Arte-Dokumentation:Weil er Jude ist

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Antisemitismus ist noch immer ein Problem: Allein an das Jüdische Gymnasium in Berlin kommen jedes Jahr mindestens acht Kinder, die in anderen Schulen gemobbt wurden. (Foto: © Kobalt/Katrin Sandmann)

Der Fall des Berliner Schülers, der gemobbt wurde, weil er jüdisch ist, ging um die Welt. Nun hat Arte darüber eine feinfühlige Dokumentation gedreht, die zeigt: Antisemitismus ist Alltag in Europa.

Von Verena Mayer

Ein 14-jähriger wird an seiner Berliner Oberschule von Klassenkameraden über Monate hinweg gemobbt, geschlagen und getreten, aus einem einzigen Grund: Weil er Jude ist. Seit der Fall des Jungen im Frühjahr weltweit Schlagzeilen machte, auch die SZ berichtete, wird in Deutschland wieder über Antisemitismus diskutiert. Darüber, wie präsent er noch immer ist und wie er sich in den vergangenen Jahren verändert hat - die Schüler und Schülerinnen, die den jüdischen Berliner Jungen quälten, waren Muslime, viele Eltern stammen aus dem Nahen Osten.

Seither hat sich einiges getan, es gab Studien und Expertenkreise, Imame haben sich gegen Judenhass ausgesprochen. Und nicht zuletzt sind die Eltern des Jungen an die Öffentlichkeit gegangen und haben dafür gesorgt, dass der Fall nicht in der Schublade irgendeiner Schulverwaltung verrottet.

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Der Kultursender Arte, der zuletzt selbst in Kritik geraten war, als er eine Dokumentation über Antisemitismus nicht ausstrahlen wollte, hat die Familie über Monate begleitet und eine feinfühlige Reportage gedreht. Die Regisseurin Katrin Sandmann erzählt die Geschichte eng an der Biografie ihrer Protagonisten entlang, der Eltern, der beiden Geschwister. Der 14-Jährige, der inzwischen auf eine Privatschule geht, will selbst nicht vor die Kamera. Man erlebt eine Familie mit deutschen und britischen Wurzeln, die ihren Lebensmittelpunkt in Berlin hat und in ihrem Selbstverständnis erschüttert ist. Die Mutter, eine Unternehmerin, sagt, sie habe immer gedacht, "wir hätten es gut hinbekommen, die Kinder jüdisch zu erziehen. Aber wir haben in einer Blase gelebt." Seit ihr Sohn von Mitschülern gewürgt und mit einer echt aussehenden Spielzeugpistole bedroht wurde, fühlt auch sie sich verletzlich, jede Fahrt mit der U-Bahn fällt ihr schwer. Der Vater wiederum hätte nie gedacht, dass er einmal seinen Kindern raten muss, kein Kettchen mit einem Davidstern zu tragen.

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Weil du Jude bist ist eine deprimierende Bestandsaufnahme über Antisemitismus in Europa. Eine Geschichte, die alltäglicher ist, als es viele wahrhaben wollen, allein an das Jüdische Gymnasium in Berlin kommen jedes Jahr mindestens acht Kinder, die in anderen Schulen gemobbt wurden. Der Film erzählt aber auch von einer Familie, die sich ihren Optimismus und den Glauben an die deutsche Zivilgesellschaft nicht nehmen lässt.

Die Großeltern, beide sind Holocaust-Überlebende, gehen trotz ihres hohen Alters in Schulen, um ihre Geschichte zu erzählen, sie waren auch an der Oberschule ihres Enkels. Der Bruder des gemobbten Jungen sagt, die Auseinandersetzung mit dem Fall habe auch ihr Gutes. "Wenn nur ein Schüler seine Meinung geändert hat, hat sich das Ganze schon gelohnt."

Weil du Jude bist. Arte, 19.40 Uhr, anschließend in der Mediathek des Senders.

© SZ vom 26.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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