TV-Kritik: Beckmann:Welpe Westerwelle

Lesezeit: 3 min

Außenminister Westerwelle staunt über sein neues Amt und bemüht sich wieder einmal um ein neues Image. Diesmal: der nette Weltpolitiker von nebenan. Eine kleine Nachtkritik.

Christina Maria Berr

Da saß er wieder, der frisch gekürte Außenminister. Gerade mal knapp zwei Wochen im Amt, und schon packte Guido Westerwelle wieder eine alte Leidenschaft: Talkshows besuchen. Hier fühlt er sich wohl, hier kennt er sich aus. Sabine Christiansen, Maybrit Illner - so manches Mal führte er die Hitliste der häufigsten Talkshowgäste an. Auch bei Reinhold Beckmann war er schon sieben Mal. Doch dieses achte Mal ist ein Novum, ein Abend ohne weitere Gäste, ein Solo für den Außenminister und Vizekanzler.

Mit ihr versteht sich der neue Außenminister besonders gut: Guido Westerwelle nennt das Verhältnis zu Hillary Clinton "herzlich". (Foto: Foto: dpa)

"Warum sind Sie ein guter Außenminister?", will Moderator Beckmann wissen. Westerwelle mit violetter Krawatte, die Hände pennälerhaft verschränkt auf der Tischplatte abgelegt, spricht von Friedenspolitik, von Verantwortung und Ehre und davon, dass er die kleinen Mitgliedsstaaten der EU besuchen will. Ernst ist er da, unterstreicht seine Sätze mit bedeutsamer Mimik. Den Kopf leicht vorgeneigt, Stirn und Augenbrauen nach oben gezogen, der Blick geht nach oben.

Ganz Chef, ganz Diplomat

"Es geht gut los", sagt Westerwelle über sein neues Terrain und das ist auch so etwas wie sein Leitmotiv für diesen TV-Abend. Nett sein, souverän sein, Chefdiplomat sein.

Viel Kritisches ist in den ersten Tagen seiner Amtszeit gesagt, seine Kompetenz angezweifelt worden. Nun soll die Mission Beckmann den Chefdiplomaten in Westerwelle hervorkehren, den Mann mit dem Fingerspitzengefühl fürs internationale Parkett. Und so spricht er gleich Afghanistan an, das er noch in diesem Jahr besuchen will.

"Spricht jetzt der Außenminister?"

Die Wiederwahl des Präsidenten Hamid Karsai beschreibt er - diplomatisch-außenpolitisch - als "unglücklich" und lässt sich auf keinen konkreten Termin für einen möglichen Abzug der Bundeswehr festlegen.

Dann lobt er US-Kollegin Hillary Clinton und verteidigt die US-Regierung, sie habe von den Entwicklungen bei General Motors hinsichtlich Opel sicher nichts gewusst. Geradezu "herzlich" sei ihr erstes Gespräch verlaufen - und obwohl beide vor dem Termin ganz viel reisen mussten, hätten sie sich anderthalb Stunden unterhalten, schwärmt Westerwelle.

"Spricht jetzt der Außenminister?", fragt Beckmann bei so viel diplomatischen Sprachschlängeleien. Und Westerwelle, fasziniert von seinem neuen Amt, greift das Stichwort begeistert auf.

Mit großen Augen erzählt er immer wieder von seinen ersten Amtstagen, von seinen Reisen nach Paris und Washington, von seiner Aufgeregtheit: "Ich will nicht verschweigen, dass das für mich eine ganz große Freude in meinen Leben war." Der Welpe in der großen weiten Welt - so hat ihn ein Kommentator beschrieben. Westerwelle hat offenbar Gefallen an diesem Bild gefunden, an dem leicht Naiv-Unterschätzenden.

Freude an der Strebsamkeit

Da ist auch Beckmann in seinem Element und fragt noch schnell die jüngsten Westerwelle-Klischees ab. Wegen seiner sexuellen Orientierung rechnet der Außenminister nicht mit Problemen - er habe schon als FDP-Chef viele islamisch geprägte Länder bereist. "Wir dürfen uns unsere Liberalität nicht verbieten lassen", sagt der 47-Jährige. In vielen Ländern spielten Frauen keine Rolle in der Politik - dies halte die Deutschen nicht davon ab, eine Kanzlerin zu wählen.

FDP: Guido Westerwelle
:Der Mann, der Merkel "Mutti" nannte

Guido Westerwelle hatte jedes wichtige FDP-Parteiamt inne, das man bekleiden kann - in der neuen Regierung übernahm er nun das Amt des Außenministers. Eine Bildergalerie.

In einer Frage blieb Westerwelle trotz diplomatischer Floskeln hart: Die Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach soll keinen Platz im Stiftungsrat der Bundesstiftung "Flucht-Vertreibung-Versöhnung" erhalten. Westerwelle erinnerte daran, dass die CDU-Politikerin 1990 gegen die Anerkennung der deutsch-polnischen Grenze gestimmt habe. Es sei "wenig verwunderlich", dass dies in Polen für Misstrauen sorge. Wenn es um das Interesse des Landes und die Beziehungen zum Nachbarland gehe, müssten persönliche Interessen zurückstehen.

Ansonsten bleibt Westerwelle entspannt. Seine mangelnden Englischkenntnisse und die Witze darüber ("Das macht mir Spaß"), seine Strebsamkeit ("Das mit dem strebsam, ja das stimmt doch") und seine Zeit als Spaßpolitiker - da kann er nur lachen.

Nur einmal entfährt ihm ein erschrecktes "Oje": Beckmann hat Westerwelles ehemaligen Deutschlehrer aufgetrieben. Ob dessen Aussage in das neue Bild des gefühlvollen, staunenden Politikers passt, der gerne von den Tränen erzählt, die ihm beim Anblick der Bilder vom Mauerfall gekommen sind?

Als Schüler ein Spaßvogel

Der Deutschlehrer sieht Parallelen zwischen dem Schüler Westerwelle und dem Spaßpolitiker Westerwelle, der mit einer "18" auf der Schuhsohle herum gelaufen ist. Dass der FDP-Parteichef einmal ein ernsthafter Diplomat werden würde, sei damals nicht zu erkennen gewesen.

Auch zu Schulzeiten habe es unter den Schülern stets zwei Lager gegeben, erzählt der Lehrer - pro und contra Westerwelle. Na, wenn das alles ist. Beckmann, nach acht Talkrunden mit Guido in all den Jahren schon sehr vertraut und welpennett, hätte vielleicht noch ganz andere Lehrer auftun können. Den Englischlehrer zum Beispiel.

© sueddeutsche.de/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: