Fernsehen:Weniger ist mehr

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24 Stunden grandioser Fernsehwahnsinn: Joko (li.) und Klaas (re.) mit ihrer Quizkandidatin Carola. (Foto: Weiya Yeung/dpa)

Joko und Klaas dürfen 24 Stunden auf ProSieben machen, was sie wollen. Sie tun alles und gar nichts. Unter dem Motto: Fernsehen nicht zu ernst nehmen.

Von Emily Weber

Vor rotem Leuchtfeuer läutet Klaas Heufer-Umlauf auf dem Dach des Pro-Sieben-Gebäudes das TV-Experiment mit den Worten "Ich kann sagen, was ich will" ein. Joko Winterscheidt steht wegen Höhenangst unterdessen in der Dachluke. Das Duo gewann am vergangenen Dienstag, dem 16. April, die Show Joko & Klaas gegen ProSieben und damit 24 Stunden lang die volle Kontrolle über das Programm. Um 00:00, kurz vor der Übernahme, lief ein Banner über den Bildschirm. Eine letzte Nachricht vom Sender: "Hoffen wir das Beste".

Nach einem Start, der in seiner Chaotik den Ton für den kommenden Tag angeben sollte, ist die übrige Nacht mit einem moderierenden Alpaka und einer rückwärts abgespielten Version ihrer Sendung "DnuerF retseb nieM" gefüllt. Am Morgen stand dann die beste und im Anschluss die schlechteste Episode der Simpsons am Programm. Laut Joko und Klaas ist "Homer hat einen Feind" die beste, die schlechteste hingegen "Lisa wird gaga". Danach filmten sich die beiden beim morgendlichen Joggen durch Berlin. Wenig aufregend, aber mit Alleinstellungsmerkmal. Auf einem anderen Sender gibt es so etwas nicht zu sehen.

Das Schlechteste, was Pro Sieben zu bieten hat, ist das Ochsenrennen

Um elf Uhr crashten sie das Sat-1-Frühstücksfernsehen und fragten, ob sie nicht auch hier weiterübertragen dürften. Ob das mit dem Partnersender abgesprochen war, ist unklar. Auf Pro Sieben war zu sehen, wie Joko Eier kochte und einen Crash-Kurs in Latte Art bekam. Klaas mampfte parallel auf Sat 1. sein Müsli. Am Nachmittag wurde dann im Olympiastadion mit dem Rapper Sido "BrUno" (lizenzrechtliche Gründe) gespielt. Weil Klaas den schlechtesten Punktestand hatte, musste er am Ende eine Uno-Karte essen. Dazwischen wurden eine halbe Stunde lang kommentarlos Oryxantilopen in der Wüste Namibias gezeigt.

Da 24 Stunden relativ lang sind, wurde zwischenzeitlich ganz tief in die Konservenbüchse gegriffen. Joko und Klaas zeigten 90s-Talkshows oder im "Worst of" die sieben schlimmsten Momente der Pro-Sieben-Geschichte. Den ersten Platz holt hier übrigens das "ProSieben Ochsenrennen" aus dem Jahr 2006.

In der Vergangenheit gewann das Duo bereits häufiger 15 Minuten Sendezeit. Diese nutzen sie vermehrt, um Aufmerksamkeit auf gesellschaftspolitische Themen zu legen. Sie thematisierten die Seenotrettung, sexualisierte Gewalt gegen Frauen, die Situation Geflüchteter in Moria oder den Pflegenotstand in Deutschland. In anderen Fällen ließen sie sich Trivialeres einfallen. Im Projekt "0,0 Prozent Quote" passierte 15 Minuten lang wortwörtlich überhaupt nichts. Ein anderes Mal schluckten sie kleine Kameras und zeigten eine Viertelstunde lang ihr Mageninneres. Letztere Variante setzen die beiden auch an diesem Sonntag. Mit Erfolg.

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Der Faktor Überraschung bringt wenig überraschend hohe Quoten

Im Vorfeld kündigten sie das Programm vage auf X an. "Das große Rückwärts-Event" um ca. 04:55, "Premium Entertainment" um ca. 13:20 und um ca. 20:00 ein "Neues Showformat". Dass man nicht wusste, was da genau passieren wird, bewog zum Einschalten. Der Joko&Klaas-Programmtag erreichte bei den 14- bis 49-Jährigen mit 17,4 Prozent auf den gesamten Tag gerechnet den höchsten Marktanteil. Damit gelang ihnen der stärkste Tag seit November 2020. In dieser Altersgruppe erzielten sie mit 20,8 Prozent die beste Quote zur Primetime.

Das neue Showformat war schließlich eine zugegebenermaßen wenig kreative Quizshow mit dem ausgeklügelten Namen "Ein sehr gutes Quiz (mit hoher Gewinnsumme)". Die Preisfrage (Was ist die letzte Zeile im Songtext "We are the Champions" von Queen? Spoiler: "We are the Champions") konnte am Ende Kandidatin Carola beantworten und gewann 100 000 Euro. Resümiert wird der Tag von Joko als "verrückter, guter Ritt" und obwohl Klaas betont, Spaß gehabt zu haben, meinte er, man müsse das "nicht jeden Tag haben".

Am Ende blieb es bei einer Mischung aus Archivmaterial und banalen Live-Schaltungen. Die Unvorhersehbarkeit war das Erfolgsrezept. Eine Konstante ließ sich Pro Sieben aber doch nicht nehmen, die :newstime um 17:45. Als wäre nichts gewesen, stand dann kurz Moderator Michael Marx vor der Kamera und verlas die Nachrichten. Gefehlt hätte bloß noch, dass Joko und Klaas diese selber moderierten.

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