Im Kinofilm "Good Bye, Lenin!" muss Daniel Brühl seiner kranken Filmmutter Katrin Saß rücksichtsvoll vorgaukeln, die DDR existiere noch. Während der Wiedervereinigung hat sie im Koma gelegen, nun will sie ihre geliebten Spreewaldgurken essen. Für Brühl ein Problem, denn die haben die Läden nicht mehr im Angebot. Was streng genommen etwas seltsam ist, gehört die Spreewälder Gurke doch zu den wenigen Produkten, bei denen es eigentlich nie nennenswerte Engpässe gab, weder vor, noch während, noch nach der DDR-Zeit.
Verständlicherweise benötigte das Drehbuch damals ein emblematisches Gericht, das sofort jeder Zuschauer mit der DDR in Verbindung bringen würde. Egal, dass die deutsche Küche eher regional als in Ost und West unterteilt ist; egal, dass schon Fontane von der Spreewälder schwärmte; egal, dass man nicht schwanger sein muss, um auch westdeutsche Gewürzgurken zu mögen. Ein bisschen Mythos tut immer gut, und von dem hat die Spreewälder Gurke von jeher glänzend zu leben verstanden.
Natürlich gilt sie als besonders saftig, ihr Geschmack soll vom humusreichen Boden, dem eisenhaltigen Wasser und dem feuchtwarmen Klima des Spreewaldes profitieren, und das Geheimnis ihrer Würzmischung hütet man so gut wie die Keuschheit einer jordanischen Königstochter. Am Ende aber bleibt eine Gewürzgurke eine Gewürzgurke - und die könnten sie in den Bäckerläden Berlins und Brandenburgs ruhig mal aus ihren belegten Brötchen nehmen, weil die wässrigen Scheiben den billigen Gouda aufweichen und das säuerliche Aroma jedes Sandwich auf das Heftigste durchzieht.
Jetzt im Herbst sollte man die Spreewälder ohnehin uneingelegt genießen und mit Speck, Zwiebeln, Tomaten und Brühe im Topf anschmoren. Abgeschmeckt mit Essig, Salz und Pfeffer sowie mit Dill und abgebräunten Streuseln mag man es Osteintopf nennen. Wer die Einheitsvariante bevorzugt, tut, wie etwa die Norddeutschen, Hack zu den Schmorgurken. Und mit Knoblauch und Weißwein wird die Spreewälder sogar mediterran.