SPD-Wahl:"Schlimmeres Szenario hätte sich Merkel nicht vorstellen können"

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Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken nach ihrem Wahlsieg vor der Statue von Willy Brandt. (Foto: dpa)

Die internationale Presse fürchtet "einen plötzlichen Abgang" der Kanzlerin und sieht "Europas größtes Land auf Monate der erneuten Ungewissheit eingestellt". Ein Überblick.

Die SPD ist das große Thema an diesem Wochenende. Auch das Ausland schaut auf die deutschen Sozialdemokraten. Die internationalen Medien legen den Fokus auf die Bundesregierung. "Merkels Koalition wird im Kern erschüttert", meldet der gewöhnlich sehr nüchterne Finanzdienst Bloomberg.

Erstaunt sind die meisten Medien darüber, dass mit Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken bislang zwei eher unbekannte Kandidaten gewonnen haben. Das Duo habe Olaf Scholz und Klara Geywitz in einem "David-gegen-Goliath-Wettbewerb" geschlagen, schreibt The Economist. Immerhin habe keiner der beiden Gewinner in Deutschland ein "Profil".

Le Monde aus Frankreich schreibt: "Ein schlimmeres Szenario hätte sich Angela Merkel nicht vorstellen können." Die Zeitung befürchtet, dass das Wahlergebnis zu ihrem "plötzlichen Abgang" führen könne.

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Monate der Ungewissheit

Das Wall Street Journal hingegen sieht Merkels Kanzlerschaft nicht unmittelbar bedroht. Die Regierung sei aber vor neue Herausforderungen gestellt. Das Wahlergebnis zeige zudem auf, welchen Druck die politische Mitte habe, die in den vergangenen Jahren immer weiter geschrumpft sei. "Dies bedeutet, dass Europas größtes Land auf Monate der erneuten Ungewissheit eingestellt ist, da sich die Parteien auf einen neuen Wahlgang vorbereiten (...)."

Der Standard aus Österreich kommentiert: "Es herrscht eine unglaubliche Sehnsucht nach mehr Rot in der Koalition. Streitbarer soll die SPD auftreten, viel kämpferischer, sie soll sich gegen die Union besser durchsetzen. Und wenn das, in der Rolle des ewigen Juniorpartners, nicht gelingt, dann soll sie bitte schön in Opposition gehen und sich dort regenerieren - das ist die Botschaft der SPD-Basis an diesem Wochenende." Dass die große Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode durchhält, "ist mit der Wahl der neuen SPD-Chefs ein großes Stück unwahrscheinlicher geworden."

Die Neue Zürcher Zeitung am Sonntag meint: "Die Tür zu einem politischen Wechsel in Deutschland ist aufgegangen. Mit der klaren Wahlempfehlung für das linke Duo Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken als neue SPD-Vorsitzende läuft die Zeit für die große Koalition ab." Das Regierungsbündnis habe Deutschland "im Inneren wie im Äußeren" gelähmt. Das designierte Führungsduo werde jetzt politisch "Druck machen, Fraktion und eigene Minister in die Parteipflicht nehmen, Vorgaben für den Kurs der Regierung in der Wirtschafts- und Sozialpolitik machen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer nicht hinnehmen werden". Ob es den beiden gelinge, die SPD damit wieder auf die Beine zu stellen, sei "zweitrangig": "Die deutsche Politik steuert längst in eine andere Richtung. Sie heißt Schwarz-Grün."

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