News of the World: Rolling Stones:Rollkommando der blauen Zwerge

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"News of the World" gab sich stets Mühe, die "Rolling Stones" als drogensüchtige Mädchenverderber darzustellen. Das Blatt verbrüderte sich mit der Polizei und 1967 gelang es schließlich, Mick Jagger und Keith Richards zu verhaften. Erst die "Times" sicherte den Musikern ihre Existenz.

Willi Winkler

Es war kalt, die Luft klar, und als er aus dem Fenster schaute, sah Keith Richards "eine Horde Zwerge" draußen stehen, alle blau gewandet und behelmt. "Tolle Aufmachung", dachte der auf rosanen Wolken schwebende Hausherr und bat die Zwerge - es war ja so bitterkalt, und warum sollten sie draußen stehen und sich alles abfrieren - freundlich in sein Anwesen. Die blauen Zwerge waren aber gar keine, sondern ein Rollkommando von Scotland Yard. Es stürmte Richards' Haus, um seiner Band, den Rolling Stones, den Garaus machen.

Es kriselte ohnehin schon, doch durch die Zusammenarbeit von Polizei und Medien waren die Rolling Stones (im Bild von links nach rechts: Charlie Watts, Keith Richards, Mick Jagger und Ron Wood) am Ende. (Foto: AP)

Allzu lange hatte sich das Establishment das Treiben der zunehmend langhaarigeren Brüder mit angesehen, hatte ertragen, dass sie öffentlich beklagten, nicht befriedigt zu werden, und dass daher nicht wenige brave Töchter der Aufforderung dieser Anarchisten folgen wollten, mit ihnen die Nacht zu verbringen.

Die Boulevardzeitung News of the World gab sich besondere Mühe, die Musiker als drogensüchtige Mädchenverderber darzustellen. Sie hatte Anfang Februar 1967 in größter, bilderreicher Aufmachung berichtet, dass Mick Jagger nicht nur Rauschgift konsumierte, sondern in einem Club LSD herumbot. Als Jagger, der damals kein LSD nahm, die Zeitung verklagte, verbrüderte die sich mit der Polizei. Der Chauffeur der Stones ("Wir haben ihn doch immer anständig bezahlt", klagt Keith Richards noch in seiner 2010 erschienenen Autobiographie) steckte dem Blatt nicht nur, dass seine Arbeitgeber regelmäßig Rauschgift konsumierten, sondern dass sie sich an einem bestimmten Wochenende in Richards' Haus treffen wollten. News of the World informierte die Polizei, die ihres Presse-Auftrags waltete und in die versprochene Drogenhölle in Redlands eindrang.

Richards war nicht der einzige, der bei dem Überfall im LSD-Rausch schwebte, auch seine Freunde waren reichlich weggetreten. Zu seinem Glück hatte der Beatles-Gitarrist George Harrison die Liegenschaft bereits verlassen, dafür befand sich dort Mick Jaggers Freundin, die das Bild maßloser Dekadenz erst vollständig machte. Marianne Faithfull sei nur mit einer Art Fellteppich bekleidet gewesen, wie News of the World noch vor dem Polizeibericht verlautbaren konnte, und den habe sie auch noch in provozierender Weise vor den selbstverständlich beschämten Polizisten fallen lassen.

Das "Komplott" (Keith Richards) zwischen Polizei und Presse hatte, unterstützt von einem angeblich von höchsten Kreisen eingeschleusten agent provocateur, den gewünschten Erfolg: Wegen Drogenbesitzes wurde Jagger zu drei Monaten und Richards zu einem Jahr Haft verurteilt. Die Band, in der es ohnehin längst kriselte, war am Ende.

Es war dann die Times, heute ebenso wie die eingestellte News of the World im Besitz von Rupert Murdoch, die den Rolling Stones die Existenz sicherte. Der Chefredakteur William Rees-Mogg, ein Konservativer, überschrieb seinen Leitartikel mit einem Vers des Barockdichters Alexander Pope ( Who Breaks a Butterfly on a Wheel? - "Wer wird einen Schmetterling aufs Rad flechten?") und erinnerte das rachsüchtige Establishment daran, dass Fairness zu den größten englischen Tugenden gehöre: "Die britische Rechtsprechung sollte sich ganz besonders dadurch auszeichnen, dass sie dafür sorgt, dass Mr. Jagger genauso behandelt wird wie jeder andere, nicht besser und nicht schlechter. In diesem Fall aber bleibt der Verdacht, dass Mr. Jagger eine wesentlich strengere Strafe erhalten hat, als sie für einen anonymen jungen Mann angemessen wäre."

Mick Jagger und Keith Richards kamen nach dieser Intervention frei, Marianne Faithfull erlebte nach einer grauenhaften Drogenkarriere ein erstaunliches Comeback als Sängerin, die Rolling Stones fahren bis heute fort, die Moral der westlichen Welt zu untergraben. Mr. Jagger, den die Times 1967 mit einem Schmetterling verglich, der an der Folter draufgehen sollte, blieb unversehrt und wurde 2003 zum Ritter Ihrer Majestät geschlagen. Und, ja, News of the World gibt es jetzt nicht mehr.

© SZ vom 11.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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