ARD-Krimi:Dieser "Polizeiruf" gilt zu Unrecht als Lückenbüßer

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Katrin König und Alexander Bukow ermitteln in ostdeutscher Kleinstadttristesse. (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Eigentlich hätte an Neujahr der "Tatort" laufen sollen. Aber dieser Rostocker Fall fängt die ostdeutsche Kleinstadttristesse so spektakulär ein - die Episode hätte es verdient, erste Wahl zu sein.

TV-Kritik von Katharina Riehl

Die ARD hat sich bei ihrer Programmplanung für den Jahresbeginn mal wieder von ihrer strukturoptimierten Seite gezeigt. Der Polizeiruf aus Rostock, der nun das öffentlich-rechtliche Krimijahr einballert, ist der Ersatz eines Tatorts, der seinerseits der Ersatz eines Tatorts sein sollte, von dem die ARD zunächst erklärt hatte, dass man keinen Grund sehe, ihn zu ersetzen. Der Saarbrücker Ersatz- Tatort für den eigentlich geplanten Neujahrs -Tatort läuft nun aber doch erst am 29. Januar; und der ersetzte Neujahrs-Tatort mit Terror-Thematik, der aus Rücksicht auf die Anschlagsopfer von Berlin doch nicht an Neujahr gezeigt werden soll, der läuft irgendwann. Alles klar?

Der Sender ließ das interessierte Publikum dank diverser Notizen an die Presse an seinen immer wieder erstaunlich entrückten Entscheidungsprozessen teilhaben, was dem nun ausgestrahlten Ersatz-Ersatz-Film gegenüber keine besonders höfliche Geste war. Die Rostocker Episode jedenfalls hätte es durchaus verdient, die erste Wahl zu sein.

Zwei Triebtäter teilen sich ein Haus, die Nachbarn laufen Amok

"Angst heiligt die Mittel" heißt der Film (Buch: Susanne Schneider, Regie: Christian von Castelberg), es geht um zwei aus der Haft entlassene Sexualstraftäter. Die beiden leben in einem kleinen Häuschen, der eine brät dem anderen abends Buletten und räumt die leeren Bierflaschen weg, während die Nachbarn ihnen fiese Parolen an die Wände schmieren. Als direkt gegenüber dem Häuschen eine Obdachlose ermordet wird, fällt der Verdacht natürlich sofort auf den Vergewaltiger und den Kinderschänder.

"Polizeiruf 110"
:Landschaft, Büromöbel, Bukows Laune - alles freudlos bis deprimierend

Ob Bösewicht oder Ermittler, in Rostock spielt jeder falsch. Nur wenn König und Bukow gemeinsam ermitteln, sind sie eine Wucht. Die Nachlese zum "Polizeiruf 110".

Kolumne von Johanna Bruckner

Der Polizeiruf aus Rostock drohte zuletzt an seiner eigenen Besonderheit zu scheitern, die erotisch motivierten Konflikte zwischen den Ermittlen legten sich mit zunehmender Zähigkeit über die unterschiedlichen Geschichten. In dieser Episode nun wird die inzwischen beendete Affäre zwischen der Ehefrau des einen Kommissars (Charly Hübner) mit dem anderen Kommissar mit keiner Silbe erwähnt. Stattdessen bekommt Kathrin König (Anneke Kim Sarnau) vom LKA ein Angebot für einen Job in Berlin, was die Verhältnisse im Rostocker Ermittlerteam so oder so ein wenig umschütteln dürfte.

Auch sonst vermeidet der Film die naheliegenden Sackgassen, macht aus dem Fall kein juristisches Proseminar zum Umgang mit Triebtätern, sondern leuchtet in spektakulär trostlosen Bildern die ostdeutsche Kleinstadttristesse aus. Hätte man ohne Weiteres gleich an Neujahr zeigen können.

Polizeiruf 110 , ARD, 20.15 Uhr.

© SZ vom 31.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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