Erfurt:Studie: Jeder vierte Thüringer teilt rechtsextreme Thesen

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Die Demokratie als Staatsform genießt bei den Thüringern so viel Zustimmung wie seit Jahren nicht. Trotzdem verfestigen sich rechtsextreme und antisemitische...

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Erfurt (dpa/th) - Die Demokratie als Staatsform genießt bei den Thüringern so viel Zustimmung wie seit Jahren nicht. Trotzdem verfestigen sich rechtsextreme und antisemitische Einstellungen. Zu diesem Ergebnis kommt der neue Thüringen-Monitor, eine wissenschaftliche Langzeitstudie der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Auftrag der Landesregierung. Er wurde am Dienstag in Erfurt von der Professorin Marion Reiser und ihrem Team vorgelegt. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) will zu den Ergebnissen am 12. Dezember eine Regierungserklärung im Landtag abgeben.

Mit dem Thüringen-Monitor werden seit dem Jahr 2000 jährlich Meinungen und politische Einstellungen der Menschen im Land erfasst. Für die aktuelle Studie wurden nach Angaben der Universität im Zeitraum zwischen Mai und Juli 2019 insgesamt 1100 Menschen befragt.

Nach der soziologischen Langzeitstudie vertreten 90 Prozent der Thüringer die Auffassung, die Demokratie sei „die beste aller Staatsideen“. So ein hoher Wert sei noch nie seit dem Start der Untersuchung gemessen worden, sagte Reiser. In der Vergangenheit pendelte dieser Wert um die Marke von 80 Prozent; in den Jahren 2017 und 2018 hatte er bei 86 Prozent gelegen.

Zugleich teilt nach der Untersuchung fast jeder Vierte (24 Prozent) rechtsextreme Einstellungen. 2018 waren es 20 Prozent, im Jahr zuvor 19 Prozent. Die Wissenschaftler messen das anhand der Zustimmung oder Ablehnung der Befragten zu bestimmten Thesen. So stimmten in diesem Jahr 26 Prozent der Befragten der These zu „Der Nationalsozialismus hatte auch seine guten Seiten“. 2018 waren es 18 Prozent. 16 Prozent befürworteten die These, Juden hätten „etwas Besonderes an sich“ und passten „nicht so recht zu uns“. 2018 lag dieser Wert bei 9 Prozent.

Reiser erklärte dazu: „Der Bildungsgrad kann rechtsextreme Einstellungen kaum mehr erklären.“ Sie würden auch von gut ausgebildeten Thüringern vertreten. Ein Großteil der Menschen, die solchen Aussagen zustimmten, sähen darin keinen Widerspruch zu ihrem Bekenntnis zur Demokratie, erklärte die Wissenschaftlerin.

Eine mögliche Erklärung dafür sei, dass viele Menschen in Thüringen ein Demokratieverständnis hätten, bei dem es nicht um eine Teilhabe aller Menschen gehe, sondern das ethnisch geprägt sei. Nach dem Grundgesetzes stehen die grundlegenden demokratischen Rechte jedem Menschen in Deutschland zu.

Auffällig sei, dass der Anstieg bei rechtsextremen Einstellungen nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen betreffe. Vor allem Menschen in einem mittleren Alter mit mittlerem Bildungsgrad, die in kleinen oder mittelgroßen Kommunen lebten, würden solche Einstellungen teilen. Jüngere Menschen dagegen seien deutlich weniger anfällig für rechtsextreme Thesen.

Die Studie macht eine große Parteien- und Politikerverdrossenheit aus. 72 Prozent der Befragten stimmten demnach der These zu, die Anliegen der Menschen würden nicht wirklich vertreten. 49 Prozent teilten die These, Meinungen könnten nicht mehr frei geäußert werden, weil man sonst Nachteile hätte.

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