"Polizeiruf 110" aus München:"Es ist keine Retro-Geschichte"

Für Barbara Auer ist es bereits die dritte Zusammenarbeit mit Petzold. Nach einer Hauptrolle im RAF-Drama Die innere Sicherheit (2000) und einem Mini-Part in Yella (2007) habe er ihr bei einem ihrer sporadischen Aufeinandertreffen versprochen, bei seinem geplanten Polizeiruf an sie zu denken, erzählt Auer. "Wenn Christian das sagt", so ihre Erfahrung, "dann kann man sich darauf verlassen." Mit Petzold verbindet sie eine ähnliche Sozialisation, sie ist Jahrgang 1959 , er 1960: "Wir wissen gegenseitig voneinander, wovon wir sprechen, teilen eine Sicht auf die Welt und - so komisch das klingt - eine gewisse Moral, auch wenn Christian protestantisch geprägt ist und ich katholisch."

Der kulturelle Referenzrahmen von "Kreise" sind die (späten) 70er-Jahre, die Zeit, in der die am Film Beteiligten jung waren - "I'm Not in Love" von 10cc, Modelleisenbahnen, Musikboxen. Beabsichtigt sei das nicht gewesen, sagt Petzold, "das hat sich so reingeschlichen." Wichtig ist ihm aber, dass es "keine Retro-Geschichte" ist. Die Protagonisten leben im Hier und Jetzt, aber wärmen sich auch mal an der Erinnerung, wie bei einem Klassentreffen.

"Hanns", bietet Meuffels der neuen Kollegin nach anfänglicher Skepsis an.

Hermann: "Constanze."

"Die Beständige."

"Schön wär's."

"Sollten Sie nicht beständig sein?"

"Meine Mutter liebte Modezeitschriften: Petra, Brigitte, Sibylle und eben Constanze."

"Sibylle war DDR."

"Sie kennen sich aus."

"Meine Mutter las auch Modezeitschriften."

"Was ist Hanns denn für 'ne Zeitschrift", fragt Hermann und freut sich über ihren Scherz, Meuffels lächelt. Es sind Dialoge wie dieser, welche die besondere Klasse und Tiefe von "Kreise" ausmachen. Man kommt den Figuren sehr nah. An der Stelle habe auch das Team beim Dreh gelacht, erzählt Petzold. "Alle haben gespürt: Das ist jetzt wirklich. Da lachen die Schauspieler aus den Figuren heraus."

Wie in vielen Petzold-Filmen sitzen auch in "Kreise" die Protagonisten ständig im Auto. Das spiegele zum einen die Lebenswirklichkeit der meisten Deutschen, sagt Petzold, zum anderen mag er "das Somnambule" daran, die Stimmung und Nähe, die entsteht, wenn Menschen stundenlang auf engstem Raum nebeneinandersitzen, ohne sich anzugucken. "Das Auto ist auch eine erotische Kapsel."

Petzold hat schon Ideen für den nächsten "Polizeiruf"

Der Zuschauer gönnt den Kommissaren die sich anbahnende Liebesgeschichte von Herzen, doch dazu kommt es nicht: Noch bevor der Fall gelöst ist, flüchtet Hermann zurück nach Hamburg. "Meiden Sie Kontrollverlust! Suchen Sie sich eine sichere, Ihnen vertraute Umgebung!" zitiert sie aus ihrer Therapiegruppe. "Sie glaubt, sich dadurch zu retten", sagt Auer. Eigentlich sei Hermann eine "sehr couragierte Frau, die sich aber so kurz nach der Therapie selbst noch nicht wieder über den Weg traut." Meuffels ist verletzt, zieht Luft durch die Nase ein, presst die Lippen aufeinander und sagt: "Alles klar." Was natürlich das Gegenteil bedeutet. Als er sie am Hotel absetzt, bittet sie um eine letzte gemeinsame Zigarette. Doch Meuffels macht dicht, Hermann küsst ihn auf die Wange und ist weg.

"Irgendwie waren wir auch traurig, dass es so geendet ist", sagt Auer. Das Gefühl war: Da fehlt jetzt noch was." Das sah Petzold offenbar ähnlich. Noch am Set habe er den Schauspielern - im Auto natürlich - die Idee für einen zweiten gemeinsamen Fall vorgestellt, "eine Werwolf-Geschichte aus dem Chiemgau." Das Buch ist schon fertig, die Dreharbeiten sind für Ende des Jahres geplant. Allzu große Hoffnungen auf ein Happy End sollte man sich aber besser nicht machen.

Polizeiruf 110: Kreise, ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

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