Mexikaner über Trump:"Meine Freunde haben Angst, von ihren Familien getrennt zu werden"

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Fünf junge Mexikaner erzählen, wie sie die ersten Tage der Trump-Präsidentschaft erleben, warum sie auf die eigene Regierung wütend sind - und wie ihr Land von der aktuellen Lage profitieren könnte.

Protokolle von Benedikt Peters und Felicitas Kock

Donald Trump hat Mexiko in den vergangenen Tagen harte Ansagen gemacht. Er will die Mauer an der Grenze bauen, die er im Wahlkampf versprochen hat, und notfalls Strafzölle auf mexikanische Produkte verlangen, um das Geld dafür einzutreiben. Auch der Erlass zur Abschiebung illegaler Einwanderer richtet sich vor allem gegen die Nachbarn im Süden. Hier erzählen fünf junge Mexikaner, allesamt Studenten oder Berufsanfänger und am ehesten der Mittel- und Oberschicht zuzurechnen, wie sie die aktuellen Ereignisse erleben.

Diego Garcia, 29, lebt in Morelia

"Ich habe nichts gegen die Einwanderungspolitik Donald Trumps. Die USA sind ein souveränes Land, das seinen eigenen Interessen nachgeht. Wir können nicht erwarten, dass wir Mexikaner davon irgendwie profitieren. Ich glaube, Mexiko wird in den kommenden Jahren einen ähnlichen Schritt gehen wie Trump jetzt mit der Grenzmauer. Mexiko könnte seine Grenze nach Süden ebenfalls schließen, denn in unser Land kommen sehr viele Menschen aus Mittelamerika, die von hier in die USA weiterreisen wollen.

Was mir Sorgen macht, ist, dass viele Mexikaner, die jetzt in den USA sind, wegen Trumps Politik zurückkommen könnten. Gerade aus meiner Provinz Michoacán sind viele ausgewandert. Wenn sie nun wiederkommen, könnte das die Wirtschaft schädigen, es würde viele Arbeitslose geben. Aber das ist eine Herausforderung, auf die der mexikanische Staat vorbereitet sein müsste. Allerdings weiß ich nicht, ob er es wirklich ist.

Ich glaube, wir sollten unsere Probleme selbst angehen und uns nicht auf den Norden ( die USA; Anm. d. Red.) verlassen. Viele meiner Freunde trommeln dafür, nicht mehr in den Geschäften der Gringos einkaufen zu gehen, sondern lieber bei mexikanischen Läden. Das würde unsere Wirtschaft stärken. Ich habe auch einige Bekannte in den USA. Aber wie es ihnen da jetzt im Moment geht, weiß ich nicht."

Luis Vargas, 30, lebt in Mexiko-Stadt

"Als sich abzeichnete, dass Trump die Wahl gewinnen wird, konnte ich das erst mal nicht glauben. Nicht unbedingt, weil dieser Mann nun eines der wichtigsten Länder der Welt regiert, sondern weil es so viel über die Gesellschaft dort aussagt, über die Menschen in unserem Nachbarland. Jeder hier hat seine Meinung über die USA und den amerikanischen Imperialismus - aber in den vergangenen Jahren schien das Land auf einem vielversprechenden Weg zu sein: mit einem schwarzen Präsidenten, einer Debatte über die Gesundheitsversorgung, den Klimawandel, die Rechte der LGBT-Community. Fast schien es, als hätten die USA verstanden, dass ihr Land vom Rest der Welt abgehängt wird, wenn es sich nicht mit diesen Themen beschäftigt. Deshalb war die Enttäuschung auch so groß, als man jetzt merkte, dass fast die Hälfte der Amerikaner in die entgegengesetzte Richtung will.

Anzunehmen, dass uns das hier in Mexiko nicht sonderlich beeinflusst, wäre naiv. Unsere Länder sind wirtschaftlich so eng miteinander verbunden. Viele meiner Freunde leben in den USA, wer Geld hat, fährt dorthin in den Urlaub.

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Trumps Vorhaben sind absurd. Meiner Meinung nach war die Mauer anfangs nur eine kindische Idee, die sich während des Wahlkampfs als sehr populär herausstellte, und die er nun umzusetzen versucht, um nicht als Lügner dazustehen. Versteht er nicht, dass die USA ein Land der Einwanderer sind? Selbst seine Frau ist doch Migrantin. Natürlich muss man über die Einwanderung diskutieren. Aber eine physische Barriere zu errichten und zu denken, damit sei das Problem gelöst, hat sich in der Geschichte schon oft als Fehlschluss herausgestellt. Und jetzt will er mexikanische Produkte mit 20 Prozent besteuern, um die Mauer zu finanzieren? Das ist noch viel absurder. Trumps Politik wird das Verhältnis unserer beiden Länder dauerhaft beschädigen, davon bin ich überzeugt.

Optimistisch betrachtet, liegt in der aktuellen Entwicklung eine Chance für Mexiko. Es ist an der Zeit, sich aus der Abhängigkeit von den USA zu befreien. Wir müssen die Handelsbeziehungen zu anderen Ländern stärken und mehr an uns selbst und unsere eigene Stärke glauben. Auf zivilgesellschaftlicher Ebene tut sich schon jetzt eine ganze Menge. Ich merke in Gesprächen mit Freunden und Familie, dass sich viel mehr Menschen als früher für Politik interessieren - und dafür, was sie zum Funktionieren der Gesellschaft beitragen können."

Illalil Amezcua, 27, lebt in Morelia

"Trumps Politik ist autoritär, das löst verschiedene Gefühle in mir aus. Vor allem fühle ich mich machtlos. Mich ärgert am meisten, wie unsere eigene Regierung darauf reagiert. Mexiko sollte etwas anderes tun als einfach nur den Kopf vor diesem Pseudo-Politiker zu neigen. Aber genau das macht unser Präsident Enrique Peña Nieto.

Das Trump jetzt eine Mauer bauen will - schön und gut. Das regt mich gar nicht so sehr auf. Was uns hier viel mehr beschäftigt, ist dass unsere Regierung nichts für die Bevölkerung tut. Es ist, als würde sie Politik unter Wasser machen, so nennen wir das hier.

Mich betreffen zum Beispiel die Energiereformen, die Regierung hat zuletzt die Sprit- und Strompreise erhöht. Als Architektin arbeite ich für einen Ölkonzern, ich entwerfe Tankstellen und beaufsichtige den Bau. In meiner Heimat ist das Benzin jetzt knapp, viele Menschen gehen auf die Straße. Aber die Regierung nimmt uns nicht ernst."

Olga Tolo, 27, lebt in Uruapan del Progreso

"Am Anfang habe ich die Kandidatur Donald Trumps für einen Witz gehalten. Aber jetzt, da er wirklich gewählt worden ist, halte ich jede politische Maßnahme von ihm für möglich, sei sie noch so hasserfüllt und noch so radikal. Am Anfang habe ich mich gefragt, was wohl das Prinzip hinter allen seinen Forderungen ist, die Verbindung. Jetzt denke ich, er sagt einfach das, was ein gewisser Teil der US-amerikanischen Gesellschaft will.

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Sein Versprechen, Millionen von Einwanderern aus den USA auszuweisen, finde ich besonders schlimm. Ich habe Freunde und Verwandte in den USA, die davon direkt betroffen wären. Es ist nicht schwierig, sich in sie hineinzuversetzen. Sie erzählen mir von der Angst, mit der sie jetzt leben. Sie denken, dass sie bald ausgewiesen werden. Sie trauen sich nicht mehr, auf die Straße zu gehen oder zur Arbeit. Sie haben Angst, von ihren Familien getrennt zu werden. Besondere Angst haben sie vor dem Hass und dem Rassismus, der ihnen jetzt entgegenschlägt und der durch den Wahlkampf Donald Trumps zu etwas Normalem geworden ist. Freunde erzählen mir, dass manche US-Amerikaner ihnen seit dem Sieg Trumps offen rassistisch gegenübertreten.

Wenn Trump über "das Einwanderungsproblem" in den USA spricht, habe ich das Gefühl, dass er etwas vergisst. Er spricht nur über die Vorteile, die Migranten daraus ziehen, in den USA zu sein. Er betont, wie sehr sie der Wirtschaft schaden würden. Er erwähnt gar nicht, dass Einwanderer der US-Gesellschaft auch nutzen. Sie haben über Jahrzehnte die Gesellschaft und auch die Wirtschaft bereichert. Seinen Vorschlag, eine Mauer an der Grenze zu unserem Land zu bauen, halte ich nicht nur für falsch, weil sie keine Probleme lösen wird. Ich weiß auch nicht, wie er sich vorstellt, dass wir Mexikaner dafür bezahlen würden.

Man könnte über diese Drohung von Trump lachen, wenn wir in Mexiko eine Regierung hätten, die ihre Bürger und deren Interessen beschützt. Aber in Wahrheit ist diese Regierung nicht einmal in der Lage, interne Probleme zu lösen, es herrschen Armut und Gewalt, die Wirtschaft und das Bildungssystem funktionieren nicht gut. Wenn Trump nun Mexiko anfeindet, habe ich deswegen das Gefühl: Wir sind dem schutzlos ausgeliefert."

Kaika Sandoval Velasco, 31, lebt in Berlin

"Der Großteil der Mexikaner war nicht damit einverstanden, dass unser Präsident Peña Nieto zunächst zugesagt hat, Washington zu besuchen. Wenn er wirklich gefahren wäre, hätte er doch vor Trump die Hosen runtergelassen. Wie bescheuert. Tatsächlich sollte unsere Regierung nicht mit einem Staatsoberhaupt sprechen, das den Mexikanern gegenüber so feindlich eingestellt ist. Sondern eher mit dem Senat. Mit Trump kann man überhaupt nicht vernünftig reden, er ist vollkommen irrational.

Dass Peña Nieto jetzt, wo er den Besuch abgesagt hat, für seinen Widerstand gefeiert wird, halte ich für Quatsch. Er hätte schon viel früher widersprechen sollen. Und er hätte sich bemühen müssen, die Migranten vor Trumps Irrsinn zu beschützen."

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