Familie:Kleine Spieletester - Kinder entscheiden über Softwarepreis

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Frankfurt/Main (dpa) - Wenn virtuelle Superhelden über den Bildschirm flitzen, glänzen Kinderaugen. Aber welche Computerspiele können Eltern ihre Kleinen mit gutem Gewissen spielen lassen? Das will der "Tommi"-Softwarepreis beantworten - mit einer Jury aus Kindern.

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Frankfurt/Main (dpa) - Wenn virtuelle Superhelden über den Bildschirm flitzen, glänzen Kinderaugen. Aber welche Computerspiele können Eltern ihre Kleinen mit gutem Gewissen spielen lassen? Das will der „Tommi“-Softwarepreis beantworten - mit einer Jury aus Kindern.

Eigentlich spielt der elfjährige Viktor lieber Fußball an der Konsole, aber als Juror für den Kindersoftwarepreis „Tommi“ setzt er sich auch mal an den Baukasten. Was er baut, kann er fotografieren und am Computer in einen Comic verwandeln. „Ein bisschen viel Aufwand für so einen Comic“, urteilt der Sechstklässler, während er die Steine zusammensteckt.

Der Baukasten ist eines der nominierten Spiele für den „Tommi“ in der Kategorie Elektronisches Spielzeug. Seit 2002 zeichnet der „Tommi“ außerdem Apps, PC- und Konsolenspiele aus. Der Kindersoftware-Preis versteht sich als ein Wegweiser für Eltern. 30 Spiele nimmt eine Jury aus Journalisten und Medienpädagogen in die enge Wahl. Wer den Preis am Ende bekommt, entscheiden Kinder zwischen sechs und 13 Jahren.

Mehr als 3000 Kinder testen die Spiele in rund 20 deutschen Bibliotheken, wie die Herausgeber des Preises mitteilen. Es haben sich auch ganze Schulklassen beworben - wie Viktor und seine Kameraden aus der sechsten Klasse eines Frankfurter Gymnasiums. Der Preis wird auf der Frankfurter Buchmesse verliehen. Seit diesem Jahr gibt es auch einen Sonderpreis für Vorschule und Kindergarten.

„Der Markt für Kindersoftware ist im Umbruch“, sagt Jury-Vorsitzender Thomas Feibel. Software-Entwickler würden verstärkt auf Smartphones, Tablets und das Internet setzen. Dabei beobachtet der Medienexperte Trends, die er für bedenklich hält. So würden viele kostenlose Apps mit sogenannten In-App-Käufen versuchen, durch die Hintertür Geld zu verdienen. Dabei kann sich der Spieler für kleine Beträge Ausrüstung hinzukaufen, um schneller auf das nächste Level zu kommen. „Andere Spiele setzen Kinder unter Druck und schicken ihnen über den Tag verteilt Nachrichten wie: „Du wirst angegriffen“, erklärt Feibel. „Das Ergebnis: Das Spiel bestimmt, wann gespielt wird, und das Kind kommt nicht mehr zur Ruhe.“

Smartphones verändern die Spielewelt. „Ein Smartphone ist für Kinder oft die legitimierte Lizenz zum Spielen“, sagt der Jury-Vorsitzende. „Denn die Kinder sollen ja das Telefon immer dabei haben.“ Bereits 20 Prozent der Sechs- bis Siebenjährigen nutzen zumindest ab und zu ein Smartphone, bei den Zwölf- bis 13-Jährigen sind es 85 Prozent. Das geht aus der repräsentativen Studie „Kinder und Jugend 3.0“ hervor, die der Medien-Branchenverband Bitkom zusammen mit dem Marktforschungsinstitut Forsa Ende April in Berlin vorgestellt hat.

Damit Kinder nicht zu viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen, sind die Eltern gefragt. „Kinder müssen sich erst die Fähigkeit antrainieren, auf etwas Schönes zu verzichten“, sagt Medienpädagogin Kristin Langer. Sie arbeitet für die Initiative „Schau hin!“, die vom Bundesministerium für Familie unterstützt wird. Langer rät, Kinder bis fünf Jahre nicht länger als eine halbe Stunde am Tag an den Bildschirm zu lassen, egal ob Fernsehen, Konsole oder Computer. Für Kinder bis neun Jahren empfiehlt sie maximal eine Stunde. Ab zehn Jahren könnten Eltern die Zeit am Bildschirm gemeinsam mit den Kindern planen - und zwar etwa neun Stunden in der Woche.

Wenn es um Zeitlimits geht, sollten sich die Eltern eher mit den Kindern verabreden als Verbote auszusprechen. „Durch Verbote wird der Reiz größer“, sagt Medienpädagogin Langer. Außerdem sollten Eltern ab und zu gemeinsam mit den Kindern spielen. Dabei könnten sie herausfinden, was die Kleinen an den Spielen so sehr fasziniert.

Der elfjährige Viktor spielt gerne mit seinem Vater an der Konsole. Am Wochenende sitzt er auch mal mehrere Stunden vorm Bildschirm, erzählt er. Aber er sehe nicht gerne fern und lerne auch viel für die Schule. „Und ich weiß, wann ich genug habe. Wenn die Augen jucken, höre ich auf.“ Sein Klassenkamerad Daan (11) spielt nur nach den Hausaufgaben. Melissa (12) hat Spiele am liebsten, bei denen sie sich über das Internet mit ihren Freunden unterhalten kann.

Gute Kindersoftware holt Kinder aus der Konsumhaltung heraus und lässt sie selbst aktiv werden, wie Feibel erklärt. Das könnten Bücher und Filme nicht. „Kinder können in die Geschichten hineingehen und zum Beispiel durch den Weltraum fliegen oder Eisenbahnen bauen.“ Mit Simulationen lernen sie laut dem Medienexperten, dass alles, was sie machen, eine Konsequenz hat. „Spielen ist die Freiheit, sich ohne Druck zu entwickeln.“

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