Jauch-Talk zur Fifa:"Die WM-Vergabe ist gut für die Arbeiter in Katar"

Lesezeit: 4 Min.

"Aus voller Überzeugung": Fifa-Mann Alexander Koch hatte sich offenbar ein paar kontroverse Sätze für Günther Jauch zurechtgelegt. (Foto: dpa)

Günther Jauch diskutiert mit seinen Gästen über den "Fifa-Sumpf", ein Vertreter des Fußball-Weltverbands hat sich dafür kontroverse Aussagen zurechtgelegt. Dieser sagt auch: Fifa-Chef Blatter hat bei der WM-Vergabe nicht für Katar gestimmt.

Von Martin Schneider

Es ist kurz vor Ende der Sendung, als Alexander Koch meint, jetzt noch einen draufsetzen zu müssen. Er setzt sich aufrecht hin und sagt, was er sich offenbar mit Bedacht zurechtgelegt hat. "Aus voller Überzeugung: Die Vergabe der Weltmeisterschaft an Katar ist gut für die Arbeiter dort." Kurze Pause, kommt noch was?

Nein, es kommt nichts und man realisiert, dass der Mensch aus der Kommunikationsabteilung der Fifa das gerade wirklich gesagt hat. Um das einzuordnen - das wäre ungefähr so, als ob BP gesagt hätte: "Die Katastrophe der Ölplattform Deepwater Horizon ist gut für den Umweltschutz." Claudia Roth sagte etwas von Weihnachtsmärkten und empörte sich noch ein wenig, aber Günther Jauch ging auf diesen Satz nicht mehr ein, weil er sich seine Schlussmoderation anders zurechtgelegt hatte. Musik. Ende.

Wie will sich der Fifa-Mann aus der Faktenlage rausreden?

Es ist in diesen Tagen ja kaum etwas so einfach, wie die Fifa schlecht zu finden. Man kann auch sagen "Es sollte mehr für Bildung getan werden", da kommen ähnliche Zustimmungswerte dabei raus. Sieben Funktionäre verhaftet, seit Jahrzehnten Korruptionsfälle und -vorwürfe, Tausende Tote auf den Baustellen von Katar, wo die WM 2022 stattfinden wird. Die Günther-Jauch-Sendung zum Thema "Der Fifa-Sumpf - Wie schmutzig ist unser Fußball?" versprach eigentlich, spannend zu werden, schließlich kniff der Weltfußballverband nicht, sondern schickte tatsächlich jemanden: Alexander Koch. Wie würde der sich aus der erdrückenden Faktenlage rausreden?

Er begann mit der in diesen Tagen eingeübten Fifa-Linie. Man sei besorgt und habe deswegen ja Reformen angestoßen. Sepp Blatter könne unmöglich alle kontrollieren und überhaupt sei das keine Frage des Systems, sondern die Verfehlungen Einzelner. Und Koch hatte sich einen neuen Gegner ausgesucht: Die Europäer. Sie hatten sich vor der Wahl offen gegen seinen Chef gestellt, sich aber dabei ziemlich stümperhaft angestellt.

"Ich nenn Ihnen jetzt mal ein Beispiel", setzte Koch bei Jauch an. "Wenn Herr Niersbach korrupt wäre. Dann wäre Herr Niersbach in der Fifa und korrupt. Das wäre dann aber nicht die Verantwortung von Herrn Blatter." Wolfgang Niersbach ist DFB-Präsident und hatte sich auch gegen Blatter gestellt. Interessant, dass der Fifa-Sprecher gerade dieses Beispiel wählte.

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Das war auch der Moment, in dem Florian Bauer anfing zu grinsen. Bauer ist WDR-Journalist, er hat mit Kollegen vor Kurzem eine Dokumentation über das System Fifa gedreht und wurde dabei in Katar verhaftet. Er war auch der Einzige in der Runde, der Kochs abenteuerliche Interpretationen der Geschehnisse wirklich sachlich dekonstruieren konnte. Indem er zum Beispiel mal sagte, dass Blatter nachweislich von Schmiergeldzahlungen gewusst hat. Marcel Reif stieg ein und sagte: "Entweder Blatter hat es gewusst: Dann muss er weg. Oder er hat es nicht gewusst: Dann muss er auch weg, weil er seinen Laden nicht im Griff hat." Der Fußball-Kommentator besitzt definitiv die Fähigkeit, das Offensichtliche im Blick zu haben. Und das sagt ja oft schon genug aus.

Jauch verpasste es, Struktur in die Sendung zu bringen, auch weil Grünen-Politikerin Claudia Roth mitten in der Diskussion um konkrete Bestechungsvorgänge urplötzlich anfing, alle möglichen Sachen zu fordern - etwa, der Fifa die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Solche Aussagen waren Steilvorlagen für Koch und machten ihm den Abend leicht, weil für die Gemeinnützigkeit die Schweiz verantwortlich ist und nicht die Fifa selbst. Als würde es nicht genug Vorwürfe geben, die man mit ihm diskutieren könnte.

Zum Beispiel die WM 2022 in Katar. Marcel Reif fragte: "Die Bewerbung Katars hatte die schlechteste Bewertung, trotzdem hat sie das Turnier gekriegt. Helfen Sie mir." Koch antwortete sinngemäß: Ja, blöd gelaufen, aber jetzt habe sich das Wahlverfahren geändert. Fifa-Präsident Blatter habe im Übrigen nicht für das Emirat gestimmt. Bislang war das Abstimmungsverhalten von Blatter nicht publik gewesen. Inzwischen, so Koch, wählen nicht mehr 24 Menschen im Komitee, sondern 209 Vertreter im Kongress den Austragungsort. Da stieg auch Bauer wieder ein und sagte: "Wir versuchen ja immer fair miteinander umzugehen. Darum muss man sagen, dass es bei 209 schon schwieriger wird mit der Bestechung."

Beim Thema Katar platzt dem WDR-Journalisten der Kragen

Man muss dem Journalisten hoch anrechnen, dass er auf einem Fairplay-Level spielte, das Koch längst verlassen hatte. Der Kragen platzte ihm aber als der Fifa-Sprecher sagte: "Wir sind ja froh, dass nun hingeschaut wird, auf die Arbeitsbedingungen in Katar." Bauer unterbrach: "Nein, das stimmt nicht. Sie schauen nicht hin. Internationale Medien schauen hin und wenn die das nicht tun würden, dann wäre nichts von den Umständen bekannt." Er schoss dabei mit dem Oberkörper nach vorne, als würde er gleich aufstehen.

Es hätten noch Dutzende Fragen gestellt werden können. Fast alle haben diverse Journalisten schon gestellt, auch in Bauers Dokumentation kommen viele vor. Etwa, wie es sein kann, dass die Fifa Ausrichterländern vorschreibt, geltende Rechte für Arbeiter auszusetzen? Bauer präsentiert in der Dokumentation Papiere, die das für Russland belegen, das die WM 2018 bekommen hat.

Und wenn die Fifa offenbar von den Ausrichtern das Aussetzen von Arbeitsrechten verlangen kann, warum kann sie dann in Katar nicht bessere Arbeitsrechte und Bedingungen einfordern? Schließlich verlangt der gemeinnützige Verein aus Zürich ja auch Steuerfreiheit auf die Gewinne bei Weltmeisterschaften. Und wieso erlaubt sich ein Fifa-Sprecher, angesichts von sklavenähnlichen Zuständen, menschenunwürdigen Bedingungen und Tausenden Toten auf den Baustellen im Wüstenstaat in einer Sendung zu sagen "Die Vergabe der Weltmeisterschaft an Katar hilft den Arbeitern dort"?

Das alles hätte man in einer Stunde Sendezeit schon unterbringen können. Aber eine Diskussionsrunde ist vermutlich nicht der richtige Ort, um über die Fifa zu diskutieren. Weil es in dem Fall nicht so sehr um Meinungen geht. Da gibt es bei der Fifa wenig Spielraum. Oder wie es Florian Bauer ausdrückte: "Ich bin ja kein Meinungsmacher, sondern Berichterstatter. Ich zeige Fakten auf und das reicht bei der Fifa völlig aus, um zu sehen, wo der Hase langläuft."

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