Paralympics:Gold ohne Sattel: Das verrückte Rennen des Hans-Peter Durst

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Rio de Janeiro (dpa) - Kurz nach dem Start machte es Knack. Hans-Peter Durst ist auf der paralympischen Radstrecke direkt am Strand von Rio de Janeiro das Ärgerlichste passiert, was einem Sportler passieren kann.

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Rio de Janeiro (dpa) - Kurz nach dem Start machte es Knack. Hans-Peter Durst ist auf der paralympischen Radstrecke direkt am Strand von Rio de Janeiro das Ärgerlichste passiert, was einem Sportler passieren kann.

Einen enteilten Gegner kann man immer noch einholen, nach einem Sturz vom Fahrrad manchmal auch wieder aufsteigen. Aber wenn einem Sportler das Sportgerät kaputt geht und in diesem Fall einem Radsportler der Sattel abbricht?

„Mir sind schon die Tränen runtergelaufen, weil ich dachte: Das war's. Das kann doch nicht wahr sein“, erzählte Durst hinterher. Dass der Senior im deutschen Team dieses Zeitfahren doch noch gewann, obwohl er sich auf 14,5 der 15 Kilometer nicht mehr hinsetzen konnte, zählt zu den bislang verrücktesten Geschichten dieser Paralympics. „Das ist Gänsehaut pur“, meinte der 58-Jährige.

Hans-Peter Durst hatte 1994 einen schweren Autounfall. Seitdem ist sein Gleichgewichtssinn gestört, er geht am Stock und kann seinen Sport nur auf einem großen, spezial gefertigten Dreirad ausüben. Als Weltmeister von 2015 und Paralympics-Zweiter von 2012 ging er als Favorit in dieses Zeitfahren. Die größte Zitterpartie und den größten Erfolg seiner Karriere beschrieb er nach dem Rennen so:

„Das Ding war lose und hing zur Seite weg, ich musste es in den Hintern einklemmen, um eine gewisse Stabilität zu kriegen. Für mich war klar: Das halte ich niemals 15 Kilometer durch. Aber wenn der Sattel runtergefallen wäre, wäre es vorbei gewesen.“ In dieser Position richtete sich Durst irgendwann ein, hinter ihm fuhr auch der Bundestrainer Patrick Kromer in einem Auto und rief immer wieder: „Weiterfahren, Weiterfahren.“ Das Problem war nur: die Kurven.

„Kurvenfahren ist eigentlich das, was das Dreiradfahren ausmacht. Das Geradeausfahren kriegt man schon hin“, erzählte Durst. „In den Kurven aber müssen wir aus dem Sattel gehen und das Gewicht verlagern.“ Da er das nicht mehr konnte, „habe ich dort jedes Mal viel Zeit verloren - aber das offensichtlich auf den Geraden wieder gutgemacht.“

Dort gab der im Allgäu geborene und in Dortmund lebende Betriebswirt ordentlich Gas, und die Ironie dieser Geschichte ist: „Eigentlich mochte ich diesen Kurs von Anfang an nicht. Aber in diesem Fall kam er mir als Geradeaus-Kurs sehr entgegen.“

Am Ende war der 58-Jährige trotz seines Missgeschicks mehr als eine Minute schneller als seine Konkurrenz. „Jetzt ist alles so egal“, meinte er. „Jetzt bin ich in Rio und bin Paralympics-Sieger 2016!“

Zwei Fragen blieben am Ende noch. Wie es ihm geht und was jetzt mit seinem Sattel passiert? „Wir werden uns irgendwas einfallen lassen“, sagte er. Eine Versteigerung für einen guten Zweck, ein Ehrenplatz zu Hause - alles ist vorstellbar. Und wie er sich fühlt? „Ich habe schon zwei Kinder. Ein neues würde diese Situation jetzt wohl nicht mehr hergeben. Ich muss gleich mal zur Ärztin. Das brennt unglaublich.“

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