Sie inszenieren sich ja auch sehr konsequent als Marke.
Das habe ich aber nicht bewusst getan. Was hab' ich denn Besonderes? Gut, die weißen Haare, und ich merke es ja selbst: Wenn ich mit zwanzig Leuten auf einem Foto bin, sieht man mich als ersten. Aber ich fühle mich stinknormal. Nur die anderen sind eben anders.
Irgendwie wirken Sie disziplinierter als die meisten.
Ich habe keine Selbstdisziplin. Disziplin ist, wenn Sie sich Mühe geben müssen. Ich gebe mir keine Mühe.
Hatten Sie als junger Mensch eine Vision von dem Lagerfeld, der Sie sein wollten?
Als Kind war ich davon überzeugt, eine Legende zu werden.
Wie kamen Sie denn darauf?
Ich hatte wohl zu viele Märchen gelesen. Hinterher war ich bescheidener.
Na, Sie behielten ja irgendwie recht. War also alles strategisch geplant?
Nicht nur. Als ich jung war, verbrachte ich viel Zeit damit, die Nächte durchzutanzen. Die Modewelt war damals auch anders, es war nicht abzusehen, dass es für Designer die Möglichkeit geben würde, Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Es gibt Leute, da geht alles schief, und Leute, wo der Zufall alles unglaublich arrangiert. Ich habe Schwein gehabt.
Die moderne Machbarkeitsgesellschaft behauptet doch gerne, jeder sei seines Glückes Schmied und müsse nur wollen.
Wer sagt das?
Steht in erfolgreichen Ratgeberbüchern.
Da gucke ich nicht rein. Nein, das ist keine Willensfrage. Die Leute tun ja heute alle so, als sei Glück etwas, das das Leben ihnen schulde. Nein. Es gibt da leider eine große Ungerechtigkeit. Es gibt sogar Menschen, die es überhaupt nicht verdienen und sehr glücklich sind.
Wenn Sie einen Partner und Kinder gehabt hätten, wäre Ihnen dann diese Karriere noch möglich gewesen?
Dann wäre alles schiefgegangen. In meinem Beruf und bei dem, was ich machen will, darf man keine Familie haben.
Dabei streben doch alle nach Work-LifeBalance. Ist das wirklich Ihre Botschaft an junge, talentierte Leute?
Kommt darauf an, was sie machen wollen. Wer meint, sein Privatleben sei wichtiger, okay. Aber bitte nicht hinterher beklagen. Man kriegt nicht alles umsonst.
Die Franzosen, gerade die jungen, wehren sich gerade gegen den geplanten späteren Renteneintritt. Rente - diese Vokabel ist sehr weit weg von Ihnen, oder?
Die Leute sollen arbeiten, solange sie Lust haben und solange sie es können. Es gibt Berufe, die kann man nicht länger ausüben. Dann gibt es wiederum Berufe, die nicht anstrengend sind, Beamte und so, die tun ja nix. Was sollten die sonst machen? Plötzlich sind sie zu Hause, haben eine Frau, mit der sie im Grunde nicht zusammengelebt haben, sie haben viel Zeit, aber weniger Geld. Nicht jeder hat einen kleinen Schrebergarten, um den er sich kümmern kann.
Haben Sie eigentlich Ihre eigenen Erwartungen erfüllt?
Das Geheimnis ist ja, dass ich im Grunde mit mir nie zufrieden bin. Ich fühle mich faul, ich könnte mehr machen, ich hätte mehr aus mir herausholen können. Persönlich habe ich nicht im Geringsten das Gefühl, dass ich eine seriöse Person bin. Ich weiß sogar, dass ich nicht seriös bin.
Sie fühlen sich als Hochstapler?
Ja, aber im guten Sinne. "Felix Krull" ist eines meiner Lieblingsbücher.
Beim strengen Thomas Mann vermutet man Sie ohnehin eher als bei Ihrem Lieblingsautor Eduard von Keyserling mit seinen sehnsüchtigen Gräfinnen. . .
Bei Keyserling inspiriert mich die Atmosphäre irgendwie. Das Problem bei Thomas Mann ist, das ich das nur zu gut verstehe. Ich bin ja aus dem Norden. Die ganze Mentalität, das ist mir so familiär. Ich liebe die Novellen noch heute, aber nicht unbedingt "Tod in Venedig". Thomas Mann war zu konventionell. So konventionell bin ich nicht. Ich lebe ja auch in einer anderen Zeit.