Pressefreiheit:Wie Polens Regierung die Medien nach ihren Vorstellungen formen will

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Jarosław Kaczyński will mit seiner Partei PiS die demokratischen Kontrollorgane radikal zu seinen Gunsten umbauen. (Foto: REUTERS)

Die Nationalkonservativen wollen Radio und Fernsehen "von Lügnern befreien". Auch die "Dominanz deutschen Kapitals" soll gebrochen werden.

Von Florian Hassel

Es ist eine stattliche Liste angeblicher Feinde in den Medien, die Polens neue Regierung erstellt hat. Da ist zum Beispiel Tomasz Lis, Moderator einer Talkshow im staatlichen Fernsehen TVP. Dessen Nachrichtenchef Piotr Kraśko zählt ebenso dazu wie die Nachrichtenmoderatorin Beata Tadla. Unbeliebt ist auch Jacek Snopkiewicz, der Leiter der Filmakademie. Als Programmmacher weigerte er sich, einen Film über den Lieblings-Verschwörungsmythos der regierenden Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) zu finanzieren - das Flugzeugunglück von Smolensk, bei dem 2010 die polnische Präsidentenmaschine mit 96 Menschen abgestürzt war und das PiS-Übervater Jarosław Kaczyński als Terroranschlag bezeichnet. Oder Katarzyna Janowska, als Chefin des Kulturablegers TVP Kultura wegen "antipolnischer Produktionen" verhasst.

Diese und etliche weitere Journalisten werden wohl nicht mehr lange zu sehen und zu hören sein oder über das Programm mitbestimmen. Was etwa Lis, Kraśko und Tadla angehe, hätten ihn "die Wähler informiert, dass sie genug von ihnen haben", sagt Krzysztof Czabański, ein Vertrauter Kaczyńskis und neuer Regierungsbevollmächtigter für die Umgestaltung der Staatsmedien. Einen Tag nach der Regierungsübernahme der PiS verkündete das Staatsfernsehen das Aus für Lis' Fernsehshow. Generell, so Czabański, "werden wir Radio und Fernsehen von Lügnern befreien".

Auch Kulturminister und Vize-Ministerpräsident Piotr Gliński hält wenig von kritischen Journalisten. Nach hartnäckigen Fragen der Fernsehmoderatorin Karolina Lewicka beschimpfte Gliński sie und ihre Kollegen erst als Propagandisten, dann drohte er offen mit der Entlassung. Unmittelbar nach der Sendung ließ er die Moderatorin suspendieren.

Das Medien-Gesetz soll noch vor Weihnachten ins Warschauer Parlament

Dass die PiS bei der Kontrolle der Medien nicht zimperlich ist, zeigte sie schon in ihrer ersten Regierungszeit nach 2005. Damals mussten allein beim Staatsradio, damals dem heutigen Medienbevollmächtigten Czabański unterstehend, mehr als 250 Mitarbeiter gehen, wie das Magazin Polityka schätzte. Zu jener Zeit war die Macht der PiS noch in einer Koalitionsregierung eingeschränkt - heute aber regiert sie mit absoluter Mehrheit. Für PiS-Chef Kaczyński sind die Medien und die Wiederherstellung dessen, was er als "Wahrheit" ansieht, zentrales Anliegen der neuen Regierung.

Schon arbeitet die PiS an Gesetzen zur Kontrolle über die Medien, vor allem über das Fernsehen TVP, die staatliche Nachrichtenagentur PAP, das Polnische Radio und 17 regionale Ableger. Czabańkski zufolge kommt noch vor Weihnachten ein erster Gesetzentwurf ins Parlament. Einiges davon ist bereits bekannt. Die staatlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten sollen demnach zu Firmen in Staatsbesitz umgewandelt werden. Dadurch könnten Fernseh- und Rundfunkräte aufgelöst und die neuen Firmen dem in Polens Verfassung festgeschriebenen Nationalen Rat für Radio und Fernsehen weitgehend entzogen werden. Stattdessen sollen die staatlichen Medien von je einem Direktor geleitet werden - vorgeschlagen von einem neuen, von der PiS besetzten Rat der Volksmedien, doch ernannt vom Kulturminister.

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Schon nach 2005 wurden etwa die staatlichen Fernsehnachrichten von einem dreiköpfigen "Politischen Kommissariat" der PiS kontrolliert. Programmatisch tat sich das Fernsehen damals mit Sendungen wie "Polen", "Debatten der Polen", "Geht es gut, Polen?" hervor und mit regelmäßigen, watteweichen Interviews mit Lech Kaczyński, dem ebenfalls von der PiS gestellten und 2010 in Smolensk gestorbenen Präsidenten und Zwillingsbruder von Jarosław.

Doch die PiS stört sich nicht nur an staatlichen Medien. Auch private Häuser dürften unter Druck geraten - sowohl polnische als auch solche mit ausländischen Eigentümern. Die Regierungssprecherin Elżbieta Kruk und Czabański haben bereits über angebliche "Medienmonopole" und Verlage geklagt, denen sowohl Zeitungen wie Fernseh- und Radiosender gehören. Dies sei "schädlich für den öffentlichen Diskurs". Als Beispiel nannte Czabański den Agora-Verlag, der Polens führende Tageszeitung Gazeta Wyborcza herausgibt. Sie zählt zu den schärfsten Kritikern der neuen Regierung.

Wie in Budapest oder Moskau sind ausländische Verlage, die unabhängige Medien kontrollieren, auch der neuen Regierung in Warschau verdächtig. Das gilt selbst für den Bauer-Verlag oder Burda, die vor allem unpolitische Lifestyle-Magazine herausgeben. Es gilt erst recht für den Springer-Verlag, der zusammen mit dem Schweizer Ringier-Verlag das Boulevardblatt Fakt herausgibt, Polens größte Tageszeitung - und die polnische Newsweek-Ausgabe. Diese gehört zu den schärfsten wie bestinformierten Kritikern Kaczyńskis und der PiS. Auch der Verlag der Passauer Neuen Presse, der in Polen einige Regionalzeitungen besitzt, ist bei der PiS unbeliebt. Czabański sagt, auf dem Medienmarkt habe "der hohe Anteil ausländischen Kapitals krankhafte Ausmaße. Die Regionalpresse ist wohl schon zu hundert Prozent in fremden Händen."

"Repolonisierung polnischer Medien"

Auch Regierungssprecherin Kruk wetterte gegen die "Dominanz deutschen Kapitals in den Medien" und kündigte Anfang Dezember die "Repolonisierung polnischer Medien" an. Czabański und Kruk wollen ausländischen Verlagen eine Beteiligung nur noch eingeschränkt gestatten. Russlands Mediengesetz zum Beispiel erlaubt Ausländern nur noch den Besitz von maximal 20 Prozent eines Titels.

Eine solche Regelung dürfte in Polen, das EU-Recht einhalten muss, kaum möglich sein. Stattdessen werde die PiS Bedenken gegen Monopole anbringen, meint Kruk, die als Vorsitzende des Kulturausschusses im Parlament entsprechende Gesetze mit erarbeitet. "Die größten ausländischen Verleger können zum Verkauf einiger ihrer Titel gezwungen sein", sagt sie. Auch auf dem Fernsehmarkt ist noch nicht alles so, wie es die PiS gern hätte. Das dem polnischen Milliardär Zygmunt Solorz-Żak gehörende Fernsehimperium Polsat ist der PiS nicht patriotisch genug; gleiches gilt für die private Fernsehanstalt TVN, kontrolliert vom US-Konzern Scripps International. TVN sei "kein objektiver Sender", sagt der neue Justizminister Zbigniew Ziobro (PiS).

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Und Maciej Swirski, unter der vergangenen PiS-Regierung Chef des Staatsfernsehens und nun wieder Kandidat für eine führende Rolle, soll nach dem Wahlsieg der PiS vorgeschlagen haben, die amerikanischen TVN-Besitzer darauf hinzuweisen, dass ihr Sender "eine Beleidigung für ein Drittel der Gesellschaft" sei. Der nächste Schritt, so Swirski: "Gerichtsprozesse in massenhafter Form".

© SZ vom 15.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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