Paralympics:Goalballer mit besonderer Mission

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Rio de Janeiro (dpa) - Etwas enttäuscht sind sie schon, die deutschen Goalballer waren einfach zu gut. Eigentlich geht ein Spiel zwei Mal zwölf Minuten, aber wenn eine Mannschaft 10:0 führt, ist Schluss.

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Rio de Janeiro (dpa) - Etwas enttäuscht sind sie schon, die deutschen Goalballer waren einfach zu gut. Eigentlich geht ein Spiel zwei Mal zwölf Minuten, aber wenn eine Mannschaft 10:0 führt, ist Schluss.

So geschehen schon nach ein paar Minuten beim Auftaktspiel bei den Paralympischen Spielen in Rio de Janeiro gegen Algerien. Da die 15 Kinder der Kindertagesstätte Santa Clara aus der Favela Vidigal an den Kontrollen festhingen, sind sie erst nach Spielschluss da.

Erstmals sind sie im Olympiapark, die fünf- und sechsjährigen Kinder haben handgeschriebene Namenskarten umhängen, damit niemand verloren geht. „Für sie ist es ein Traum, diese Welt ist sonst weit weg“, sagt Erzieherin Valdimente Almeira. Die Favela liegt wie so viele steil am Berg, eine Tortur für behinderte Menschen, die zum Beispiel im Rollstuhl sitzen. Auf der Tribüne gibt es ein großes Hallo, denn man kennt sich. „Wir haben im Mai im Trainingslager beschlossen, dass wir was machen wollen“, berichtet Co-Trainer Stefan Weil.

Paralympische Spiele in einem Schwellenland, in einer Stadt mit großen Kontrasten. Man suchte ein Projekt und fand die Kita in der Favela. Mehr als 3000 Euro an Spenden wurden gesammelt, nach der Ankunft besuchte das Team die Favela im Stadtteil Copacabana, für viele sehr bewegend und Einblicke in eine fremde Welt. Auch wenn die meisten der stark sehbehinderten Goalballer sie nur hören, kaum sehen können.

Die Kinder posieren mit Deutschland- und Brasilien-Fahnen mit ihren Idolen. Und, das ist das Besondere an diesen bisher überraschend positiven Paralympics, die Hallen gut gefüllt, die behinderten Sportler werden für ihre Leistungen wie Helden gefeiert. Sofort kommen weitere Brasilianer hinzu, Gruppenselfies werden gemacht.

„So gefragt waren sie wahrscheinlich noch nie“, meint der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes, Friedhelm Julius Beucher. Mittendrin auch der frühere Manager von Werder Bremen, Willi Lemke. Der Sonderberater von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon für Sportfragen reckt beim Posieren mit den Favela-Kindern und den Goalballern den Daumen in die Höhe. Werder Bremen kann von solchen Ergebnissen gerade nur träumen. Für Co-Trainer Weil steht fest: „Wir sammeln weiter, es gibt hier so viel zu tun.“ Und dann folgt schon das nächste Spiel.

Die Kinder müssen sich, wie das gerne lautstarke brasilianische Publikum insgesamt, erst daran gewöhnen, dass es mucksmäuschenstill sein muss in der Future Arena. Zur Chancengleichheit tragen alle Spieler eine Dunkelbrille, keiner sieht was. Eine Art Rassel im Ball verrät die Flugrichtung. Drei Spieler hat jede Mannschaft, bei einem Wurf des Gegners stellen sie sich im neun Meter breiten Tor auf und versuchen zu verteidigen. Als bei einem Spiel ein Baby dauerhaft schreit, wird die Mutter mit Kind aus der Arena herausgebeten, sonst sind die Signale im Ball für die Spieler nicht richtig zu hören.

Die Deutschen haben extra im Leistungszentrum in Marburg den Boden der Arena verlegen lassen, um das Sprung- und Aufsetzverhalten des Balles in Rio zu trainieren. „Und wir haben Videoanalysen der Gegner studiert“, berichtet Weil. Das Ziel ist mindestens das Viertelfinale. Aber vielleicht geht ja auch mehr. Und bei einem Finale wären die Favela-Freunde sicher gute Glücksbringer für die Deutschen - sie wissen ja jetzt, dass man beim Goalball nicht zu spät kommen darf.

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