Murdoch-Anhörung:Unschuldslämmer und Sündenböcke

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Jahrelang gab es fragwürdige Recherchepraktiken bei "News of the World" - doch Vater und Sohn wollen von nichts gewusst haben: Wie Rupert und James Murdoch sich trotz heftiger Vorwürfe der Abgeordneten aus der Affäre zu ziehen versuchen.

Christian Zaschke, London

Rupert Murdoch wirkte bisweilen wie ein sehr alter Mann. Er verstand Fragen nicht richtig, er konnte sich nicht an den Namen seines Chefjuristen erinnern, überhaupt schien er nicht sonderlich gut informiert zu sein über seine Geschäfte in Großbritannien. Murdoch ist 80 Jahre alt, die Gedächtnislücken mögen tatsächlich dem Alter geschuldet sein. Es war jedoch auch deutlich in seinem Gesicht zu lesen, dass es ihm überhaupt nicht gefiel, am Dienstagnachmittag vor dem Medienausschuss des britischen Unterhauses Rechenschaft ablegen zu müssen über Machenschaften seiner Angestellten: Mitarbeiter der mittlerweile eingestellten Zeitung News of the World sollen Tausende Telefone abgehört und zudem Polizisten bestochen haben.

In der Anfangszeit des britischen Abenteuers: Der damals knapp 38-jährige Rupert Murdoch mit seiner Frau Anna Torv im Jahr 1969 auf dem Weg zu einer Aktionärsversammlung seiner Zeitung News of the World. (Foto: Getty Images)

Die Hoffnungen, Rupert Murdoch und sein Sohn James würden zur Aufklärung der Geschichte beitragen, erfüllten sich nicht. Es ging ihnen in erster Linie darum zu betonen, dass sie selbst nichts wussten von den Vorgängen bei der News of the World und dass sie darüber hinaus nicht wussten, wer ihrer Angestellten wann was wusste. Sie hatten sich sehr gut vorbereitet auf die Befragung, die sie als Chance umdeuten wollten. Kurz nach Beginn der Sitzung unterbrach Rupert Murdoch seinen Sohn James, er legte ihm die Hand auf den Arm und sagte mit brüchiger Stimme: "Ich möchte eine Sache sagen: Dies ist der Tag meiner größten Demut."

Offensichtlich hätte Murdoch gern nur diese eine Sache gesagt, denn Fragen zur Sache bereiteten ihm sichtbares Unbehagen - als Chef des weltumspannenden Medienkonzerns News Corp mit 53.000 Mitarbeitern ist er es nicht gewohnt, befragt zu werden. Und schon gar nicht von einem Mann wie dem Labour-Abgeordneten Tom Watson, der Murdochs Imperium - anders als viele andere Politiker im Ausschuss - seit Jahren skeptisch gegenübersteht.

Minutenlang stellte der bestens vorbereitete Watson seine Fragen, bis Murdoch ungeduldig wurde. "Schauen Sie, die News of the World hat ein Prozent des Unternehmens ausgemacht", sagte Murdoch, um zu erklären, warum er so wenig über die Zeitung sagen konnte, dabei klopfte er mehrmals mit der flachen Hand auf den Tisch. Er ist bekannt dafür, unwirsch zu werden, wenn ihm die Situation nicht gefällt, doch er fing sich umgehend.

Watson fragte: "Wann haben Sie herausgefunden, dass Kriminalität bei der News of the World endemisch war?" Murdoch antwortete langsam, fast schleppend: "Endemisch ist ein großes Wort", er tastete sich von Wort zu Wort, "wir müssen vorsichtig sein, es laufen Ermittlungen, wir wissen nicht, was dabei herauskommt." Der dann folgende Satz ging ihm wiederum flüssig über die Lippen, vielleicht hatte er ihn geübt, vielleicht meinte er ihn ehrlich: "Als ich erfahren habe, was passiert ist, war ich schockiert, abgestoßen und beschämt."

Dieser Scham gab auch James Murdoch wiederholt Ausdruck. Zu Beginn hatte er gefragt, ob er ein Statement verlesen dürfe. Der Ausschuss lehnte das mit dem Hinweis ab, dass es sicherlich genügend Fragen gebe. Beide Murdochs schauten überrascht ob dieser Antwort, vielleicht hatten sie eine Sonderbehandlung erwartet. Doch James Murdoch tat in der Folge das, was man in Kommunikationstrainings lernt: Er beantwortete die erste Frage mit einem kurzen Statement, das nichts mit der Frage zu tun hatte. Er entschuldigte sich bei allen, die vom Tun der News of the World verletzt sein könnten.

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Dieser mit Spannung erwartete Nachmittag der Fragen war kein Nachmittag der Antworten - und er war dennoch bisweilen aufschlussreich. Vor den Murdochs wurde der zurückgetretene Polizeichef Sir John Stephenson vom Innenausschuss befragt, und eher nebenbei kam dabei zutage, dass die Metropolitan Police in ihrer 45 Personen starken Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit allein zehn beschäftigt, die vorher bei Murdochs inzwischen eingestelltem Blatt News of the World gearbeitet haben. Diese Zahl ist mindestens so erstaunlich wie die 26 Treffen von Premierminister David Cameron mit Mitarbeitern von News International (dem britischen Teil von Murdochs Konzern) in den letzten 15 Monaten - beide Zahlen zusammen verstärken den Eindruck, dass es in Großbritannien eine weitreichende Verflechtung von Murdoch-Medien, Polizei und Politik gibt. Tatsächlich berichtete Murdoch von seinem Besuch bei verschiedenen Premierministern, er tat das jovial, es wurde sogar gelacht, weil Murdoch lächelnd zugab, den Wohnsitz des jeweiligen Premierministers stets durch die Hintertür zu betreten. Nun war er angekommen in der Sitzung.

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Das hatte am Morgen noch ganz anders ausgesehen. Als Murdoch am Dienstagmorgen sein Apartment in St. James in einem dunklen Landrover verließ, konnte er durch die getönten Scheiben einen immerhin vagen Eindruck davon gewinnen, wie es ist, von der Boulevardpresse belagert zu werden. Fotografen drückten ihre blitzenden Kameras an die Scheiben des vorbeirauschenden Wagens, der rasch beschleunigte, während Kameramänner die Verfolgung aufnahmen, die meisten zu Fuß. Es wirkte lächerlich einerseits und andererseits doch symbolisch: Rupert Murdoch war auf der Flucht vor den Medien.

Diese Flucht führte schließlich am Nachmittag des Tages nicht an einen sicheren Ort, sondern vor besagten Medienausschuss des Unterhauses. Seit Tagen fieberte die britische Öffentlichkeit diesem Auftritt entgegen, insbesondere weil Murdoch die Öffentlichkeit scheut. Die Scheu hat er auch seinem engsten Umfeld beigebracht, es war nicht viel zu hören bisher von seinem Sohn James, dem Statthalter des Gesamtkonzerns News Corp in Europa.

Die hohe Erwartung in den Auftritt vor dem Unterhaus konnte kaum erfüllt werden. Ob sich etwas ändern würde in der Zukunft, auch was martialische Schlagzeilen angehe, und ob sie etwas gelernt hätten, wurden die Murdochs gefragt. "Es gibt eine wunderbare Vielfalt der Stimmen im Land", sagte Rupert Murdoch, "und die stehen natürlich in einem Wettbewerb." James Murdoch ahnte wohl, dass diese Antwort nicht die war, die man idealerweise am Tag der größten Demut gibt. Er sagte: "Wir müssen über die Ethik des Journalismus und des ganzen Geschäfts nachdenken, wir alle."

© SZ vom 20.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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