Podcast-Tipps im April:Wilde Zeiten

Lesezeit: 3 min

(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Glücks- und Unglücksfälle aus der Historie: Vier Empfehlungen für Geschichts-Podcasts.

Von Stefan Fischer, Hans Gasser, Lilian Köhler und Livia Lergenmüller

Ausgesprochen alt

ausgesprochenalt.com

Es gibt für Menschen, die glauben, dass man ihnen ihre schlechte Laune nicht anmerkt, T-Shirts und Tassen mit dem Aufdruck: "Ich hasse Menschen, Tiere und Pflanzen. Steine sind okay." Fabiola Heynen sagt über sich, dass sie Steine mag. Bei Max Resch sind es Münzen. Nun darf man sich die Archäologin und den Numismatiker jedoch keineswegs als maulfaule Misanthropen vorstellen. Die jungen und sympathischen Altertumswissenschaftler begeistern sich in ihrem Podcast für Phänomene der griechischen und römischen Antike, gerne gemeinsam mit Gästen. Angenehm ist, dass ihre Gespräche in einem entspannten Ton geführt werden und trotzdem auf ein Ziel ausgerichtet sind. Also weder oberlehrerhaft noch nerdig sind, aber auch nicht konfus verlabert. Es geht oft um den Alltag. Bei einer Heirat im antiken Griechenland: Wer hält wie um wessen Hand an, in welchem Alter, welches Mitspracherecht haben die Eltern? Oder: Gab es so etwas wie Schulbildung für Kinder? In anderen Episoden geht es um größere soziale und wirtschaftliche Fragen, etwa die Bedeutung der Sklaverei oder das Nebeneinander von römischen Münzen und lokalem Kleingeld. Große Schlachten hingegen und zentrale Jahreszahlen: spielen hier keine Rolle. Stefan Fischer

Die Mauerstadt - Wildes West-Berlin

ardaudiothek.de

Im West-Berlin der Achtziger war vieles möglich. Umgeben von Mauern und Stacheldraht, entsteht mitten im Kalten Krieg ein gesellschaftliches Experimentierfeld. Das ist das Setting dieses RBB-Podcasts. In zehn Folgen erzählt er die Geschichte der westlichen Hälfte dieser geteilten Stadt nach. Es geht um Hausbesetzungen und die Antes-Affäre, um Heroin und die Kinder vom Bahnhof Zoo, um die Aids-Krise und exzessive Partynächte. Die Mauerstadt galt vielen als Babylon. Denn zwar gehörte sie zur Bundesrepublik, lag jedoch mitten in der DDR. Dadurch erhielt sie ihren Sonderstatus: Wer hier lebte, durfte zwar nicht den Deutschen Bundestag wählen, konnte dafür aber auch nicht für die Armee eingezogen werden. Folglich zog es (Lebens-)Künstler, Studierende und Wehrdienstflüchtige nach West-Berlin. Der Host Johannes Nichelmann trifft Menschen, die dabei gewesen sind, und lässt sie berichten. Der Bordell-König Otto Schwanz kommt in diesen Geschichten vor, der Politiker Wolfgang Antes, natürlich auch David Bowie. Mit hervorragendem Storytelling beschreibt Nichelmann eine Stadt, in der die Lebensentwürfe nicht unterschiedlicher sein könnten. Livia Lergenmüller

Der Rest ist Geschichte

deutschlandfunk.de/podcasts

Das Hissen und Schwenken der deutschen Fahne wird, wenn nicht gerade Fußball-WM ist, immer stärker mit radikalem Nationalismus und Patriotismus in Verbindung gebracht. Dass die Farbkombination "Schwarz-Rot-Gold" eigentlich für Revolution und Bürgerrechte steht, scheint in Vergessenheit geraten zu sein. Woher kommt das mulmige Nationalgefühl der Deutschen? Um die Krisen und Debatten von heute zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die Geschichtsbücher. Genau das machen die Journalisten Anh Tran und Jörg Biesler. In ihrem Podcast des Deutschlandfunks sprechen sie Woche für Woche mit Expertinnen und Experten. Dabei geht es etwa um das ambivalente Verhältnis der Deutschen zur Bundeswehr, die Geschichte der Atomkraft oder die Frage, warum Impfstoffe politisch sind. Mit klarer Erzählstruktur und spannenden Gästen greifen die Hosts historische Momente auf, die die Welt bis heute prägen, und schaffen so ein grundlegendes Verständnis für die brennenden Fragen der Gegenwart und Zukunft. Lilian Köhler

Darwin gefällt das

open.spotify.com

Aus dem Scheitern, so sagen erfolgreiche Menschen gern, kann man am meisten lernen, um dann so richtig Erfolg zu haben. Manchmal bleibt eine Schnapsidee aber auch einfach eine Schnapsidee. Um solche geht es Anna Bühler und Christian Alt in ihrem Podcast. Sie stellen in vielen ihrer Folgen absurde Ideen vor, oft aus der Naturwissenschaft, die, mit großem Ernst betrieben, kolossal gescheitert sind. So erzählen sie über Duncan MacDougall, der um 1900 das Gewicht der Seele messen wollte, indem er Sterbende vor und nach dem Tod wog. Oder es geht um Robert Graham, der in den Achtzigern eine Nobelpreisträger-Samenbank aufbauen wollte, um damit Genies zu züchten. Manchmal nehmen sich die beiden aber auch des wirklich großen menschlichen Scheiterns an, wie etwa der Antarktis-Expedition von Scott oder dem Untergang der Titanic, sogenannten "Epic Fails" der Geschichte. Das ist oft interessant, manchmal lustig, wobei Bühler und Alt sich und ihre Witze selbst am lustigsten finden. Mitunter dauert es insofern, bis der hörenswerte Kern der Geschichte zum Vorschein kommt. Hans Gasser

sz.de/podcast-tipps

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ Plus"Quality Time" mit Anke Engelke und Riccardo Simonetti
:Klatsch ohne Häme

Wie Anke Engelke und Riccardo Simonetti in ihrem Podcast "Quality Time" die Kunst des Plauderns gelingt.

Von Marlene Knobloch

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: