Serie "Katakomben" auf Joyn:Die da oben, wir da unten

Lesezeit: 2 min

Bei einem Rave unter dem Münchner Hauptbahnhof verirrt sich Schnösel Max (Nick Romeo Reimann). (Foto: Arvid Uhlig/Joyn)

Die Joyn-Serie "Katakomben" erzählt von verwöhnten und von verwahrlosten Münchnern

Von Aurelie von Blazekovic

Es ist ungefähr fünf Jahre her, dass man sich in München plötzlich von "den Katakomben" erzählte. Die meisten Münchner wussten lange nichts davon, es gibt in der Stadt ja keine jahrhundertealten Gruften mit gestapelten Totenschädeln wie in Paris oder Rom. Aber der schrecklich hässliche Hauptbahnhof birgt ein unübersichtliches Untergrundsystem aus Gängen und Schächten, das durch eine Mischung aus Gerüchten, urbanen Legenden und einem wahren Kern bald zum Schauplatz für allerlei Gruselgeschichten wurde. Der wahre Kern, wie er in einer Vielzahl von Medienberichten damals zu lesen und hören war: Am Hauptbahnhof gibt es eine Drogenszene, die von der Polizei immer wieder vertrieben wird. Als Rückzugsort für Süchtige gelten die Katakomben.

Die Münchner Filmproduktionsfirma Neuesuper hat der lokale Stoff zu einer fiktionalen Serie inspiriert, die Geschichten über das Drogenelend mit ebenfalls realen Berichten aus Paris vermischt: Die Polizei stieß in den dortigen Katakomben einst auf eine professionell organisierte Party mit 300 Menschen. Die Handlung der Joyn-Serie Katakomben setzt bei genau so einem Untergrund-Rave ein. Gelangweilte rich kids feiern in den Tiefen des Hauptbahnhofs, doch am Morgen sind drei von ihnen verschwunden, darunter der schmierige Max (Nick Romeo Reimann), Sohn der Münchner Stadtbaurätin Anna Mahler (Aglaia Szyszkowitz).

Zwischen Wohlstandsverwahrlosten und wirklich Verwahrlosten

Bei der Suche nach den vermissten Jugendlichen schwenkt die Serie zwischen Oberschicht und Unterwelt der Stadt hin und her, zwischen Wohlstandsverwahrlosten und wirklich Verwahrlosten. Das hört sich plakativ an - und ist es auch. In den schwächeren Momenten der Serie fühlt man sich wie in einem überlangen Tatort, wo ja ebenfalls soziale Themen gerne wenig subtil verhandelt werden. Weil es München ist, geht es um Immobilien. Hier das kalte Kapital, die Baufirma, die am Hauptbahnhof ein innovatives Hochhaus hinzimmern will, dort im Untergrund diejenigen, die die Stadt sonst nirgendwo gern sieht, sie haben die Kapuzen tief runter gezogen, gruselige Männer tragen Gesichtstattoos (Motiv: Spinne).

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Das etwas bemühte Setting retten dann glücklicherweise Figuren und Darsteller, die nicht so leicht durchschaubar sind. Die Suche nach Max wird angeführt von Nellie (reich; Lilly Charlotte Dreesen) und Tyler (arm; Mercedes Müller), die zunächst nur durch ihre diffusen Sehnsüchte verbunden sind. Mittendrin ist der Influencer Janosch (Yasin Boynuince), dessen Reichtum nur für seine Follower existiert. Dann geistert noch eine Bundespolizistin (Sabine Timoteo) auf Abwegen durch die Serie. Alle hier haben furchtbare Eltern oder sind es selbst. Einzige Ausnahme findet sich in einer Nebenrolle: der Vater von Janosch, ein liebenswerter Zeitgenosse, der einfach mal wieder ein bisschen Zeit mit seinem Sohn verbringen möchte. Das tut gut, in der düsteren Stadt, die diese Serie zeigt.

Katakomben erzählt trotz Schwächen über sechs Folgen einen spannenden Coming-of-Age-Thriller über München - auch schön, dass deutsche Serien inzwischen weniger oft in Berlin spielen müssen. Und dass im Untergrund währenddessen die "Internationale" gesummt wird - das bisschen Pathos verzeiht man der Serie dann gerne.

Katakomben, bei Joyn.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Tipps im Februar
:Das sind die Serien des Monats

Im riesigen Serienprojekt "Tribes of Europa" ist Europa zerfallen. "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" ist zurück, und "In Therapie" blickt in die Seelen einer verwundeten Gesellschaft. Die Empfehlungen im Februar.

Von SZ-Autorinnen und Autoren

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: