Was bleibt vom Internationalen Frauentag:Heuchelei schlägt zurück

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Der "Gender Pay Gap Bot" legt auf Twitter gnadenlos Gehaltsungleichheiten offen - wie hier die von Goldman Sachs. (Foto: Twitter/PayGapApp, Screenshot: SZ)

Ein Bot legt nach Tweets zum Weltfrauentag die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen in den gratulierenden Unternehmen offen. Was für eine Show.

Von Christiane Lutz

Zu den fragwürdigen Dingen, die die Gesellschaft hervorgebracht hat, gehört neben Butterportionierern und Kabel für kabellose Kopfhörer auch der internationale Weltfrauentag, der jedes Jahr am 8. März "begangen" wird. Fragwürdig ist vor allem die Heuchelei, die dieser Tag hervorbringt. Unternehmen, in deren Vorständen 90 Prozent Männer sitzen, engagieren sich an diesem Tag mit rosa unterlegten Empowerment-Slogans, Radiosender lassen einen Tag mal nur Frauen ans Mikro, "starke Frauen" strahlen in die Kameras schwäbischer Mittelständler und loben ihre Chefs auf Facebook dafür, dass sie ihnen beides ermöglichen, Kind und Karriere. Und irgendein Kosmetikhersteller findet sich immer, der zehn Prozent Rabatt gibt, denn hey, du bist schön, egal, wie du aussiehst, aber bisschen schöner geht immer.

So weit, so normal. Wie unterhaltsam die Heuchelei aber sein kann, konnte man in diesem Jahr am 8. März auf Twitter verfolgen. Dort greift der "Gender Pay Gap Bot" Tweets von britischen Unternehmen auf, die mit dem Hashtag #IWD2022, kurz für International Women's Day versehen sind, und twittert stoisch deren Gender Pay Gap. Also das, was Frauen prozentual pro Stunde dort im Vergleich zu Männern verdienen. Was für eine Show.

"Strong Women, May we know them. May we be them. May we raise them" twittert andächtig eine walisische Krebsstiftung - Gender Pay Gap pro Arbeitsstunde, vom Bot ergänzt: 35,9 Prozent weniger als Männer. Die Stadtverwaltung von Waltham Forest in der Nähe von London strahlt das Rathaus lila an und veröffentlicht eine Playlist mit Songs von Künstlerinnen. Gender Pay Gap: 9,5 Prozent. Der Daily Express zahlt Frauen 22,5 Prozent weniger pro Stunde, aber dort macht man sich nicht mal die Mühe mit eigenen Frauengratulationen, sondern zitiert die Posts von Promis, darunter James Middleton, der seine Schwester Herzogin Kate zum Weltfrauentag würdigt.

Frauen feiern geht schon klar, aber sie gleich bezahlen?

Goldman Sachs veröffentlicht ein Video, in dem Frauen (sind das tatsächlich Mitarbeiterinnen?) zu Kaufhausmusik ihre "Super Power" präsentieren - Neugier, Empathie, lösungsorientiertes arbeiten. "From San Francisco zu Bengaluru we are celebrating the women at Goldman Sachs who make things possible". Gender Pay Gap: 36,8 Prozent. Wirklich ganz tolle Feier.

Einigen Unternehmen löschten ihre Tweets, nachdem der Bot sie überführt hatte, manche twitterten dann einfach nochmal, ohne den Hashtag. Wegen eines Tippfehlers, hieß es an einer Stelle. Schon klar.

Wer den Bot programmiert hat, ist nicht klar. Aber er leistet ganze Arbeit: Gerichte, Polizeistationen, Schulen, Pflegeeinrichtungen, Medienhäuser, Stiftungen - der Bot kriegt sie alle und wertet stur aus. Und findet auch Unternehmen, die ihre Angestellten gleich bezahlen, egal welches Geschlecht, und solche, in denen die Frauen im Schnitt sogar mehr verdienen als die Männer. Beim "Landmark Trust" etwa, einer Organisation zur Erhaltung alter Gebäude, sind es 24.5 Prozent.

In Deutschland ist die Lage übrigens kein Deut besser als in Großbritannien, die Lohndifferenz pro Stunde betrug im Jahr 2021 im Schnitt immer noch 18 Prozent, bei mit den Männern vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien waren es auch noch sechs Prozent, die Frauen weniger verdienten. Los, liebe Programmiererinnen!

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