären als bei der Konkurrenztruppe EVG. Die Tarifforderungen nach mehr Geld, die auch noch im Raum stehen, laufen verglichen mit dem Kampf um Macht und Einfluss unter ferner liefen, sie bieten der Gewerkschaft nur das rechtliche Alibi für den Streik. Doch das ist riskant. Denn das Streikrecht ist ein hohes Gut. Es ist verfassungsrechtlich geschützt und soll Waffengleichheit zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern garantieren. Es setzt aber auch Augenmaß voraus. Streiks, damit sich kleine Gewerkschaften endlich mal groß fühlen, gehören nicht dazu."

Das Offenburger Tageblatt fordert einen Lokführer, der sich Weselsky in den Weg stellt.

"Der Vorstand der Deutschen Bahn weiß, dass Weselsky der Fahrtwind der öffentliche Meinung voll ins Gesicht bläst. Deswegen wird er den Forderungen der GDL, auch für das übrige Zugpersonal Tarifverträge aushandeln zu dürfen, niemals nachgeben. Damit hat Claus Weselsky seine Gewerkschaft endgültig auf dem Abstellgleis geparkt. Um aus dieser vertrackten Situation wieder rauszukommen, wird der GDL gar keine andere Wahl bleiben: Sie muss die Position, das Verhandlungsmandat auszuweiten, endgültig aufgeben. Mit Weselsky wird das schwer möglich sein. Deswegen muss es ohne ihn gehen. Die Gewerkschaft braucht dazu einen Lokführer, der sich dem Sachsen in den Weg stellt."

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Konfrontation träte an die Stelle des Kompromisses, fürchtet die Berliner Zeitung, wenn die GDL-Taktik Schule machte.

"Es geht nicht allein um ein paar Tausend Lokführer und einen machthungrigen Gewerkschaftschef. Machte die GDL-Taktik Schule, würde innerhalb der Gewerkschaften ein Wettbewerb um die härteste Gangart und militanteste Wortwahl, um unerschütterliche Verhandlungspositionen und die vermeintlich besten Ergebnisse ausbrechen. Die Verlässlichkeit der deutschen Gewerkschaften wären dahin, mit am Ende bösen Folgen für die Arbeitnehmer. Insgesamt geriete so das erfolgreiche deutsche Modell der Sozialpartnerschaft und Flächentarifverträge in Gefahr. Konfrontation träte an die Stelle des Kompromisses."

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