Abhörskandal: Presseschau zu Murdoch:"Dreist, kriminell, gefährlich"

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Die Abhöraffäre im Murdoch-Konzern sorgt international für Empörung. Tenor: Die geballte Medienmacht des Verlegers gefährde die Demokratie - die Verquickung von Politik, Polizei und Presse sprächen für ein System der "strukturellen Korruption" in Großbritannien.

Die Murdoch-Affäre hat in der internationalen Presse einen Aufschrei der Empörung ausgelöst. Die französische Tageszeitung Le Monde beschäftigte sich vor allem mit den Auswirkungen der Affäre auf die britische Regierung unter Premierminister David Cameron: "Jetzt ist auch noch der konservative Regierungschef durch die Murdoch-Affäre angeschlagen. Der Skandal weitet sich auf immer mehr Institutionen in Großbritannien aus.

Zeitungsstand in London: In der internationalen Presse herrscht große Betroffenheit über die Verquickung von Politik, Polizei und Medien in Großbritannien. (Foto: REUTERS)

Die Affäre hat ein System ans Tageslicht gebracht, das eine ernste Gefahr für die Demokratie bedeutet. Da ist zum einen die Mitwisserschaft mancher korrupter Polizeibeamter, die lange die Augen vor den Machenschaften der Murdoch-Presse verschlossen haben.

Aber da ist auch die Nähe zwischen dem Milieu der Politiker und einer Mediengruppe, die sie fürchteten. Ob rechts oder links, alle haben sich um gute Beziehungen zu Murdoch bemüht. Ist David Cameron dabei zu weit gegangen? Das wird ihm heute zumindest vorgeworfen."

Die niederländische Abendzeitung NRC Handelsblad pocht auf eine Ausweitung der Untersuchungen: "Viele Politiker haben aus Opportunismus gemeinsame Sache gemacht mit Zeitungen, die Telefongespräche abhörten und Beamte bestachen. Doch ein plötzlicher Mumm und ein umgekehrter Opportunismus - Murdoch liegt am Boden, der Kurs von News Corp sinkt - können dazu führen, dass Abgeordnete um sich beißen. Das ist zu hoffen.

Sofern das Unterhaus nicht davor zurückschreckt, die Untersuchung auszuweiten auf das Dreigestirn 'Politik, Presse und Staat'. Vieles deutet auf eine symbiotische Korruption hin. Es muss geklärt werden, ob die Fäulnis andere Bereiche des öffentlichen Lebens erfasst hat. Erst wenn klar ist, ob es um eine strukturelle oder doch nur um vereinzelte Korruption geht, können Politik und Medien wieder zur Tagesordnung übergehen."

Kritik an konzentrierter Medienmacht

Die überrregionalen Salzburger Nachrichten kritisieren vor allem das "System Murdoch" und die damit verbundene Konzentration der Medienmacht : "Eine derartige Anhäufung von Macht in der Hand eines Konzerns und - im Fall von News Corp. - eines Mannes kann den demokratischen Prozessen nur schaden.

Murdochs Macht und die Art, wie er sie einsetzt, untergräbt die Autorität jener, die tatsächlich gewählte Vertreter eines Volkes sind. Murdoch mag sich bei seiner Anhörung noch so demütig gegeben haben, die Medienkonzentration, die er geschaffen hat, ist für eine Demokratie gefährlich und deshalb untragbar.

Doch die Korrektur hat schon begonnen, die Verhältnisse ändern sich bereits. Früher hätte Murdoch die Politiker in seinem Büro antanzen lassen. Jetzt muss er immerhin vor Parlamentariern Rede und Antwort stehen."

Lauter Unschuldsbeteuerungen

Das Luxemburger Wort hält die demokratischen Institutionen in Großbritannien für beschädigt - vor allem das Vertrauen in die Polizei sei ramponiert: "Murdoch gab sich demütig und schüttete Asche auf sein Haupt, beteuerte jedoch, von der jahrelangen Praxis des illegalen Abhörens von Telefonen sowie der Beamtenbestechung in seinen Boulevardzeitungen, nichts gewusst zu haben.

Auch Murdochs einstige Topmanagerin Rebekah Brooks, gegen die eine Verfahren läuft, hütete sich, Verfängliches zuzugeben. Blieben der Londoner Polizeichef Paul Stephenson und sein Stellvertreter John Yates, die beide ihren Hut genommen haben."

"Sie wuschen ebenfalls ihre Hände in Unschuld und wollten von Korruption oder gar heimlicher Deckung der Machenschaften durch die Polizei genauso wenig gewusst haben.

Es wird schwer sein, den Beteiligten Schuld nachzuweisen. Doch die immer neuen Enthüllungen wecken bei den Briten Zweifel an altehrbaren Institutionen in ihrem Land. So stellt sich immer stärker die Frage der politischen Verantwortung. Noch ist unklar, wo der Skandal haltmachen wird, ob etwa auch Köpfe in der Politik rollen werden. Sicher ist nur, dass Großbritannien fortan nicht mehr dasselbe Land sein wird."

"Diskreditierung des Systems"

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung kritisiert vor allem die Praktiken der Presse: "Man kann nur hoffen, dass sich der Wunsch des stellvertretenden britischen Premierministers Clegg nicht als naiver Idealismus erweist, sondern die Anhörungen vor Ausschüssen des Unterhauses im Abhörskandal tatsächlich zu einem neuen Verantwortungsbewusstsein in der Presse führen.

Was sich Blätter - also sogenannte Journalisten - des Medienunternehmers Murdoch geleistet haben, ist dreist, skrupellos, kriminell. Deren gesellschaftliche Nähe zur und ihr Einfluss auf die Politik ist von Übel. (...)

Die Bürger erleben derweil die Diskreditierung eines weiteren Teils des Systems Britannien und seiner Institutionen: erst die Finanzwelt, dann Politiker mit dem Spezialgebiet Spesenrittertum, nun die Presse mit korrupten Helfern womöglich bei der Polizei. Was für eine 'Elite'!"

Gedankenspiele über Murdochs Rückzug

Bereits vor der Aussage Murdochs vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss hatte das Wall Street Journal, das zu Murdochs Medienkonzern gehört, den Skandal in einen Zusammenhang mit einem möglichen Abgangs Murdochs als Firmenchef gebracht. Der Medienmogul denke über den Rückzug von seinem Posten bereits seit mehr als einem Jahr nach: "Bereits, bevor der Skandal in den vergangenen Wochen aufflammte", habe Murdoch einen Rücktritt als Firmenchef zugunsten des für das Tagesgeschäft zuständigen Vorstands Chase Carey erwogen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf das "mit der Situation vertraute Umfeld" Murdochs.

In dem erwogenen Szenario würde Murdoch dem Wall Street Journal zufolge aber Verwaltungsratchef bleiben. "Auch wenn Murdoch sich zu diesem Wechsel entscheiden würde, so würde er es nicht jetzt tun", zitierte die Zeitung aus Murdochs Umfeld weiter.

Vielmehr sei ein Wechsel an der Konzernspitze denkbar, wenn sich die "Aufregung" um den Abhörskandal um die inzwischen eingestellte Boulevardzeitung News of the World gelegt habe.

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