Satire in der Trump-Ära:"Übergeschnappter Nationalismus"

Comedy Central's 'The Opposition w/ Jordan Klepper' Premiere; Jordan Klepper

Jordan Klepper an seinem neuen Arbeitsplatz: Der Studio-Schreibtisch von "The Opposition".

(Foto: Getty Images for Comedy Central)

Jordan Klepper spielt in der Late-Night-Show "The Opposition" einen Alt-Right-Republikaner, der Trump und alles Konservative bejubelt. Ist es die Satire, die die USA jetzt braucht?

Von Beate Wild, Austin

Kurt Tucholsky ahnte nichts von Donald Trump. Doch sein Satz, "Satire ist der aussichtslose Versuch, die Realität zu übertreffen", bringt die Lage in den USA gerade auf den Punkt. Wie schwer es ist, in irren politischen Zeiten die absurd erscheinende Wirklichkeit noch zu toppen, um durch Übertreibung einen Witz zu machen, erfahren derzeit die Gastgeber der allnächtlichen US-Late-Shows. Die Comedians Stephen Colbert oder Jimmy Kimmel haben einen deutlich politischeren Kurs als früher eingeschlagen. Und es scheint, als würden sie mit der Veräppelung von Trump & Co. den Nerv zumindest des progressiven Publikums treffen.

Doch im Jahr 2017 ist Politik mehr denn je eine Frage der eigenen Lebensrealität. Diese hängt in den USA stark davon ab, für welche Partei sich einer begeistert: Ein Republikaner sieht die Welt, in der er lebt, komplett anders als ein Demokrat. Der Mensch konstruiert sich eben seine Wirklichkeit, das hat uns Paul Watzlawick schon 1976 erklärt. In seinem Buch "Wie wirklich ist die Wirklichkeit?" erläutert er basierend auf den Theorien des Konstruktivismus, dass Desinformation die Ursache der Wirklichkeitsverzerrung ist. Im heutigen Amerika ist das sehr schön zu beobachten. Die vorurteilsbehaftete Wahrnehmung fördert vor allem bei den politischen Rechten das Misstrauen gegenüber den Medien, die Präsident Trump regelmäßig als "Fake News" verunglimpft.

Ein ideales Millieu für einen wie Jordan Klepper. "Ich traue den Infos in den Medien genauso wenig wie meinem Zahnarzt. Deshalb mache ich Instagram-Fotos von meinen Zähnen und warte, was die Leute in den Kommentaren darunter schreiben", ist ein typischer Klepper. Aber der Reihe nach.

Der Comedian drehte bislang als "Korrespondent" der "Daily Show mit Trevor Noah" lustig-peinliche Mini-Reportagen - beispielsweise auf Wahlkampfveranstaltungen von Trump. Dort sagten dann dessen Anhänger voller Überzeugung unsinnige Dinge wie "China wird für die Mauer zahlen" oder "Wir müssen Israel bombardieren, um den IS auszuschalten" in sein Mikro. Solche Aussagen kann ein Komiker unkommentiert stehen lassen, sie sind per se schon witzig.

Seit Ende September nun hat Klepper seine eigene Comedy-Show mit dem zweideutigen Namen "The Opposition". Opposition, klar. Aber gegen wen eigentlich, das wird noch zu klären sein. Die halbstündige Sendung läuft direkt nach der "Daily Show" auf Comedy Central - wie einst der legendäre "Colbert Report", bei dem Colbert einen ultrarechten Talkmaster spielte. Doch der Sendeplatz ist nicht die einzige Gemeinsamkeit der beiden Late Shows. Auch Klepper schlüpft in die Rolle eines rechten Medienagitators.

Wie einst der "Colbert Report", dessen Erfolgsgeschichte in der Ära George W. Bush begann, ist "The Opposition" eine "In-Character"-Satire. Der Comedian verkörpert durchgehend eine bestimmte Persönlichkeit, bleibt beharrlich bei der gewählten politischen Haltung und macht diese dadurch lächerlich. Er macht sich nicht über das Zeitgeschehen lustig, sondern kommentiert es - im Falle von Colbert wie auch Klepper - aus der Perspektive eines Republikaners, also eines Rechtskonservativen.

Einen aggressiven Verschwörungstheoretiker als Vorbild

Colbert entlehnte seine Figur konservativen Fox-News-Moderatoren wie Bill O'Reilly. Doch in Zeiten, in denen Fox News im Vergleich zu Breitbart und anderen Alt-Right-Plattformen fast gemäßigt wirkt, passt sich auch Klepper dem Zeitgeist der Extreme an: Seine Rolle hat den ultrarechten Radiomoderator Alex Jones von der Alt-Media-Plattform InfoWars zum Vorbild.

Wer Jones nicht kennt: Der aggressive Verschwörungstheoretiker hat in den vergangenen Jahren mit seinem heiser rausgebrüllten Hass auf Demokraten wie Barack Obama und Hillary Clinton ein kleines Medien- und Merchandise-Imperium aufgebaut. Die Ultrarechten hörten ihm bereits begeistert zu, als die republikanischen Präsidentschaftskandidaten noch John McCain oder Mitt Romney hießen. In der Trump-Ära erscheinen seine Ansichten durchaus kompatibel mit dem republikanischen Wähler-Mainstream.

Jones ist etwa davon überzeugt, dass hinter dem jüngsten Attentat in Las Vegas nicht ein verwirrter Einzeltäter steckt, sondern ein Geheimbund der Demokraten, der das Massaker von langer Hand plante, um die Schusswaffendebatte in den USA anzuheizen. Natürlich unterstützt Jones den US-Präsidenten, der ihn im Wahlkampf besuchte und versprach: "Ich werde Dich nicht hängen lassen." An das Versprechen haben sich bislang beide gehalten.

Schusswaffen? Einfach nicht darüber reden.

Die groteske Realität von Plattformen wie InfoWars zu übertreffen, erscheint, Tucholsky hatte Recht, aussichtslos. Klepper versucht es trotzdem. Nach dem Massaker in Las Vegas stellte er ein "Handbuch für Konservative" vor. Damit könnten sie vermeiden, mit Demokraten über "gun control", also über die gesetzliche Regulierung von Schusswaffen zu diskutieren. "Als Anhänger des Rechts auf Waffen werden Sie wissen: Die Zeiten nach einer Massenschießerei sind die gefährlichsten - für unsere Waffen", sagt Klepper mit todernster Miene.

Regel Nummer eins sei deshalb: Nicht darüber reden. Sollte ein Liberaler mit dem Thema anfangen, solle der Waffennarr einfach sagen: "Im Moment ist nicht der Zeitpunkt, um darüber zu reden." Dann zeigt Klepper Einspieler von prominenten Vorbildern, die sich im echten Leben vorbildlich nach dieser Regel verhalten: Trump-Sprecherin Sarah Huckabee Sanders, der republikanische Senatsführer Mitch McConnell, der Fox-Kommentator Sean Hannity.

"Warum soll ich Sonnencreme auftragen, wenn ich schon verbrannt bin?", ist Kleppers Kommentar zur Situation. Sein Tonfall dabei ist besserwisserisch, sein Blick herablassend. Das erinnert tatsächlich an die Vertreter jenes Spektrums zwischen konservativen Kulturkämpfern und der politischen Ultrarechten, die in der Trump-Ära der Wahrheit einen neuen Spin geben wollen.

In seiner ersten Show führte Klepper seine Alt-Right-Persona mit den Worten ein: "Die Mainstream-Medien schmuggeln ihre gefährlichen Ideen über die offenen Grenzen unseres Verstandes. Ich will diese Grenzen dicht machen." Eine Anspielung auf die Rhetorik des US-Präsidenten, die eben auch die Komplexität zum Feind erklärt hat.

Durch Absurdität und Dummheit überhöhen

Für sein Vorhaben hat Klepper auch schon einen griffigen Ausdruck parat: "Das nennt sich 'Mentaler Nationalismus'. Die Zeit dafür ist nun gekommen." Das Wort "mental" bedeutet aber eben nicht nur "psychisch", sondern auch "übergeschnappt".

Der 38-Jährige passt seine Show somit dem Gespräch in den Echokammern der Sozialen Medien an, in denen die Nutzer einander die eigenen Vorurteile genüsslich bestätigen. Getreu dem Motto: Wer glaubt, was die Mainstream-Medien berichten, ist selber schuld. Willkommen in der Welt der alternativen Fakten. Ich mach' mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt.

Und wie bringt man nun seine krude Weltanschauung am besten unter die Leute? Klepper grinst und zieht, wie er es oft und gerne tut, seine linke Augenbraue nach oben: "Dafür gibt es eine App." Und nach einer Kunstpause: "Facebook!"

In Zeiten, in denen Falschnachrichten den Lauf der Welt und unsere politische Wirklichkeit beeinflussen, gar Auswirkungen auf unsere Wahlen haben, wie eine aktuelle Studie der Stanford-Universität zeigt, gibt es vielleicht keine bessere Methode als die "In-Character"-Satire, um aufzudecken, wie das Spiel mit den alternativen Fakten funktioniert. Um ans Licht zu zerren, welcher Kniffe sich die Verschwörungstheoretiker bedienen und wie in den Echokammern Wahrheiten etabliert und gepflegt werden.

Am besten sei er darin, sagte der Komiker über seine neue Show, "einen Standpunkt einzunehmen, der da draußen irgendwo existiert, und ihn durch Absurdität und Dummheit zu überhöhen". "The Opposition" ist dabei manchmal noch etwas zahm und manchem Kritiker nicht bissig genug, aber Klepper ist auf dem richtigen Weg. Ein Zuschauerzuwachs von 43 Prozent in der ersten Sendewoche gibt ihm Recht. Es ist genau die Show, die Amerika in der Trump-Ära braucht.

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