Sondersendung des Literarischen Quartetts:Es ist so nett im Kinder-Quartett

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Erfrischende Runde (von links): Lucas Stiller, Thea Dorn, Conrad Henzler, Sara Akinsola. (Foto: Svea Pietschmann/ZDF)

Zum Welttag des Buches spricht Thea Dorn mit Jugendlichen über ihre Lieblingsbücher. Endlich mal gute Laune!

Von Miryam Schellbach

Drei Teenies in Sneakern und Hoodie diskutieren über Bücher, streiten engagiert über zeitgenössische Literatur und über internationale Klassiker. Angeregt, exzellent vorbereitet, einander zugewandt, lässig. Die Moderatorin kommt selten zu Wort.

Das ist keine romantische Utopie zum heutigen UNESCO-Welttag des Buches. Es ist die getreue Zusammenfassung dessen, was sich am Samstagvormittag im ZDF ereignete, als eine Sondersendung des Literarischen Quartetts ausgestrahlt wurde. Damit war nicht zu rechnen gewesen, dass die drei Jugendlichen, die Thea Dorn zur ersten "U21"-Ausgabe des Literarischen Quartetts einlud, ziemlich genau alles genauso gut machen würden wie die üblichen Gäste, also Autoren, Intellektuelle, die Sendungs- und Wirkungsbewussten eben.

Der 17-jährige Lucas Stiller, der 16-jährige Conrad Henzler und die 21-jährige Sara Akinsola hatten jeweils ein Buch mitgebracht, das sie zur Diskussion stellten, darunter Benedict Wells' Coming-of-Age Geschichte "Hard Land" (Diogenes), Kacen Callenders "Felix Ever After" (LYX), ein Roman über einen Transmann auf der Suche nach Liebe, und Sibylle Bergs gar nicht sehr jugendhaftes Buch "GRM" (Kiepenheuer & Witsch), ein, in den Worten von Lucas Stiller, 620-Seiten langer "Rant" auf den Kapitalismus.

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Das Buch schließlich, das Thea Dorn selbst mitgebracht hatte, der Klassiker "Der Fremde" von Albert Camus, wurde von den Teenies rigoros abgelehnt. Dass die Hauptfigur Meursault, heute eine der literarischen Ikonen des philosophischen Existenzialismus, grundsätzlich gleichgültig der Welt gegenüber ist, hielten die Teenies für nicht mehr zeitgemäß, für alles andere als revolutionär. Gern hätte man erfahren, wo denn die Revolution der drei heute hinführen würde.

Dass gute Bücher einem neue "Konzepte" zur Welt aufschließen, hatte Conrad Henzler eingangs gesagt, was Studentin Sara Akinsola zum Anlass nahm, Kacen Callenders unglückliche Hauptfigur, die Transperson Felix Love, als Zugangstor zu einer für "Cis"-Personen unbekannten Erfahrungswelt zu beschreiben: Denn, wie es Menschen geht, die nicht in Einklang mit ihrem biologischen Geschlecht stehen, könne man in diesem Buch erfahren. Dass Kacen Callender in einem vorangestellten Satz die Schönheit von Transpersonen preist, ist Conrad Henzler hingegen zu moralisch.

Der U21-Aufschlag ist die geistig beweglichste Ausgabe seit langer Zeit

Über das ermüdende Thema, wie moralisch gute Literatur überhaupt sein darf, wird bei Thea Dorn ohnehin in jeder Sendung gestritten. Das ist eine alte Bruchlinie zwischen Aktivisten und jenen, die glauben, Literatur müsse sich in einem außermoralischen Rahmen bewegen. Bemerkenswert war, dass die Teenies diesen alten Knatsch so lässig aufgreifen, ihn aber undogmatisch in ein ernsthaft begeistertes Gespräch über das Buch einfließen lassen. Am Ende muss sich selbst die politischer Literatur skeptisch gegenüberstehende Thea Dorn für dieses Buch bedanken.

Es ist wirklich kurios, der U21-Aufschlag des Literarischen Quartetts ist die geistig beweglichste Ausgabe seit langer Zeit. Auch wenn die bekannteste deutschsprachige Büchersendung im TV immer noch regelmäßig etwa eine halbe Millionen Zuschauer einschalten, wirkt das Buchgespräch in diesen Zeiten etwas eingeschlafen, getragen, unzeitgemäß unironisch, zumal Thea Dorn sich in dem Maße, wie sie Berufskritiker aus der Sendung verbannt hat, für heilig-ernste Streithähne als Gäste interessiert, die zu oft wirken, als würden sie die Welt und nicht das Buch verteidigen. Zugegeben, dazwischen gibt es schon eine Verbindung. Aber eine komplexere als manchmal im Literarischen Quartett suggeriert wird.

Mit ihrem ehrlichen Interesse und einer altersangemessen leicht skeptischen Achtung vor den Jugendthemen, der Jugendsprache, den jugendlichen Urteilen, lief Thea Dorn dieses Mal aber zu Hochtouren auf. Bitte mehr vom Kinder-Quartett!

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