Frauen können besser bügeln - sagen in einer Umfrage 81 Prozent der 18- bis 44-jährigen Männer. Fast 70 Prozent derjenigen, die einen Angehörigen pflegen, fühlen sich einer Befragung der Techniker Krankenkasse zufolge gestresst, 40 Prozent erschöpft und ausgebrannt. Etwa 150 000 bis 200 000 Migrantinnen leben Schätzungen zufolge bei Pflegebedürftigen, um diese zu versorgen - sie sind oft rund um die Uhr im Einsatz, 95 Prozent arbeiten schwarz.
Care-Arbeit oder auch Fürsorgetätigkeit nennt sich das Konglomerat aus Haushalt, Pflege und Kinderbetreuung, das so oft übersehen wird, wenn über die Bedingungen von Arbeit diskutiert wird. Dabei ist dieser Bereich nicht weniger bedeutsam für die Gesellschaft. Ohne dieses fürsorgliche Rückgrat wären Erwerbsarbeit, Konzerne, Kapitalismus gar nicht möglich.
Sorgetätigkeiten ermöglichen erst die Entwicklung des Einzelnen
Denn wie könnte eine Gesellschaft funktionieren, wenn es nicht Menschen gibt, die Babys versorgen? Die Kinder zu kompetenten mündigen Bürgern erziehen? Die jene pflegen, die am Ende eines langen (Arbeits-)Lebens auf Hilfe angewiesen sind? Eva Senghaas-Knobloch ist Soziologin und Professorin für Arbeitswissenschaft an der Universität Bremen und forscht seit Jahren zur Care-Arbeit. Sie sagt: "Sorgetätigkeiten ermöglichen überhaupt erst Wachstum und Entwicklung des Einzelnen und schaffen gesellschaftlichen Zusammenhalt."
Doch die fortschreitende Ökonomisierung und der demographische Wandel setzen den Care-Bereich immer stärker unter Druck. Für die Betroffenen macht sich keine Lobby stark - zum einen, weil es um die geht, die nicht in der Lage sind, ihre Interessen mit Nachdruck zu vertreten, zum anderen, weil der Care-Bereich gerne verdrängt und ausgeklammert wird. Hier verdichten sich all die unaufgelösten Widersprüche, enttäuschten Wünsche und verratenen Ideale unseres modernen Lebens.
Erwerbsarbeit definiert, welche Tätigkeiten Wert haben und welche nicht
Ein wichtiger Grund für das miese Image der Care-Arbeit ist der Arbeitswissenschaftlerin Senghaas-Knobloch zufolge ein von alltäglichen Sorgetätigkeiten bereinigtes Konzept von Arbeit als Erwerbsarbeit. "Dieses prägt spätestens seit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert, welchen Tätigkeiten wir buchstäblich einen Wert, nämlich einen Lohn beimessen und welchen nicht." Schuften im Büro oder in der Fabrik wird entlohnt, wird wertgeschätzt. Schuften im Privaten, im Haushalt nicht.
Das zweite Problemfeld der Care-Arbeit: die leidige Geschlechterfrage. Waren es doch über Jahrzehnte die Frauen, die fürs Putzen, Kochen, Kümmern zuständig waren, während Vati das Geld nach Hause brachte. Zum ersten Mal über den Haufen geworfen wurde dieses eherne Familienkonzept mit seinen eingeschränkten Rollen von der Emanzipationsbewegung. "Die Frauen haben sich einen direkten Zugang zu Berufstätigkeit, finanzieller Unabhängigkeit und der damit verbundenen Anerkennung erkämpft", sagt Senghaas-Knobloch.
Gleichzeitig sei jedoch dieser Kampf für Gleichberechtigung "von ultraliberal-ökonomischen Politikstrategien zur Erhöhung von Wettbewerbsfähigkeit" vereinnahmt worden. Der Politik und Wirtschaft kommen die hochmotivierten Frauen, die endlich auch im Berufsleben glänzen wollen, gerade recht: Sind diese doch geradezu prädestiniert dafür, die Fachkräftelücke zu schließen, die der demographische Wandel aufzureißen beginnt.