Griechischer Wein ist so wie das Blut der Erde, Komm', schenk dir ein und wenn ich dann traurig werde, liegt es daran, dass ich immer träume von daheim; Du musst verzeih'n.
Zu diesen Textzeilen schunkelt Deutschland bereits seit vierzig Jahren. Keine Geburtstagsfeier, kein Oktoberfestbesuch kommt ohne aus. Mit Songs wie "Griechischer Wein" oder "17 Jahr, blondes Haar" wurde Udo Jürgens einem Massenpublikum bekannt. Aber diese Songs sind es auch, die Jürgens den Stempel "Schlagersänger" aufdrückten. In der Schlagerwelt herrscht nach dem Tod des Entertainers große Leere.
Zum Tod von Udo Jürgens:Größer als die Wahrheit
Er sang über unsere Sorgen und Hoffnungen, weil er sie teilte. Udo Jürgens ist im Alter von 80 Jahren gestorben. Seine Lieder waren, sind und bleiben: wahr.
Zwar floriert der deutsche Schlager wie selten zuvor. Kaum eine Fernsehshow, in der Helene Fischer nicht auftritt - vom Weltmeister-Empfang am Brandenburger Tor bis hin zum nächsten Tatort mit Til Schweiger - und Andrea Berg füllt seit Jahren die größten Konzerthallen des Landes. Kein Zweifel: Deutschland ist ein Schlagerland . Aber an einen Udo Jürgens können die Fischers und Bergs nicht heranreichen. Einige Unterschiede:
- Hauptsache, heile Welt
In Schlagertexten geht es von Andrea Berg bis Semino Rossi um das eigene, persönliche Glück. Die Sänger trällern von Liebe, Leiden und versteckten Sehnsüchten, und das alles möglichst kitschig. Udo Jürgens sang "über unsere Sorgen und Hoffnungen, weil er sie teilte", heißt es im SZ-Nachruf. Von Sorgen und Nöten ist - wenn man eine verpasste Liebe ausklammert - in aktuellen Schlagersongs sonst wenig zu hören.
- Mainstream
Wer sich durch die Schlagerwelt hört, merkt, dass die Songs alle ziemlich ähnlich gestrickt sind. Mit Beats und schnellen Rhythmen machen die Künstler eher auf Pop-Einerlei; nach Balladen sucht man lange. Eingängige Melodien sollen Millionen begeistern, die einen möglichst einfachen, gut gereimten Refrain mitgrölen können. "Ich schließe meine Augen, lösche jedes Tabu. Küsse auf der Haut, so wie ein Liebes-Tattoo, oho, oho", heißt es bei Helene Fischer; Andrea Berg schmettert "Ich schieß dich auf den Mond und unsre Träume hinterher. Gib mir mein Herz zurück, da oben brauchst du ja nicht mehr." Wer will, darf dazu tanzen.
- Große Show
Von einem leisen Auftritt, wie Udo Jürgens ihn zelebrierte, sind Schlagerkonzerte inzwischen weit entfernt. Nebelmaschine, Pyrotechnik, aufwändiges Bühnenbild: Helene Fischer schwebt an einem Seil von der Bühnendecke mitten in ihre Background-Tänzer; Andrea Berg zwängt sich ins knallenge Lackmieder. Mehr ist mehr, lautet offensichtlich das Motto. Udo Jürgens reichten an Bühnen-Accessoires der weiße Bademantel und die Tasse Kamillentee, seinen großen Auftritt hatte er trotzdem.
- Bloß nicht anecken
Udo Jürgens sagte einmal, der Beruf des Unterhalters habe auch mit Haltung zu tun. Und die durchdringt viele seiner Lieder. In "Ein ehrenwertes Haus" prangerte Jürgens die spießbürgerliche Doppelmoral an, in "Lieb Vaterland" kritisierte er 1971 die politischen Missstände im Land und löste damit heftige Diskussionen aus. Allzu viel Haltung oder gar Kritik gibt es in den aktuellen Schlagerhits wenig - wie auch, wenn es vorwiegend um Herzschmerz geht?
- Allroundtalent
In einem Interview sagte Udo Jürgens einmal über seine verschiedenen Berufsbezeichnungen, er sehe sich am liebsten als Komponist. Denn nur mit seiner Stimme gut umgehen zu können, sei noch keine große Kunst. Und tatsächlich war Jürgens ein Allroundtalent. Komponist, Musiker, Entertainer - und einer, der nie versuchte, sich zu verbiegen. Von "Merci, chérie" bis zu seinem aktuellen Single "Mitten im Leben":
Zum Tod von Udo Jürgens:Abschied vom Gentleman-Schlagersänger
Als "Gemischtwarensänger" wurde er tituliert, als "Moralist am Klavier", als "amtlicher Querschnitt durchs bundesdeutsche Musik-Gemüt". Nun ist Sänger und Entertainer Udo Jürgens im Alter von 80 Jahren gestorben. Ein Presse-Rückblick.
Und jedes Scheitern bringt dich voran. Du kämpfst in der Krise, erfindest dich neu. Und am Ende fängst von vorne du an, und bleibst nur dir selber treu.
Jürgens hört sich stets nach Jürgens an und er fand für jede Zeit die richtigen Worte. Wem das heute gelingt, nennt sich wie Philipp Poisel oder Tim Bendzko Singer/Songwriter und ist von kitschigen Schlagertexten weit entfernt.
Ist dem deutschen Schlager mit Jürgens also der letzte Rest Tiefgang abhanden gekommen? Mag sein, dass politische Statements nicht mehr dem Zeitgeist entsprechen und die Menschen angesichts der vielen Krisen in der Welt lieber alle Probleme vergessen wollen. Stattdessen: Humptata. Vielleicht tut man Udo Jürgens also unrecht, wenn man ihn einen Schlagersänger nennt. Er war doch viel mehr.