Am Mittwoch machte Donald Trump weiter mit der Erfüllung seiner Wahlversprechen: Er unterzeichnete ein Präsidialdekret, um eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen. Es ist bislang nur ein Startschuss, denn viele Details zur Finanzierung des Milliarden-Projekts bleiben offen, aber die Botschaft ist klar: Niemand soll rein, aber viele raus. Denn neben der Mauer soll wie versprochen abgeschoben werden. Trumps Anordnung betrifft vor allem Kalifornien, den US-Bundesstaat mit den meisten illegal Eingewanderten - und dem größten politischen Widerstand gegen den Präsidenten.
Denn im Golden State hat man kein Interesse an dieser Politik. "Wenn Donald Trump eine Kampagne der Angst gegen unschuldige Familien führen will, kann er nicht auf uns zählen - wir werden kein Zahnrad in Trumps Abschiebemaschine sein", sagt der Vorsitzenden des kalifornischen Senats, Kevin De León bei einer eilig anberaumten Pressekonferenz
Einen Tag nach Trumps Wahlsieg war der Demokrat bereits einmal vor die Mikrofone getreten: "Trump hat die Präsidentschaft gewonnen - unsere Werte verändern wird er nicht", versprach de León illegalen Einwanderern. Neben den Rechten von Migranten sieht der US-Bundesstaat auch den Kampf gegen den Klimawandel in Gefahr.
Und Kaliforniens Einfluss ist enorm: Knapp 40 Millionen Menschen leben hier, der Bundesstaat hat die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt und steuert etwa 14 Prozent zur US-Wirtschaftsleistung bei. Nun will der Westküsten-Staat den Reden Taten folgen lassen und Trumps Politik mit Gesetzen und der Hilfe von Obamas früherem Justizminister blockieren.
Ziviler Ungehorsam auf Landesebene
Migration ist ein wichtiges Thema in Kalifornien: Ein Viertel aller illegal in die USA eingewanderten Lateinamerikaner lebt dort, insgesamt etwa drei Millionen. 130 Milliarden Dollar steuern sie zum kalifornischen Bruttoinlandsprodukt bei - jeder zehnte kalifornische Arbeitnehmer wäre, falls Trump ernst macht, von den Massenabschiebungen betroffen.
Kaliforniens Widerspenstigkeit könnte Trumps Anstrengungen gefährden. Denn will man illegal Eingewanderte abschieben, braucht es nicht nur Dekrete, sondern auch Sicherheitskräfte. Doch der Regierung unterstehen nur 5 800 Polizisten, die dezidiert für Abschiebungen zuständig sind, wie der Economist schätzt. Die Bundesstaaten verfügen dagegen über 750 000 Polizisten. Von den insgesamt etwa 170 Bezirken, die regelmäßig illegal Eingewanderte aufgreifen, kooperieren 69 nicht mit den Bundesbehörden. Diese Bezirke werden Sanctuary Cities genannt, zu Deutsch Zufluchtsstädte. Die meisten liegen in Kalifornien, wie das Immigrant Legal Resource Center mit Berufung auf einen offiziellen Report berichtet.
Trump droht nun mit einem "scharfen Vorgehen" gegen diese Bezirke. Er will ihnen Bundesmittel entziehen und die Politiker so finanziell unter Druck setzen. Dem stemmt sich das kalifornische Parlament entgegen. "Wir werden nicht einen Finger rühren, um Trumps Bemühungen zu unterstützen", sagt de León. Im Gegenteil: Man wolle Sanctuary Cities durch Gesetze stärken, ihre Finanzierung aufstocken und so ihre Praxis noch stärker formalisieren. Man könnte das auch zivilen Ungehorsam auf Landesebene nennen.
Umfangreiche Unterstützung für "undocumented workers"
Falls es doch zu Abschiebungen von illegalen Einwanderern kommt, greift ein anderes Gesetz: Durch einen zehn Millionen schweren Fonds soll Rechtsbeistand für finanziell Schwache gewährleistet werden. Ein weiteres Gesetz sieht vor, dass regionale Zentren eingerichtet werden sollen, in denen Anwälten auf Staatskosten Weiterbildungen in Asylrecht angeboten werden. Da die Demokraten in Kalifornien die absolute Mehrheit besitzen, können die Vorschläge schnell umgesetzt werden, schon Anfang nächster Woche werden die ersten Anhörungen stattfinden.
Senator de León, selbst Kind von mexikanischen Einwanderern, will zudem sogenannte Sicherheitszonen einrichten. An Schulen, Gerichten und Krankenhäusern soll Bundesbeamten das Recht entzogen werden, Menschen zu verhaften. Er stellt klar: "An die Millionen von undokumentierten Migranten, die den Kalifornischen Traum verfolgen und zu ihm beitragen: Sollte die Trump-Regierung eine unmenschliche und übertriebene Massendeportationspolitik vorantreiben, wird der Staat von Kalifornien eure Mauer der Gerechtigkeit sein".
Und ein Umweltschutzgesetz von 1970 könnte sogar dabei helfen, Trumps Grenzmauer mit bürokratischen Mitteln zu verhindern. Zumindest den Mauerabschnitt, der auf kalifornischem Boden errichtet werden soll. Vizegouverneur Gavin Newsom erklärt in einem Interview: "Wir könnten es der Regierung sehr, sehr schwer machen."
Umweltpolitik wird der andere große Streitpunkt zwischen Kalifornien und der Trump-Regierung. Der Präsident hatte gedroht, Kalifornien die Erlaubnis zu entziehen, eigene und deutlich striktere Umweltregularien als der Rest der USA zu implementieren. Um dennoch den Kampf gegen den Klimawandel fortzuführen, soll hier ein ungewöhnlicher Weg beschritten werden: Kalifornien strebt bilaterale Abkommen mit Nationalstaaten an.
Der US-Präsident und fast die Hälfte seines Kabinetts äußerten öffentlich Zweifel daran, dass der Mensch für den Klimawandel verantwortlich ist. Bemühungen, diesen zu bekämpfen, sehen sie daher skeptisch, auch aus einem anderen Grund: "Zu lange schon entzieht die Umweltbehörde der US-Wirtschaft Milliarden von Dollar durch unnötige Regularien", so ihr designierter Chef Scott Pruitt. Trumps Ansicht nach wird durch Klimaschutzrichtlinien die Erfüllung eines seiner zentralen Wahlversprechen erschwert, nämlich Industriejobs wieder in die USA zu holen. In einem Tweet bezeichnet er den Klimawandel als einen "Schwindel" der Chinesen, um der US-Industrie zu schaden.
Mit eben diesen sogenannten "Schwindlern" will sich nun Kalifornien gegen Trumps Anti-Klima Politik verbünden: Wie die New York Times berichtet, ist der Bundesstaat unter anderem in Verhandlungen mit den Regierungen von China, Mexico und Kanada um beim Handel mit Emissionszertifikaten zusammenzuarbeiten.
In einer Rede vor den Vereinten Nationen bezeichnete der chinesische Klima-Unterhändler Kaliforniens Governeur Jerry Brown als "alten Freund" und dankte ihm für die Zusammenarbeit. Brown sagte nach der Wahl Trumps vor einem Klima-Thinktank: "Wir haben die Wissenschaftler, wir haben die Anwälte. Wir sind bereit zu kämpfen."
Bereit - aber der Ausgang bleibt offen
Das Duell "Kalifornien gegen Trump" dürfte die nächsten Monate und Jahre Schlagzeilen machen: Beide Seiten geben sich kämpferisch. Um in letzter Instanz auch rechtlich gegen Trumps Politik vorgehen zu können, wurde Obamas ehemaliger Justizminister, Eric Holder, als rechtlicher Beistand verpflichtet. Er soll Angriffe Trumps auf kalifornische Gesetze abwehren - und eigene vorbereiten, um die Vorstöße der Republikaner zu torpedieren. Dies ist ein Vorgehen, das normal ist in der US-Politik - Kalifornien übernimmt jetzt die Rolle des konservativen Texas, das die Obama-Regierung in acht Jahren 48 Mal verklagte.
In einem Statement teilte Holder mit, dass er sich geehrt fühle, Kalifornien als Berater zu helfen. Er wolle den Golden State bei dessen "Antwort auf potenzielle Veränderungen von Bundesgesetzen, die Kaliforniens Prioritäten betreffen könnten" unterstützen.
Der erste Test für diesen Kampf zwischen David und Goliath hat am Mittwoch mit dem Grenzmauer-Dekret begonnen. Kalifornien hat schon mit ersten Klagen gegen den Präsidenten gedroht. Ob die "Mauer der Gerechtigkeit" hält, werden die nächsten Monate zeigen.