William Shatner:Space Cowboy

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William Shatner mit der Blue-Origin-Mitarbeiterin Sarah Knights beim Inspizieren der Startrampe für den Weltraumflug. (Foto: Blue Origin/Reuters)

Jeff Bezos erfüllt sich einen Kindheitstraum und schießt Captain Kirk ins All.

Von Nicolas Freund

Es gibt Schauspieler, die sind einfach ihre Rolle, da gibt es nichts zu diskutieren. William Shatner ist Captain Kirk. Das hat er sogar einmal selbst zugegeben: Er habe damals in den Sechzigern, auf der Enterprise, einfach sich selbst gespielt, also eine Art Cowboy im Weltraum, einen, der gerne flirtet und sich mit anderen Männern prügelt, der weiß, wo es langgeht, weil er eben ein Mann ist. Alles das konnte er in der Serie ausleben. Wie man schauspielert, wisse er überhaupt erst seit 2015, erzählte Shatner einmal, wie zum Beweis der engen Verwandtschaft zwischen seiner Person mit der Rolle als Kirk.

Wenn der inzwischen 90 Jahre alte William Shatner nun am 12. Oktober ins All geschossen wird, kann man also durchaus schreiben: Captain Kirk fliegt ins All. Die Wirklichkeit holt die Fiktion ein. Mann und Rolle, Sein und Schein rücken noch ein wenig näher zusammen, auch wenn Shatner auf dem Flug ausnahmsweise nicht das Kommando haben wird. Der wird von Blue Origin veranstaltet, der Raketenbaufirma, die sich Amazon-Gründer Jeff Bezos als eine Art Hobby leistet. Und natürlich, um in dem kindischen Wettstreit mit Tesla-Gründer Elon Musk mitzuhalten, der neben Autos ja auch Raketen baut. Gerade erst hatte der Abenteurer und Unternehmer Richard Branson beide im Wettlauf der Superreichen in den Weltraum geschlagen. Mit dem Coup, Captain Kirk an Bord einer seiner Raketen zu haben, geht nun ziemlich eindeutig wieder Bezos in Führung. Wenigstens in der präpotenten Logik dieses Wettstreits.

Die "Final Frontier" des Western-Genres liegt schon länger im All

Da kann man die Symbolik eines Kirk im Weltraum gar nicht überinterpretieren. Bei "Star Trek" wurde im Vorspann ja auch immer etwas von der "Final Frontier" gefaselt, also der Fortsetzung der mobilen Grenze, die einst die amerikanischen Siedler auf ihrem Trek (noch ohne Star) über den amerikanischen Kontinent vor sich herschoben. Die dachten damals nicht nur, das brachte der US-Historiker Frederick Jackson Turner schon 1893 auf den Punkt, ihr Kolonisierungsauftrag sei gottgewollt, sondern auch die Besonderheiten des amerikanischen Volkes speisten sich aus einem ständigen Kampf mit der wilden Natur, die erst noch gezähmt werden muss. Damit dann dort irgendwann Rinder grasen, Autos fahren und Coffee-Shops eröffnen können. Das ist eine Selbstermächtigung, wie sie Branson, Musk und Bezos sicherlich irre gut gefällt. Denn letztlich stecken hinter den beinharten Geschäften dieser Männer zwar die Auto- und Weltraumwünsche kleiner Jungs, aber die inzwischen großen Jungs wissen ganz genau, dass diese Dialektik in beide Richtungen funktioniert, das eine nicht ohne das andere wahr werden kann. Wer stünde dafür besser als ein waschechter Weltraum-Cowboy?

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Bleibt also nur ein Makel an dem Flug: 2019 identifizierte der New Yorker in einem großen Porträt von Jeff Bezos nicht Captain Kirk als Vorbild des Unternehmers, sondern dessen Nachfolger im Kommandostuhl der Enterprise, Jean-Luc Picard, gespielt von Patrick Stewart. Denn von dem stamme die "Star Trek"-Uniform, die in Bezos Kleiderschrank hängt. Man muss dazu wissen: Picard ist ein besonnener Intellektueller, so ziemlich das genaue Gegenteil von Kirk. Gehen wir für den Moment davon aus, dass Stewart gefragt wurde und sich einfach zu gut war für diesen Flug.

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