Corona und Kinder:Bloß nicht zu ernst

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Die Maus ist immer mit der Zeit gegangen - das tut sie jetzt auch, damit die Kinder was lernen und dabei nie die gute Laune verlieren. (Foto: Michael Reichel/dpa)

Gutes Kinderfernsehen wird gerade nötiger gebraucht denn je. Wie gehen bekannte Formate mit dem Coronavirus um?

Von Theresa Hein

Wenn man dem Coronavirus ein treffendes Adjektiv verpassen müsste, welches wäre es? "Neuartig" ist ja schon wieder überholt, "teuflisch" klingt zu sehr nach Faust oder Exorzismus. Wie erklärt man es also, dieses Virus, das ja so vieles ist - beängstigend, heimtückisch, hochansteckend - für Kinder im Grundschulalter?

Wenn es jemanden gibt, der immer schon besonnen und vorsichtig auf aktuelle Spannungen, Konflikte und Krisen weltweit reagieren musste, dann sind es Redakteurinnen und Redakteure aus dem Kinderfernsehen.

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Die Moderatorinnen und Moderatoren sind seit Jahrzehnten für Kinder eine Frage-Anlaufstelle geworden - und auch für Erwachsene ein willkommener Ratgeber. Da ändert auch das - wie es von vielen der Redaktionen beschrieben wird - "fiese Coronavirus" nichts daran: Wie funktioniert ein Coronatest, was bringt ein Mundschutz eigentlich genau und kann ein Pfurz das Coronavirus übertragen? Wer das dem eigenen Kind nicht zu erklären vermag, der kann dieser Tage das Kinderfernsehen fragen. Die Maus aus der Sendung mit der Maus ist schließlich das vermutlich klügste Säugetier im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das Redaktionsteam der Tagesschau als ganz großes Tier vielleicht mal ausgenommen.

"Das Interesse ist immer dann besonders groß, wenn die Lebenswirklichkeit der Kinder massiv betroffen ist und wenn die Bedrohung sehr nahe kommt", sagt Markus Mörchen, Leiter der ZDF-Kindernachrichtensendung Logo! , er erzählt von Erfahrungen nach Amokläufen an Schulen oder der Atomkatastrophe in Fukushima. Natürlich halte man sich auch, was das Virus betrifft, an Experten: "Wir selbst sind nicht die, die sagen können: 'Wir wissen, wie es richtig geht'. Wir können immer nur weitergeben oder übersetzen."

Die gelungene Weitergabe von Zahlen und Informationen an Kinder, die Markus Mörchen "Übersetzung" nennt, ist es, die gutes Kinderfernsehen ausmacht. Nur: Wie bleibt man gleichzeitig unterhaltsam, macht aber auf den Ernst der Lage aufmerksam - und dabei auch keine Angst? Mörchen sagt, es bringe nichts, "Kinder mit den neuesten Fakten zuzuballern, zum Beispiel Infektions- oder Todeszahlen". Und dass es wichtig sei, die Kinder stark am Diskurs zu beteiligen.

Der Checker Tobi sagt: "Deswegen darf ich auch selbst mal ein Virus spielen oder eine Speichelzelle."

Außerdem hilft wohl, wie in jeder Lebenslage - das gilt nicht nur für Kinder - den Humor nicht zu verlieren. "Wir versuchen das Ganze spielerisch anzugehen, deswegen darf ich auch selbst mal ein Virus spielen oder eine Speichelzelle", sagt Tobias Krell, der Kindern als Checker Tobi aus den gleichnamigen Erklärfilmen bekannt ist. "Wichtig ist, dass auch bei so einem Thema die Kinder unbedingt lachen sollen. Ich glaube, wenn sie lachen, merken sie sich Sachen besser", sagt Krell. Anders als zum Beispiel die Nachrichtensendung Logo! sind die in Koproduktion mit dem Bayerischen Rundfunk gedrehten "Checks", in denen im Kurz-Doku-Format Alltagsphänomene erklärt werden, keine tagesaktuelle Sendung, was die Situation für die Redaktion nochmal zusätzlich ein wenig verkompliziert: "Wenn wir heute einen 'Virencheck' machen, dann muss der auch in drei Jahren noch haltbar sein, wenn vielleicht die Jüngsten Kinder das Wort ,Corona' noch nie gehört haben. Sie sollen was über Viren an sich erfahren und trotzdem auch noch begreifen, was zur Corona-Zeit los war", sagt Tobias Krell.

Auch bei der Sendung mit der Maus verbindet man die aktuellen Bedürfnisse mit zeitlosen Sendungen: Seit Anfang April laufen die besten "alten" Folgen jeden Tag, unter anderem eine Reaktion auf die geschlossenen Schulen und Kindertagesstätten. Vor den Sendungen beantwortet Moderator Ralph Caspers in kurzen, aktuellen Clips Fragen zum Coronavirus, und das - natürlich - mit Humor. Zum Beispiel, wenn er rät, die vollgesabberten Kuscheltiere doch mal wieder die "Sauna", also den Backofen aufsuchen zu lassen ("Die nächste Sauna für Kuscheltiere befindet sich in der Küche"), um Bakterien und Viren loszuwerden.

In den einfachen Videos braucht Caspers oft nicht mehr als ein paar Emojis und einen Briefumschlag, was Kindern auch zeige, dass man nicht immer viel Aufwand brauche, sagt Heike Sistig, verantwortliche Redakteurin für die Sendung mit der Maus. Auch Caspers berät sich im Hintergrund mit dem Redaktionsteam und Experten für Fachfragen. "Wir versuchen, den Dingen auf den Grund zu gehen und erzählen, wie wir uns selbst dem Thema nähern. Das bedeutet auch zu erklären, auf welche Probleme wir gestoßen sind". Sistig sagt, man mache also alles wie immer. Und: "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das für Kinder eigentlich am besten verdaulich ist: weder dramatisieren noch verharmlosen."

Wie sehr die Kindersendungen vor allem seit den Schließungen der Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen gebraucht werden, zeigt sich auch in Zahlen. Logo! erreichte nach Senderangaben im März 2020 durchschnittlich 0,25 Millionen Kinder zwischen 3 und 13, das entspricht einem Marktanteil von 19,6 Prozent, Tendenz steigend; Checker Tobi erreicht in diesen Wochen 24,4 Prozent vom Marktanteil. Außerdem denkt man in der Redaktion über ein Onlineformat für die aktuelle Krisen-Zeit nach. Und die Sendung mit der Maus sehen jeden Sonntag knapp zwei Millionen Kinder und Eltern; bei der täglichen Ausstrahlung im WDR liegt der Marktanteil der Maus durchschnittlich bei 25,7 Prozent.

Besonders wichtig für junge Zuschauerinnen und Zuschauer sind aber die Erfahrungen anderer: Fast in jeder aktuellen Kindersendung werden deswegen eingesandte Fragen von Kindern beantwortet. Denn wenn Kinder von Gleichaltrigen hören, denen es ähnlich geht, können sie besser mit der eigenen Situation umgehen. "Transparenz und eine größtmögliche Offenheit bietet für Kinder mehr, als irgendetwas ängstlich zu verschweigen", fasst Mörchen zusammen. Wenn die Erwachsenen unruhig seien, spürten die Kinder das sowieso.

In der US-amerikanischen Sesamstraße hält Elmo übrigens gerade Videokonferenzen mit seinen Freunden ab. Beruhigend ist das allerdings nicht, eher reizüberflutend, die "virtuellen Snacks" des Krümelmonsters stimmen allenfalls aggressiv.

© SZ vom 24.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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