Tarifkonflikt zwischen Bahn und GDL:Warum der Streit entgleist ist

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Bahnreisenden steht ein mühsames Wochenende bevor (Foto: dpa)

Der Tarifkonflikt zwischen Lokführern und Bahn ist eskaliert. Die GDL kündigt den größten Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn an. Was ist genau geplant? Wie konnte es so weit kommen? Und warum ist keine Lösung in Sicht?

Von Benjamin Romberg

Bahnreisende haben es dieser Tage nicht leicht. Wer bereits ein Zugticket besitzt oder überlegt, sich eines zu kaufen, muss mit der Ungewissheit leben, ob sein Zug überhaupt fährt. Die Lokführergewerkschaft GDL hat nun den größten Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn angekündigt.

Wie konnte es so weit kommen? Und warum ist der Tarifkonflikt so verfahren? Fragen und Antworten.

Wie sieht der neue Streik aus?

Ab Mittwoch 15.00 Uhr soll zunächst der Güterverkehr bestreikt werden, ab Donnerstagfrüh 2 Uhr soll dann auch der Personenverkehr stillstehen. Beide Streiks sollen bis Montagmorgen um 4 Uhr dauern. Reisende und wohl auch Pendler im Nahverkehr müssen deshalb zum Ende der Woche und vermutlich auch noch am Montagmorgen mit massiven Verzögerungen und Behinderungen rechnen. Die GDL rief neben den Lokführern unter anderem auch Zugbegleiter und Bordgastronomen zum Ausstand auf.

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Ab Donnerstag um zwei Uhr soll nach dem Willen der Lokführergewerkschaft GDL nichts mehr gehen - und zwar bis Montag um vier Uhr. Reisenden drohen massive Einschränkungen. Die Bahn verurteilt die Streikdrohung scharf.

Es ist der inzwischen sechste Streik im laufenden Tarifkonflikt und der längste seit Gründung der Deutschen Bahn AG im Jahr 1994. Der bisher umfangreichste Arbeitskampf dauerte im Jahr 2007 lediglich 62 Stunden - nun sind es allein im Personenverkehr 98 Stunden. Die GDL bleibt damit bei ihrem bisherigen Kurs, die Streikdauer jeweils zu steigern. Zuletzt hatten die Lokführer Mitte Oktober die Arbeit für insgesamt 60 Stunden niedergelegt und den Zugverkehr so zu großen Teilen lahmgelegt.

Was kann die Bahn gegen die Streiks unternehmen?

"Für Arbeitgeber ist es schwer", sagt Daniel Schultheis, Experte für Arbeits- und Tarifrecht, im Gespräch mit Süddeutsche.de. Sie müssten von einem Gericht feststellen lassen, dass der Streik unverhältnismäßig sei. "Das ist schwer zu beweisen." Im aktuellen Fall, erklärt Schultheis, wäre das etwa möglich, wenn die GDL die Streiks erst sehr kurzfristig ankündigen würde und der Bahn so die Möglichkeit nähme einen Notfallfahrplan zu organisieren. "Eine festgeschriebene Anzahl von Stunden zur Vorankündigung eines Streiks gibt es allerdings nicht, da die Rechtsprechung dies noch nicht näher bestimmt hat."

Bahnchef Rüdiger Grube mahnte unterdessen zur Besonnenheit. "Unsere gewachsene Sozialpartnerschaft ist ein hohes Gut", sagte er beim Arbeitgebertag in Berlin. "Damit muss auch weiterhin sehr verantwortungsvoll umgegangen werden", fügte Grube hinzu. Man wisse, "warum ich das heute ganz besonders betone", sagte er, ohne konkret den Tarifkonflikt mit der GDL zu nennen. Grube will trotz des neues Streiks wieder mit der GDL ins Gespräch kommen: "Wir werden alles machen, vielleicht auch das, was nicht immer alles in der Öffentlichkeit bekannt ist, um die Gespräche fortzuführen."

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Worum geht es in dem Konflikt eigentlich?

Die GDL fordert für ihre Mitglieder ein Lohnplus von fünf Prozent bei gleichzeitig kürzeren Arbeitszeiten. Doch das ist nicht der Kern des Streits. Gewerkschaftsboss Weselsky erhebt in den Tarifgesprächen den Anspruch, nicht mehr nur für die Lokführer zu verhandeln, sondern auch andere Berufsgruppen im Betrieb wie Zugbegleiter oder Rangierführer. Deren Interessen werden bisher von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vertreten.

Bis vergangenen Sommer war diese Aufteilung in einem Kooperationsabkommen geregelt - dieses ist nun ausgelaufen und beide Gewerkschaften wollen jeweils das gesamte Personal vertreten. Die Bahn will konkurrierende Tarifverträge allerdings unbedingt vermeiden. Sie fürchtet eine Spaltung der Belegschaft, wenn Löhne und Arbeitszeiten sich unterscheiden.

Warum ist ein Kompromiss erneut gescheitert?

In vertraulichen Gesprächen hatten sich Konzern und Gewerkschaftsspitze am Wochenende einer Lösung eigentlich angenähert. Die GDL ließ die Verhandlungen dann aber platzen - aus Sicht der Bahn "völlig überraschend", da eine Einigung "greifbar" gewesen sei.

Das Angebot sah vor, dass die GDL auch für Zugbegleiter verhandeln darf und die EVG für Lokführer. Beide Gewerkschaften hätten parallel Tarifgespräche führen können - bei Konflikten allerdings wäre alles unverändert geblieben: Die GDL hätte die Lokführer vertreten, die EVG die Zugbegleiter. Die GDL kritisiert deshalb, dass die Bahn ihr nur eine "Scheinzuständigkeit" für die Zugbegleiter zugestehen wolle. Die Gewerkschaft sei jedoch "nie bereit und nie Willens, die Grundrechte der GDL oder der GDL-Mitglieder am Garderobenhaken abzugeben", sagte Weselsky. Zudem sei über die eigentlichen Tarifforderungen - Gehalt und Arbeitszeiten - noch gar nicht verhandelt worden.

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Von welchen Grundrechten spricht Weselsky?

Die Bahn verlange, dass die GDL ihre Koalitionsfreiheit abgebe, kritisiert Weselsky. Diese ist im Grundgesetz ( Artikel 9) festgeschrieben und bedeutet, dass jeder das Recht hat, eine neue Gewerkschaft zu gründen oder auch einer solchen fernzubleiben. Lange Zeit lief dem die in Deutschland der zwar nicht gesetzlich geregelte, aber dennoch geltende Grundsatz der Tarifeinheit zuwider. Dieser legt vereinfacht gesagt fest: ein Betrieb, ein Tarifvertrag. Doch 2010 wurde die Tarifeinheit aufgehoben, weil sie aus Sicht der Richter die Grundrechte zu stark einschränkte. Das macht nun mehrere Tarifverträge in einem Unternehmen möglich. "Es ist zulässig, dass die GDL versucht, ihren Zuständigkeitsbereich auszudehnen", sagt Experte Daniel Schultheis.

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Die Tarifverhandlungen bei der Bahn wurden erneut abgebrochen. Der Vorschlag der Bahn sah vor, parallele Verhandlungen mit beiden Gewerkschaften zu führen: Das letzte Wort für die Lokführer soll die GDL haben, für Zugbegleiter die EVG. Die GDL lehnt diesen Vorschlag ab.

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Warum wird die GDL dann so kritisiert?

Eine Lösung sei erneut "an reinen Machtfragen gescheitert", warf Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber der GDL nach dem neuerlichen Scheitern der Verhandlungen vor. Der Fahrgastverband Pro Bahn fürchtet langfristige Folgen für den Betrieb, da Reisende auf dauerhaft auf Fernbusse ausweichen könnten und auch im Güterverkehr drohe eine Umstellung auf Lkw. "Die GDL sägt am eigenen Ast", warnte Pro-Bahn-Sprecher Gerd Aschoff. Zudem hätten die Fahrgäste immer weniger Verständnis für die Streiks.

Auch aus Gewerkschaftskreisen kommt Kritik. Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), sieht das Vorgehen der GDL "sehr skeptisch". Die Gewerkschaften fürchten um ihr Ansehen. "Zuständigkeit zu reklamieren, obwohl einem die Mitglieder fehlen - das ist der Tod der Gewerkschaftsbewegung", warnte IG-Metall-Chef Detlef Wetzel. Und selbst unter den Lokführern ist das Vorgehen Weselskys umstritten. Der wehrt sich allerdings: "Ich habe einen einstimmigen Beschluss des Hauptvorstandes und der Tarifkommission. Und die standen nicht unter Drogen", sagte er.

Wie reagiert die Politik?

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat bereits ein Gesetz vorgelegt, dass die Zersplitterung der Tariflandschaft in Deutschland einschränken soll. Es sieht vor, dass künftig das Mehrheitsprinzip gelten soll, wenn sich zwei Gewerkschaften innerhalb eines Betriebes nicht einigen können. Im aktuellen Fall würde das bedeuten, dass ein Notar feststellen müsste, ob die GDL ausreichend Zugbegleiter vertritt, um auch einen Tarifvertrag für diese aushandeln zu dürfen. Dem wäre wohl nicht so, da die EVG hier deutlich mehr Mitglieder hat. Das würde der Bahn im aktuellen Streit helfen.

Experte Schultheis hält diese Lösung allerdings für "bedenklich", da die Gefahr bestehe, dass kleinere Gewerkschaften verdrängt würden. So könne Verdi etwa theoretisch für sich beanspruchen, künftig auch die Piloten der Lufthansa zu vertreten, die bislang in der Vereinigung Cockpit organisiert sind. Kleine Spartengewerkschaften haben bereits angekündigt, gegen das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht klagen zu wollen.

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