TV-Kritik: ZDF Spendengala:Und am Ende kommt Claus Kleber

Lesezeit: 2 min

Wenn sie schon nichts zu essen haben in Haiti, dann sollen wenigstens die Teller aus Porzellan sein. Eine TV-Kritik zur ZDF-Spendengala.

Willi Winkler

Pat Robertson, als Mann Gottes näher dran am unerforschlichen Ratschluss weiter oben, hatte die Nachricht exklusiv: "Haiti ist verflucht." Die Haitianer, so verkündete der Prediger ungerührt in einem der vielen amerikanischen Bibel-Sender, hätten einst einen "Pakt mit dem Teufel" geschlossen, um von Frankreich loszukommen. Unter Napoleon bekamen sie die Unabhängigkeit. Jetzt, gut zweihundert Jahre später, sei Zahltag.

Der Großunterhalter Thomas Gottschalk, mit Nadelstreifen um äußerste Seriosität bemüht, und der Nachrichtenmann Steffen Seibert führten durch das Programm der karitativen Gala. (Foto: Foto: ddp)

Haiti ist ein fernes Land. Die Menschen dort sind bettelarm, und das Erdbeben der vergangenen Woche hat sie beinah um alles gebracht. Andererseits ist Haiti so nah, dass das Elend der Erdbebenopfer noch den verstocktesten Fernsehhocker ergreift. Deshalb sammelte Dienstagabend auch das ZDF für Haiti.

Nach amerikanischem Beispiel saßen zu diesem Zwecke A- bis C-Prominente am Telefon und nahmen Kleinspenden entgegen. Auf einer roten Bühne traten Marius Müller-Westernhagen, Sarah Connor, Peter Maffay und Chris de Burgh auf. Der Großunterhalter Thomas Gottschalk, mit Nadelstreifen um äußerste Seriosität bemüht, und der Nachrichtenmann Steffen Seibert ( heute) führten durch das Programm der karitativen Gala, fragten den Pegelstand der Spenden ab und ließen TV-ungeübte Firmenchefs großzügige Spenden überreichen.

In der durchdemokratisierten Gesellschaft wird der alte aristokratische Grundsatz "Tue Gutes und rede nicht darüber" ins Gegenteil verkehrt. Wer wollte es also Firmen oder werksnahen Fußballvereinen verübeln, wenn sie zwischen den üblichen Geschäften vor aller Augen auf ihr gutes Herz zeigten? Die auch anderweitig als Spender bekannt gewordene Firma Siemens gab großzügig, ebenso wie die für ihre Arbeitsbedingungen legendäre Firma Lidl.

In frömmeren Zeiten, an die der Fundamentalist Robertson unfreiwillig erinnerte, hieß so etwas Ablass. Einem der Großspender gelang es, seine Gabe mit handgezählten sieben Erwähnungen seiner Firma zu überreichen, und auch Gottschalk musste seinen wichtigsten Sponsor wieder einmal ins Gespräch bringen.

Besonders apart die "Sachspende" im Wert von 200.000 Euro der guten deutschen Firma Villeroy & Boch: Wenn sie schon nichts zu essen haben in Haiti, dann sollen wenigstens die Teller aus Porzellan sein. Fehlten einfach nur Horst Seehofer und Guido Westerwelle, die mit 820.000 respektive 1,1 Millionen Euro ihr Gewissen entlastet hätten.

Das, was der Erfahrungspsychologe Karl Philipp Moritz schon vor gut zweihundert Jahren als joy of grief diagnostiziert hatte, half schließlich auch, die ungeheure Summe von 17.859.462 Euro zu erbringen. "Am Ende der Sendung war die Welt ein bisschen besser", hieß es am Mittwoch auf bild.de. Doch am Ende der Sendung kam nur die nächste Sendung, kam Claus Kleber mit dem heute-journal und berichtete von den Plünderungen in Port-au-Prince und dass bereits massenweise Kinder in die USA und Frankreich und auf den Adoptionsschwarzmarkt ausgeschleust werden. Die Erde bebte in Haiti an diesem Mittwoch erneut, sie wird nicht mehr besser, als sie ist. Ein Fall für Pastor Robertson.

Leitung kostet

Das liest sich gut. Beim ZDF, so wurde an diesem Mittwoch vermeldet, sei Dienstagabend die Spenden-Hotline für die Haiti-Hilfe überlastet gewesen. Wer geben wollte für die notleidenden Menschen auf der Karibikinsel, musste ja anrufen in der Show. Beinahe 350.000 riefen an, beinahe 18 Millionen Euro sammelte das ZDF in Kooperation mit der Bild -Zeitung.

Die Frage stellte sich - wie schon am vergangenen Sonntagabend, als die ARD bei Anne Will für Haiti Geld eintrieb (1,2 Millionen Euro; die Mediengruppe RTL Deutschland brachte bisher 1,3 Millionen über eine Stiftung bei ): An wen zahlten die Geber jeweils sechs Cent, die bei jedem Telefonat aus dem deutschen Festnetz anfielen (aus den mobilen Netzen waren die Anrufe noch teurer)? Natürlich an die Telekom.

Die Nutzung der Leitungen stellt das in Bonn ansässige Telekommunikationsunternehmen offenbar immer in Rechnung. Auch bei entsprechenden TV-Aktionen nach dem Tsunami 2004 oder für die Welthungerhilfe kassierte es die Verbindungsrate - um seine Bereitstellungskosten zu decken. Kostenfreie Leitungen ermöglicht die Telekom in Ausnahmefällen, zum Beispiel der Telefonseelsorge. Außerdem trete sie immer wieder als Spender auf, heißt es.

© SZ vom 21.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: