Proteste in Frankreich gegen Homo-Gesetz:Unfreiheit, Ungleichheit, Unbrüderlichkeit

Lesezeit: 3 Min.

Ein neues Gesetz soll Homosexuellen in Frankreich sowohl die Ehe als auch die Adoption von Kindern erlauben. Dagegen regt sich massiver Widerstand: Zehntausende gehen auf die Straße, darunter nicht nur Katholiken, sondern auch Atheisten und Linke. Und ein führender Publizist beschwört den Niedergang des Landes.

Michael Kläsgen, Paris

Einige christlich-fundamentalistische Demonstranten tragen gar Banner mit der Aufschrift "Frankreich braucht Kinder, keine Homosexuellen". (Foto: AFP)

Die Demonstrationen sollten möglichst locker und fröhlich daherkommen, auf keinen Fall aber reaktionär und sektiererisch. Deswegen gaben die Organisatoren vom katholischen Institut Civitas einen Dresscode aus: keine Haarreifen und Seidentücher für die Frauen, keine strengen Seitenscheitel und Bundfaltenhosen aus Cord für die Männer. Die Gegner der "Homo-Ehe" sollten aufgrund ihres Äußeren nicht in eine gesellschaftliche Ecke gedrängt werden können. Das Ziel war, eine "Demo für alle" gegen die "Ehe für alle" zu veranstalten. Und das Kalkül ging auf.

Gleich an zwei Tagen hintereinander versammelten sich in Frankreichs Großstädten Zehntausende (die Veranstalter sprechen von 200.000 Menschen), um gegen die erste große gesellschaftspolitische Reform der neuen linken Regierung zu protestieren. Unter den Demonstranten fanden sich schließlich nicht nur Katholiken, sondern auch Protestanten, Atheisten, Muslime, Politiker der bürgerlichen Rechten, Linke und sogar eine kleine schwule Gruppierung.

Viele Demonstranten in Paris trugen hellblaue und rosa Luftballons sowie Plakate, auf denen sich eine Frau, ein Mann und zwei Kinder an den Händen halten. Der Gesetzentwurf sieht nämlich nicht nur die mögliche Vermählung Gleichgeschlechtlicher vor. Sie sollen künftig auch Kinder adoptieren dürfen. In dem Punkt unterscheidet sich das Vorhaben am deutlichsten von der eingetragenen Lebenspartnerschaft, die in Frankreich seit 1999 gilt. Dieser sogenannte Pacs ist kein bürgerlicher Vertrag, sondern ein reiner, in der Regel vom Amtsgericht vollzogener Verwaltungsakt, der mit einer Frist von drei Monaten von einer Seite wieder aufgelöst werden kann. In Geldangelegenheiten hat der Gesetzgeber ihn aber weitgehend der Ehe angeglichen, weshalb der Pacs auch bei Heterosexuellen sehr beliebt geworden ist.

Kann Hollande sein Versprechen einhalten?

Die bekanntesten "Gepacsten" sind der heutige Präsident François Hollande und die frühere Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royale, die vier Kinder haben. Die Partner werden bei der Einkommenssteuer gemeinsam veranlagt, im Erbfall und bei Schenkungen gelten die gleichen Regeln wie bei Ehepartnern. Die neue "Homo-Ehe" sieht jetzt ein Adoptionsrecht für homosexuelle Paare vor. Sie ist eines der 60 Versprechen, mit denen Hollande Wahlkampf machte.

Auf seiner ersten großen Pressekonferenz als Staatspräsident am vergangenen Dienstag pochte der Präsident noch einmal darauf, dieses Versprechen einzuhalten. Gesetze müssten sich, sagte er, der Wirklichkeit anpassen. Die Mehrheit der Gesellschaft sei für die Ehe von Homosexuellen, was bestimmte Umfragen belegten. Auch wenn die Gegner aus vielen Gesellschaftsbereichen kommen, ist es die katholische Kirche, die am heftigsten gegen das Gesetz opponiert. Am Samstag schaltete sich sogar Papst Benedikt XVI. in die Diskussion ein und forderte die Bischöfe Frankreichs auf, "unablässig und entschlossen" gegen das Vorhaben aufzubegehren. Für die römisch-katholische Kirche ist die Ehe eines von fünf Sakramenten, die die Wirklichkeit Gottes vergegenwärtigen sollen.

Unter den führenden Geistlichen des Landes wagte sich der Pariser Kardinal André Vingt-Trois bisher am weitesten vor, indem er in einem "Gebet für Frankreich" indirekt vor der "Homo-Ehe" warnte. Frankreich ist ein laizistisches Land, in dem Staat und Kirche klar getrennt sind. Jetzt bekommt es die Grenzen dieses Laizismus zu spüren.

Auf publizistischer Ebene verursachte die Äußerung des Herausgebers des konservativen Figaro den größten Wirbel. Serge Dassault meinte, schon das antike Griechenland sei aufgrund der dort angeblich verbreiteten Homosexualität zugrundegegangen. Der Niedergang drohe nun auch Frankreich.

Demonstrationen sollen keine Angriffsfläche bieten

Die Organisatoren der Demonstrationen distanzierten sich von solch provokativen Äußerungen. Sie bemühten sich, keinerlei Angriffsflächen zu bieten. Stattdessen versuchten sie, mit Witz und Originalität für ihre Sicht zu werben, auch wenn das bisweilen gezwungen wirkte. "Hoden haben keine Eizellen", lautete einer ihrer Sprüche.

Zum Teil gab es auch Gegendemonstrationen. Zu einer Großveranstaltung hat der Schwulen- und Lesbenverband Frankreichs aber erst für Mitte Dezember aufgerufen. Die "Homo-Ehe"-Gegner wiederum planen Mitte Januar eine "historische" Demonstration "wie Mai '68" mit mehr als einer Million Teilnehmern. Im Frühjahr kommenden Jahres soll das Gesetz dann verabschiedet werden.

Mehr noch als die "Homo-Ehe" entfachte das Adoptionsrecht eine breite gesellschaftliche Diskussion. Im Zentrum der Debatte steht das Wohl der Kinder. Experten streiten sich darum, ob ein Kind Vater und Mutter braucht, um sich bestmöglich zu entwickeln. In Frankreich leben ungefähr 40.000 Kinder in gleichgeschlechtlichen Gemeinschaften.

Studien werden angeführt, wonach sich solche Mädchen und Jungen keineswegs schlechter entwickeln als Kinder in traditionellen Familien. Auch die Kinder kommen zur Sprache. Befragte Jugendliche erklären hier, es sei eher der Umstand, adoptiert worden zu sein, der Fragen in ihnen auslöse, als die Tatsache, von Homosexuellen aufgezogen worden zu sein. Die Gegner hingegen argumentieren, es sei ein "Naturgesetz", dass ein Kind Vater und Mutter habe. So wird weiter gestritten. Nur eines steht jetzt schon fest: So leicht, wie Hollande glaubte, das Gesetz durchsetzen zu können, wird es nicht.

© SZ vom 19.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: