Eigentlich könnte alles so einfach sein: Deutsche Betriebe suchen händeringend nach Fachkräften und Auszubildenden. Und es gibt viele qualifizierte Asylsuchende, die gern einspringen würden. Drei Jahre nach dem Willkommenssommer von 2015 haben mehrere Tausend Flüchtlinge die (Berufs-)Schulen mit Abschluss und guten Deutschkenntnissen verlassen, das Ausbildungsjahr beginnt, und sie könnten sofort loslegen. Denn selbst für Menschen, die in Deutschland nur eine Duldung besitzen, gibt es die sogenannte 3+2-Regelung: drei Jahre Ausbildung plus zwei Jahre Arbeit im erlernten Job - während dieser Zeit wird die Abschiebung ausgesetzt, denn das gibt Planungssicherheit für Firmen und Lohn, Brot und Sinn für geduldete Flüchtlinge. Soweit jedenfalls die Theorie. Wie die Praxis aussieht, wurde erst in dieser Woche wieder deutlich, am Fall des Afghanen Danial M., der als Horst Seehofers "Nummer 70" tragische Berühmtheit erlangte. Der 22-Jährige hätte eigentlich Anfang Juli abgeschoben werden sollen, einen Tag vor dem 69. Geburtstag des Bundesinnenministers, gemeinsam mit 69 anderen Afghanen. Die Polizei hatte ihn jedoch nicht gefunden. Danach flüchtete er sich in Bayreuth ins Kirchenasyl. Seit Langem ist Danial M., der eine Lehre als Hauswirtschaftsassistent macht und Torwart beim FC Neuenmarkt ist, ständiger Unsicherheit ausgesetzt. Erst Anfang August hatte die Ausländerbehörde eine sogenannte Ermessensduldung für ihn abgelehnt. Am Montag dann plötzlich die Kehrtwende: Danial M. darf doch bleiben. Die Frage ist nur: Wie lange? Und wer soll da noch durchblicken? Denn genau im "Ermessen" liegt das Problem. Das ist Behördensache. In Bayern zum Beispiel, wo die CSU mit Blick auf die Landtagswahlen im Oktober Härte demonstrieren will, wird die Integration geduldeter Flüchtlinge, vorsichtig formuliert, nicht gerade gefördert. Der Einstieg in den Arbeitsmarkt ist für die Betroffenen mit enormen Hindernissen verbunden; ob sie die überwinden und sich integrieren können, hängt dann nicht selten von Umständen, der aktuellen politischen Stimmung oder auch einzelnen Sachbearbeitern ab. Die folgenden Fälle geben Einblick in eine Politik, die nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Helfer, Firmenchefs, Betreuer und Berufsschullehrer verzweifeln lässt.
Der "verkehrte" Flüchtling
Ein loses Blatt mit angetackertem Foto - eine Tazkira sieht nicht gerade wie das aus, was sie eigentlich ist, nämlich ein sehr wichtiges Dokument. Bis vor einem Jahr hatte Andrea Finsterwald noch nie davon gehört. Heute weiß sie, dass die Tazkira Afghanen als Geburtsurkunde und Identitätsnachweis gilt. Dass sie eigentlich persönlich in Afghanistan abgeholt werden muss, dass Verwandte väterlicherseits sie bestätigen müssen, dass sie bis zu 3000 Euro kostet. Und sie weiß , dass es ohne "Mithilfe bei der Identitätsbeschaffung" in Bayern keine Ausbildungserlaubnis gibt. Genau ein Jahr ist es her, da hatte Finsterwald, Chefin der Finsterwald Stahlbau GmbH in Dingolfing, endlich wieder einen Azubi gefunden: Alizada H. aus Afghanistan, 23 Jahre alt, Mittelschulabschluss: drei Mal "sehr gut", drei Mal "gut". Er war Leiharbeiter bei BMW, doch er wollte eine richtige Ausbildung machen. Feierlich unterschrieb er seinen Vertrag. Nach zwei Monaten der Schock: ein Brief vom Landratsamt, Alizada müsse seine Ausbildung sofort abbrechen. Es fehle die hierfür nötige Erlaubnis. Finsterwald: "Wissen Sie, was man mir gesagt hat? Wir hätten uns leider den Verkehrten gesucht." Sehr viel Zeit, Nerven, Geld und ja, auch Tränen, hat sie seitdem der Versuch gekostet, den "verkehrten" Flüchtling doch noch auszubilden. Alizada H.s Personalakte ist mittlerweile so dick wie die von Mitarbeitern, die seit 30 Jahren bei der Firma sind. "Wenn ich den ganzen Wahnsinn nicht selbst erlebt hätte, ich würde es nicht glauben", erzählt Finsterwald. "Nicht nur das Wohl meiner Firma, sondern unser ganzer sozialer Friede hängt doch davon ab, dass die Leute arbeiten und ihr eigenes Geld verdienen!" Auch an Alizada H. hat dieses Jahr der Unsicherheit gezehrt. Der Kampf gegen "diese verrückten Sachen", sagt er, habe ihn "kaputt" gemacht. Statt bis sechs Uhr schläft er jetzt oft bis mittags, dabei bräuchten sie ihn so dringend, die Stahlbauer der Finsterwald GmbH.
Zehn Minuten Zeit zum Packen
Es war ein Freitagnachmittag, als die Polizei Abeba Demile Asmelash abholte. Um 16 Uhr standen die Beamten vor ihrer Asylunterkunft im mittelfränkischen Rednitzhembach und sagten, sie müsse zurück nach Äthiopien. Obwohl sie eine unbefristete Stelle in einem Pflegeheim der Arbeiterwohlfahrt hat. Obwohl sie gut deutsch spricht. Obwohl sie für 2019 einen Ausbildungsplatz zur Altenpflegerin hätte. Obwohl sie als solche dringend gebraucht würde. Doch darum ging es nicht an jenem Freitagnachmittag. Zehn Minuten Zeit hatte Demile Asmelash zum Packen. Sie nahm nur ihre Handtasche mit. Auf dem Weg zum Frankfurter Flughafen sagte sie den Beamten, dass sie noch auf ihren Pass warte, den sie beantragt hatte, sie versuchte, ihren Anwalt zu erreichen - vergeblich. Erst als sie schon auf der Gangway stand und wiederholt auf ihrem Pass bestand, passierte etwas Ungewöhnliches: Man ließ sie gehen. Drei Wochen ist das nun her. Seither übernachtet sie oft bei Freunden. Nachts schreckt sie hoch, wenn sie ein Auto hört. Die Arbeiterwohlfahrt würde sie immer noch gerne ausbilden. Anfrage bei Mechthilde Wittmann, der Integrationsbeauftragten der bayerischen Staatsregierung: Sollen grundsätzlich auch gut integrierte Flüchtlinge mit Ausbildungsvertrag abgeschoben werden? Die Antwort: Eine sorgfältige Beurteilung des Einzelfalls sei notwendig. Generell gelte aber: "Die Integration muss dem Aufenthaltsstatus folgen, nicht umgekehrt."
Plötzlich Freund statt Feind
Warum ausgerechnet Anas Tabbakh gehen soll - das verstehen nicht mal seine Kollegen, die vor ein paar Jahren noch mit Pegida sympathisierten. Im Sommer 2015 hatte der Dresdner Tischlermeister René Käubler beschlossen, einen syrischen Flüchtling einzustellen. Tabbakh ist ein geschickter Handwerker, seine eigene Werkstatt in Aleppo war von einer Bombe getroffen worden. Es war der Sommer, in dem Flüchtlingsgegner vor Asylheimen in Sachsen alles niederbrüllten. Der Start war mühsam, ein Kollege weigerte sich sogar, mit dem Neuen zusammenzuarbeiten. Doch mit jedem Tag schmolzen die Vorurteile. Der, der nicht mit ihm arbeiten wollte, nennt ihn heute "meinen Freund". Anas Tabbakh spielt Fußball im Verein, singt im Chor und engagiert sich für andere Flüchtlinge. Mehr Integration geht kaum. Trotzdem könnte jederzeit die Polizei vor der Tür stehen. Im Juli wurde sein Asylfolgeantrag abgelehnt; Tabbakh soll zurück nach Bulgarien, wo er bereits 2014 Asyl beantragte. "Die Hoffnung stirbt zuletzt", sagt er. Überzeugt klingt es nicht.
Ein Antrag zu viel
Auch die Familie von Laishin I. hat in Bulgarien Asyl beantragt - nicht ahnend, dass ihnen das später zum Verhängnis werden würde. Mehr als vier Jahre ist es her, dass ihre Familie aus Syrien floh. "Uns war egal, wo wir leben", sagt Laishin. "Hauptsache, man kann dort arbeiten, lernen, sicher weiterleben." Doch in Bulgarien werden Flüchtlinge systematisch diskriminiert. Zugang zu Sprachkursen und Arbeit wird ihnen häufig verwehrt. Nach acht Monaten landete die Familie auf der Straße, floh weiter nach Deutschland. Weil sie bereits in Bulgarien um Asyl gebeten hatte, wurde auch ihr Asylantrag abgelehnt. Eines Nachts um drei Uhr standen 20 Polizisten in ihrer Wohnung in Nürnberg, nahmen den Vater, die Mutter, ihre drei Brüder mit. Nur Laishin durfte bleiben, vorerst. Warum, verstehen weder sie noch ihre Anwältin. Die 22-Jährige, die in Syrien bereits ein Jahr Zahnmedizin studiert hatte, begann eine Ausbildung zur Arzthelferin, schloss das erste Jahr ab. Danach wurde auch ihr Asylantrag abgelehnt. Die Ausländerbehörde entzog die Ausbildungserlaubnis, ihr Arbeitgeber entließ sie. Laishin fand einen neuen Arzt, der ihr anbot, im zweiten Lehrjahr zu starten. Doch die Behörden erlauben es nicht. "Die Verhinderung der Integration durch das Verweigern von Ausbildungsduldungen hat in Bayern System", da ist sich Gisa Tangermann, Laishins Anwältin sicher. Politisch werde hier nicht gewollt, was das Bundesgesetz als Möglichkeit geschaffen habe. Im bayerischen Innenministerium sieht man das natürlich anders. Die Ausländerbehörden hielten sich bei der Erteilung von Beschäftigungs- und Ausbildungserlaubnissen strickt an geltendes Bundesrecht, heißt es auf Anfrage. Bundesweit sei Bayern sogar Vorbild bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt.
Blockade im Kopf
Zwiebelrostbraten, Siedfleisch vom Allgäuer Weiderind, Spätzle - der 20-jährige Nabiullah S. hat im ersten Ausbildungsjahr schon viele schwäbische Spezialitäten zubereitet. Bereits in seiner Heimat Afghanistan arbeitete er als Koch. "Ich weiß, dass man schnell sein muss", sagt er und so schnell wie er arbeitet, spricht er auch ins Telefon. "Geduld musste er erst lernen", sagt Horst Schmidt, in dessen Hotel und Landgasthof Kreuz im oberschwäbischen Bad Waldsee der 20-Jährige wohnt und eine Ausbildung zum Koch absolviert. Ansonsten ist er mit seinem Azubi hoch zufrieden. Doch seit sein Asylantrag abgelehnt wurde, lähmt Nabiullah die Angst: "In der Schule kann ich mich nicht mehr konzentrieren, die Abschiebung ist immer in meinem Kopf." Die Prüfung fürs erste Lehrjahr hat er daher vermasselt. Sein Chef hält trotzdem zu ihm. "Ich habe Glück, dass mein Chef mir so viel hilft", sagt Nabiullah, "aber wie lange muss er mir noch helfen?"
Elf Frauen und ein Mann
Der Anfang, sagt Basim Smail, war nicht ganz einfach. Elf Kolleginnen in einem Friseursalon bei Ingolstadt, die auf Bairisch auf den Azubi, den einzigen Mann im Laden, einredeten. Er sagte immer nur "Ja, okay", obwohl er nichts verstand. Inzwischen ist der 24-jährige Iraker im dritten Ausbildungsjahr und unterhält sich gerne mit Kunden und Kollegen. Eigentlich wäre alles bestens, müssten sie in Eva's Haarstudio nicht ständig fürchten, dass sie schon morgen zwei Mitarbeiter weniger sind. Denn neben Smail macht inzwischen noch ein anderer Flüchtling seine Ausbildung bei Eva Hoffmann. Gegen den negativen Asylbescheid hat Smail zwar Klage eingelegt. "Doch wird diese abgelehnt, kann es sein, dass er seine Ausbildung morgen abbrechen muss", sagt seine Chefin. Sogar an Bayerns Innenminister hat sie deshalb geschrieben. Doch eine Garantie, dass ihre beiden Azubis auf jeden Fall eine 3+2-Duldung erhalten, gebe ihr keiner, sagt Hoffmann. Sie ist nicht die Einzige, die fehlende Sicherheit beklagt. Auch Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, kritisiert die unterschiedliche Handhabung der 3+2-Regelung in den Bundesländern. "Die im Koalitionsvertrag vorgesehene bundeseinheitliche Anwendung der Regelung muss ohne Ausnahme gelten." Anders gesagt: Glück darf keine Rolle mehr spielen. Noch aber hängt für Smail viel von der Laune einzelner Sachbearbeiter ab. In den Briefkasten schaut er nur noch samstags. "Dann habe ich wenigstens nicht jeden Tag Angst."
Mal so, mal so
Sehr entscheidend ist bei diesem Glücksspiel auch, in welchem Landkreis ein Flüchtling wohnt. Diverse Innenministerielle Schreiben, sogenannte IMS des bayerischen Innenministeriums, haben offenbar nicht nur viele Helfer verwirrt. Auch von Landkreis zu Landkreis wird mal strenger, mal weniger streng entschieden. "Ich verstehe Sie ja", diesen Satz hört Petra Tech in letzter Zeit oft. Meist folgt darauf ein Aber: "Aber es gibt Gesetze, an die müssen wir uns halten." Tech ist ehrenamtliche Flüchtlingshelferin in Fürstenfeldbruck. Unter Anwälten und Helfern hat der Landkreis den Ruf, besonders streng bei der Vergabe von Arbeits- und Ausbildungserlaubnissen zu sein. "Davon, dass die Mitarbeiter des Landratsamts durchaus einen Ermessensspielraum haben, spüre ich nichts", sagt Tech. Priscillia Ovenseri zum Beispiel spricht nach drei Jahren sehr gut Deutsch. Das Geld für die Sprachkurse hat sie sich als Zimmermädchen verdient, als sie noch arbeiten durfte. Sie war überglücklich, als sie im Frühjahr einen Ausbildungsvertrag in einem Hotel unterschrieb. Doch ihr Asylantrag wurde abgelehnt, die Klage ebenfalls, eine neue Arbeitserlaubnis verweigert. "Ich mache alles, was man mir sagt, aber es hilft nichts", sagt Ovenseri verzweifelt. Sogar bei der nigerianischen Botschaft hat sie sich um einen Pass bemüht, wohl wissend, dass sie sich damit womöglich ihr eigenes Grab schaufelt. Denn nur wer einen Pass hat, kann abgeschoben werden. Aber ohne Pass keine Arbeitserlaubnis. Inzwischen ist Ovenseri schwanger und hofft, dass wenigstens ihr Mann Kevin bald wieder als Elektrohelfer arbeiten darf.
Zu spät
Im Juli 2015 ist Rolanda Lamnica, 28, nach Deutschland gekommen, weil die Behörden aber zu viel zu tun hatten, bekam sie erst zwei Jahre später einen Termin zur Anhörung wegen ihres Asylantrags. Das wurde ihr später zum Verhängnis. Lamnica hörte wieder fast ein Jahr nichts. In der Zwischenzeit kümmerte sie sich um ihren geistig stark eingeschränkten Bruder, mit dem sie aus Albanien nach Deutschland gekommen war, absolvierte mehrere Praktika in der Altenpflege. In Albanien hatte sie einen Bachelor in Hebammenwesen gemacht. Zwei deutsche Einrichtungen boten ihr einen Ausbildungsplatz zur Altenpflegerin an. Lamnica fing beim Caritasverband Düsseldorf an. Sieben Wochen später kam die Antwort vom Amt: Asylantrag abgelehnt. In der Zwischenzeit war Albanien zum sicheren Herkunftsland erklärt worden. "In den Beurteilungen für ihre Praktika hat Frau Lamnica überall ein 'sehr gut' bekommen", sagt Stephanie Agethen vom Caritasverband. Trotzdem musste er ihr, als der Bescheid kam, sofort kündigen. Eine Ausbildungsduldung kommt für sie nicht infrage, da sie dafür eine Beschäftigungserlaubnis bräuchte. Die bekommen Ausländer aus sicheren Herkunftsstaaten nicht, wenn sie ihren Asylantrag nach dem 31. August 2015 gestellt haben - wie Lamnica, die keine andere Wahl hatte. Der Caritasverband Düsseldorf versucht sich nun, mit den Behörden zu einigen, damit die junge Albanerin weiter dort arbeiten kann. "Unsere Auszubildende und Kollegin Rolanda ist kein Wirtschaftsflüchtling", schreibt die Caritas in einer Petition an das Land Nordrhein-Westfalen. "Deutschland braucht viele Rolandas!"
Pfleger gesucht
Als Timothy Oko-Oboh begann, in einem Altenheim zu arbeiten, machten sich manche seiner Freunde über ihn lustig. "Die haben gesagt, ich würde ja nur Kacka abputzen und alte Frauen waschen, ich soll mir einen richtigen Beruf suchen", erzählt der 19-jährige Nigerianer. "Aber ich will helfen. Und die alten Leute sind so lieb zu mir. Eine Oma hier behandelt mich wie ihren Sohn." Pfleger sei sein Traumjob. Deshalb hat er die einjährige Ausbildung zum Altenpflegehelfer gemacht. Jetzt will er die zum Altenpfleger draufsetzen, im September könnte er im Seniorenheim Haus Franziskus in Ochsenfurt anfangen, wo er jetzt schon arbeitet. Doch seine Arbeitserlaubnis gilt nur noch wenige Monate, weil Oko-Oboh abgeschoben werden soll. "Im Moment haben wir weit und breit keine anderen Bewerber", sagt Ute Krone vom Haus Franziskus. "Wir brauchen ihn - und die Bewohner brauchen ihn auch."
Geringe Aussicht auf Erfolg
Zwei Wochen lang wird Masoud Asefi noch hoffen, dass er doch noch anfangen darf, dass das ganze letzte Jahr nicht umsonst war. Zusammen mit sieben anderen Flüchtlingen hat er in Vilsbiburg eine Vorbereitungsklasse zum Pflegefachhelfer besucht, die extra für Flüchtlinge eingerichtet worden war. Der 27-Jährige hat viel dabei gelernt: "Wir mussten drei Sprachen auf einmal lernen: Deutsch, Medizinsprache und Bayerisch." Doch Pflegenotstand hin oder her, für die Ausbildung erhält der Afghane keine Arbeitserlaubnis. Weil seine Klage gegen den negativen Asylbescheid geringe Aussicht auf Erfolg habe, sprächen "allgemeine migrationspolitische Abwägungsgründe" gegen eine Erteilung, so die Zentrale Ausländerbehörde in Deggendorf. Was allerdings "gering" ist, ist Ansichtssache, denn etwa 40 Prozent der Afghanen gewinnen ihr Klageverfahren gegen den negativen Asylbescheid. Auch gegen die abgelehnte Ausbildungserlaubnis hat der Afghane deshalb geklagt. Dass beides bis zum Start des Ausbildungsjahres am 3. September entschieden ist, ist allerdings unwahrscheinlich. Für Masoud Asefi bedeutet das: ein weiteres Jahr Unsicherheit ohne eigenes Einkommen. Ein Jahr, in dem er vermutlich viel Medizinsprache vergessen wird.
Neues Land, neue Hoffnung
Elf Kilometer sind es, die vielleicht über das Leben von Basir Sediqi entscheiden. In Elchingen, Bayern, hatte der 24-jährige Afghane bereits einen Ausbildungsvertrag zum Hotelfachmann unterschrieben. Doch auch er erhielt keine Erlaubnis zur Ausbildung. Auch ihn suchte am 3. Juli die Polizei, um ihn abzuschieben. Vergeblich. Seine ganze Hoffnung setzt Sediqi jetzt auf das nahe gelegene Baden-Württemberg, darauf, dass die bayerischen Behörden seinem Umzug zustimmen, und sie seinen Fall auf der anderen Seite der Landesgrenze wohlwollender beurteilen. Ein Zimmer "drüben" haben ihm Helfer schon besorgt, auch eine neue Stelle hat er bereits. Im Hotel Klingenstein könnte Sediqi in zwei Wochen eine Ausbildung beginnen. "Wenn Behörden sich streng hinter Recht und Ordnung verschanzen, werden wir die derzeitigen Probleme nicht lösen", schreibt Michael Leibinger, der Chef, an den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Vielleicht sind es Briefe wie dieser, die Söder kürzlich dazu bewogen, anzukündigen, der Freistaat werde künftig "deutlich offener sein und alle Ermessensspielräume nutzen", um Asylbewerbern den Zugang zu Arbeit und Ausbildung zu erleichtern. Flüchtlingshelfer setzen auch große Hoffnung in das geplante Einwanderungsgesetz der Bundesregierung. Doch erste Eckpunkte dazu klammern das Thema Flüchtlinge weitgehend aus. Und der bayerische Innenminister lehnt es weiterhin ab, "abgelehnten Asylbewerbern den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern." Die Abschiebungen gehen indessen weiter. Erst vergangenen Dienstag hob wieder ein Flieger nach Afghanistan ab. An Bord waren laut Flüchtlingsrat auch Geflüchtete mit Ausbildung. Basir Sediqi aber hatte Glück. Wenige Stunden zuvor erhielt er die Nachricht: Er werde nicht abgeschoben - zumindest nicht mit diesem Flug.