KZ-Pläne:Wie Kai Diekmann die Auschwitz-Baupläne außer Landes bringen ließ

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"Die Baupläne waren eine Sensation", erzählt Kai Diekmann im Spitz-Interview. Wenigstens darin sind das Bundesarchiv und er sich einig. (Foto: Getty Images)
  • In einem Interview erzählt Bild-Herausgeber Kai Diekmann, wie er 2009 die Baupläne des Konzentrationslagers Auschwitz dem israelischen Premier überreichte.
  • Der Axel-Springer-Verlag hatte die Pläne auf dem Schwarzmarkt erworben.
  • Bundesarchiv und Bundesinnenministerium sind der Auffassung, die Papiere gehörten Deutschland. Diekmann aber schenkte sie Israel.

Von Thorsten Schmitz

Man sollte annehmen, dass Kai Diekmann weiß, was man verrät und was besser nicht. Womöglich hat den Gesamtherausgeber der Bild -Gruppe dieser Instinkt für einen Moment verlassen, als er sich von Tal Alon interviewen ließ. Alon lebt in Berlin und ist Chefredakteurin des auf Hebräisch erscheinenden Online-Magazins Spitz. Am Dienstag veröffentlichte es ein Gespräch mit Diekmann, in dem es eigentlich darum geht, weshalb der Springer-Verlag einer Gruppe von deutschen Chefredakteuren eine Israel-Reise organisiert hat, bei der man auch mit Premierminister Benjamin Netanjahu zusammentraf, aber kein Blick auf die Trennmauer geworfen wurde.

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Diekmann berichtet in dem Interview in erstaunlicher Offenheit, weshalb er so einfach einen Termin bei Netanjahu bekommt. Man habe engen Kontakt seit August 2009. Damals hatte Bild 29 Baupläne und -skizzen des Konzentrationslagers Auschwitz veröffentlicht und im Springer-Hochhaus ausgestellt. Die Pläne, die die Unterschrift Heinrich Himmlers tragen und weltweit als die einzigen erhaltenen gelten, hatte Springer auf dem Schwarzmarkt erworben für eine bis heute ungenannte Summe. Das aufsehenerregende Dokument, das bereits 1941 die systematische Ausrottung von Juden belegt, war vom Bundesarchiv für echt befunden worden.

Netanjahu erhält 2009 Baupläne des KZ Auschwitz. (Foto: dpa)

Das Bundesarchiv hatte damals mit Springer vereinbart, dass es die Prüfung übernimmt und nach der publizistischen Auswertung die Original-Baupläne erhält. Bis heute ist das Archiv der Auffassung, dass die Baupläne Deutschland gehören, denn Deutschland ist Rechtsnachfolgerin des Dritten Reiches. Diese Auffassung vertrat offenbar auch das Bundesinnenministerium. Diekmann aber schien das egal zu sein. Er fand, die Pläne gehörten nach Israel und schenkte sie Premierminister Benjamin Netanjahu bei dessen Besuch in Berlin. Der freute sich und sprach von einem "Geschenk der Wahrheit".

Die Frage war: Wie kommen die Dokumente über die Grenze?

Die ganze Wahrheit gibt Diekmann jetzt freimütig preis: "Bundesarchiv und Bundesinnenministerium haben uns gesagt, diese Dokumente gehören der Bundesregierung. Wenn Sie versuchen, sie aus Deutschland herauszubringen, dann bekommen Sie ein Problem. Wir werden Sie an der Grenze stoppen." Die sanfte Drohung ließ Diekmann unbeeindruckt, wie er jetzt zugibt. "Die Baupläne waren eine Sensation. Ich war überzeugt, dass sie nach Yad Vaschem, in Israels Holocaustgedenkstätte, gehören."

Nur wie ließ sich das am geschicktesten einfädeln? "Ich hatte dann die Idee", sagt Diekmann, "dass jemand die Baupläne über die Grenze bringen muss, den sie nicht stoppen werden, und zu dieser Zeit war das Premierminister Benjamin Netanjahu. Ich habe ihn gefragt, ob er zu unserer Ausstellung kommt, wo wir ihm die Dokumente aushändigen würden." Der Rest ist Geschichte. Netanjahu kam, nahm die Baupläne entgegen und flog mit ihnen im Gepäck nach Israel.

Hans-Dieter Kreikamp hat damals die Echtheit der Baupläne geprüft und leitete die Abteilung "Deutsches Reich" im Berliner Bundesarchiv. "Wir waren sehr enttäuscht", sagt Kreikamp der SZ, "dass der Springer-Verlag sein Wort einseitig gebrochen hat. Wir haben naiv dem gesprochenen Wort vertraut." Kreikamp bestätigt, dass damals mit Springer mündlich vereinbart worden sei, die Original-Baupläne nach der Ausstellung und der publizistischen Verwertung durch den Verlag der Obhut des Bundesarchivs zu überlassen. Auch Hartmut Weber, der damalige Präsident des Bundesarchivs, bestätigt, dass es eine Vereinbarung gegeben habe. Er habe Vorstandschef Mathias Döpfner damals nochmals in einem Brief gebeten, die Baupläne seiner Behörde zu überlassen. Auf den Brief, so Weber, "habe ich nie eine Antwort bekommen".

© SZ vom 06.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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