"Polizeiruf" aus Rostock:Wie ein Dorf den Hass pflegt

Lesezeit: 2 min

Mit fiesen Sprüchen - auch an der Hauswand - tyrannisieren die Dorfbewohner die beiden ehemaligen Straftäter Buschke und Kukulies. (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Die ARD zeigt statt des geplanten Dortmunder Terror-"Tatorts" einen "Polizeiruf". Das Thema Selbstjustiz ist fast genauso verstörend. Die Nachlese.

Kolumne von Carolin Gasteiger

Die Erkenntnis:

Mit der Entscheidung, an Neujahr den Rostocker Polizeiruf statt des eigentlich geplanten Dortmunder Tatorts auszustrahlen, wollten die ARD-Verantwortlichen das Thema Terror kurz nach dem Attentat in Berlin vermeiden. Aber auch das Thema des Ersatzkrimis ist verstörend: Es geht um Rehabilitation von Straffälligen. Der Titel "Angst heiligt die Mittel" könnte nicht besser passen. Was, wenn jemand seine Strafe zwar verbüßt hat, aber weiterhin stigmatisiert ist? Wie weiterleben, wenn an die eigene Hauswand "Kinderficker raus" gesprüht wird oder auf einem Schild am Gartenzaun "Hängt den Vergewaltiger" steht? Diese Selbstjustiz im Ostdeutschland erinnert an Bürgerwehren und wirft damit aktuelle Fragen auf.

Worum geht es?

Auf einer Parkbank in dem kleinen Dorf Beslow bei Rostock wird eine tote Obdachlose gefunden. Sie wurde misshandelt, vergewaltigt und ist schließlich verblutet. In der Dorfgemeinschaft sind die Schuldigen schnell ausgemacht: der Pädophile Peter Buschke und der Vergewaltiger Martin Kukulies. Beide haben ihre Straftaten zwar verbüßt, werden von den Einwohnern Beslows aber ausgeschlossen und tyrannisiert. Selbst Kinder zeigen Buschke den Mittelfinger. Das Rostocker Polizeiruf-Duo Katrin König und Alexander Bukow ermittelt bald in einem Dickicht aus Hass, Misstrauen und Selbstjustiz.

ARD-Krimi
:Dieser "Polizeiruf" gilt zu Unrecht als Lückenbüßer

Eigentlich hätte an Neujahr der "Tatort" laufen sollen. Aber dieser Rostocker Fall fängt die ostdeutsche Kleinstadttristesse so spektakulär ein - die Episode hätte es verdient, erste Wahl zu sein.

TV-Kritik von Katharina Riehl

Bezeichender Dialog:

Auf Peter Buschkes Laptop wurde kinderpornografisches Material entdeckt, an dessen Echtheit Profilerin König zweifelt. Aber die Positionen im Team sind ähnlich klar verteilt wie in der Dorfgemeinschaft.

König: Seine psychosozialen Grundbedürfnisse ...

Pöschel: Es kotzt mich langsam echt an, dieses ewige Täter-zu-Opfer-machen-Gelaber! Was interessieren mich denn dem seine scheiß psychosozialen Grundbedürfnisse? Echt!

Teamleiter Röder: Pöschel! Worum geht's denn hier eigentlich?

König: Es geht darum, dass das hier nicht zu Buschke passt. Und dass Ihr ihn automatisch mit dem Kram hier in Verbindung bringt, zeigt doch die ganze Misere. Der hätte Integration gebraucht. Ja, ich seh das so. Wenn man Pädophile irgendwie integrieren würde, dann könnten ein paar mehr Kinder im Jahr vielleicht irgendwie gerettet werden.

Pöschel: Integration, jaja, klar. Ey, so einen Typen würde ich überhaupt nicht integrieren, ja?

Top:

Im Dorf Beslow wird der Hass überzeugend kultiviert. Hier wohnen finstere Gestalten, jeder misstraut jedem. Kinder fahren mit ihrem Fahrrad durch trostlose Straßen und es herrscht ein rauer Ton. Die Dorfgemeinschaft ist zum Fürchten. Und das einzige, was alle zusammenschweißt, ist der Korn am Kneipentresen. Es ist glaubhaft und authentisch inszeniert: Da können einem die Kinder, die hier Fußball spielen oder Kästchenhüpfen, leid tun.

Flop:

Die Entführung an die polnische Grenze hätte es nicht gebraucht. Das bringt nur noch mehr unnötige Figuren im Plot mit sich und ist für die Handlung völlig irrelevant.

Bewegendste Szene:

Katrin König stellt den Verdächtigen Kukulies in einer leer stehenden Scheune. Sie richtet die Waffe auf ihn, aber alle Drohungen, selbst ein Warnschuss bewegen ihn nicht dazu, aufzugeben. Ein Kampf, ein Schlag - und Kukulies zieht König die Hose herunter. Wie König versucht, sich aus den Fängen des früheren Vergewaltigers zu befreien, ist verstörend. Aber als sie es endlich geschafft hat und die Waffe auf ihn richtet, dabei aber immer wieder in sich zusammensackt, ist noch viel verstörender.

Schlusspointe:

Den ganzen Fall über haderte Bukow damit, dass König einen neuen Job in Berlin annehmen wird. Auch jetzt blickt er suchend um sich, beißt die Lippen aufeinander, bevor er aussteigt und seiner Kollegin über den Marktplatz folgt. "Ich will nicht, dass sie nach Berlin gehen. Bleiben Sie hier - wegen mir", bittet er sie. Na endlich! Aber wer ein Happy End vermutet, wird enttäuscht. König haut erstmal auf Bukow ein und dann ab. Hoffentlich war das nur der Schock.

Beste Zuschauerkommentare:

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