Neue Amazon-Serie:Oben ohne gegen das Patriarchat

Lesezeit: 3 Min.

The Marvelous Mrs. Maisel (Foto: Nicole Rivelli/Amazon)

"The Marvelous Mrs. Maisel" von der Schöpferin der "Gilmore Girls" erzählt, wie eine New Yorker Hausfrau die Comedy-Szene der 50er-Jahre erobert.

Von Friederike Oertel

Ein Nachtclub in New York, Ende der Fünfzigerjahre: Miriam "Midge" Maisel steht auf der Comedy-Bühne, entblößt mitten in einer Nummer ihre Brüste und fragt: "Wer würde für die hier nicht gern abends nach Hause kommen?" Die Polizei führt sie ab, kurze Zeit später steht Midge vor Gericht. Warum ihr Mann sie nicht begleite, fragt der Richter. "Weil er denkt, dass ich das selber kann", antwortet Mrs. Maisel. Die Folge ihrer Schlagfertigkeit: doppeltes Strafmaß - für unangemessenes Verhalten auf der Bühne und für die Aufmüpfigkeit vor Gericht.

Heute, 60 Jahre später, wirkt die Aufregung um Mrs. Maisels entblößte Brüste auf einer Stand-up-Bühne ziemlich aus der Zeit gefallen, gilt doch gerade die Comedy-Branche als besonders liberal und aufklärerisch. Auch weil immer mehr Frauen in die einstige Männerdomäne vordringen. Und weil Comedians wie Louis C.K. in feministischen Nummern und kritischer Selbstreflexion die Rolle des weißen, privilegierten Mannes anprangern. Doch ist wirklich alles besser geworden im Showbusiness? Oder wirken unter der Oberfläche noch immer die gleichen diskriminierenden Strukturen? Ausgerechnet Louis C.K. jedenfalls hat gerade eben erst zugegeben, seine Machtposition als sehr erfolgreicher Comedian ausgenutzt zu haben, um Frauen sexuell zu bedrängen.

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Die Amazon-Serie The Marvelous Mrs. Maisel spürt diesen Fragen nach, bleibt aber dabei stets in der Vergangenheit. Th e Marvelous Mrs. Maisel ist die zweite Serie von Amy Sherman-Palladino seit den Gilmore Girls, der Geschichte eines blitzgescheiten Mutter-Tochter-Gespanns und eine der erfolgreichsten Serien in der amerikanischen Fernsehgeschichte. Diesmal erzählt Sherman-Palladino die Geschichte einer der ersten Stand-up-Komikerinnen der USA, gespielt von Rachel Brosnahan ( House of Cards).

Zu Beginn der Serie scheint Midge Maisel alle Anforderungen an eine Frau im Jahr 1958 zu erfüllen: Die 26-Jährige ist mit dem erfolgreichen Geschäftsmann Joel (Michael Zegen) verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt in einem luxuriösen, puppenstubengleichen Apartment an der Upper West Side von Manhattan. Perfekt gekleidet und geschminkt kommt sie ihren Pflichten als Hausfrau und Mutter nach. Nebenbei unterstützt sie ihren Mann, der abends seinem Traum als Stand-up-Comedian nachgeht. Doch all die weibliche Hingabe ist vergebens, denn eines Tages verlässt Joel Midge und die Kinder.

Noch am selben Abend betrinkt sie sich und stellt sich auf die Bühne eines Nachtclubs, um sich den Frust von der Seele zu reden. Das Publikum feiert ihren Zynismus. Midge wird von der mürrischen Barkeeperin Susie (Alex Borstein) entdeckt, die sie groß rausbringen will. Es ist der Beginn einer besonderen Freundschaft. Und der Beginn eines schwierigen Weges. Sherman-Palladino zeichnet das Bild einer sexistischen Branche in einer sexistischen Gesellschaft: Midge wird mehrmals verhaftet und muss sich immer wieder gegenüber ihren Eltern rechtfertigen, die lieber sehen würden, dass sie sich ihr schönstes Kleid anzieht und ihren Mann zurückerobert.

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Doch Midge stürzt sich ins Nachtleben, beginnt ihre Karriere in jenem heruntergekommenen Club in Greenwich Village - und wird eine Frauenfigur wie jene, mit denen Amy Sherman-Palladino vor 17 Jahren ein vornehmlich weibliches Publikum eroberte. Midge kann genauso schnell sprechen wie die Gilmore Girls Lorelai und Rory und ist mindestens ebenso schlau und wortgewandt. Ihr rhetorisches Talent wird zum politischen Werkzeug, vielseitig anwendbar und anpassungsfähig, mit dem sie gegen die Unkultur des Schweigens anredet.

The Marvelous Mrs. Maisel ist die Geschichte einer Frau, die sich aus dem engen gesellschaftlichen Korsett ihrer Zeit befreit und sich gegen weibliche Rollenklischees stellt - erzählt mit einer wohltuenden Leichtigkeit, ein wenig verträumt, ein bisschen retro. Midge bestimmt mit ihren knallbonbonfarbenen Outfits den Farbton der Serie, gibt mit ihrem Witz und ihrer Scharfsinnigkeit das Tempo vor. Dabei erinnert ihre bunte Welt an ein Musical, Mrs. Maisel bisweilen an Mary Poppins, was sich niedlicher anhört, als es ist. Weil Rachel Brosnahan brillant ist in der Rolle der Mrs. Maisel. Weil überhaupt das Ensemble bis in die Nebenrollen sehr gut besetzt ist. Neben Brosnahan spielt Tony Shalhoub den wortkargen Vater und Marin Hinkle wird in der Rolle der Mutter - ähnlich wie Lorelais Mutter Emily in Gilmore Girls - zum heimlichen Star der Serie.

The Marvelous Mrs. Maisel ist gelungene Comedy über Comedy, eine Liebeserklärung an die späten Fünfzigerjahre. Vor allem aber ist die Serie ein Stück Zeitgeschichte, das nicht an Aktualität eingebüßt hat. The Marvelous Mrs. Maisel zeigt, dass seit damals zwar viel passiert ist, aber vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte eben auch, dass kein wirklicher Kulturwandel stattgefunden hat. Dass es die toxischen Machtstrukturen immer noch gibt. Sherman-Palladino prangert das an, gibt ihren Zuschauern aber zugleich Zuversicht, indem sie ihnen eine großartige und komplexe Frauenfigur schenkt, die sich in einer männerdominierten Welt bewegt, ohne sich jemals abhängig zu machen.

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Von Katharina Riehl

The Marvelous Mrs. Maisel , abrufbar bei Amazon*

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© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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