Im Exil bleiben oder zurückgehen? Diese Frage trieb Atalay tagelang um. Sein Haus wurde durchsucht, später wurde ein Haftbefehl erlassen. Viele Kollegen drängten ihn, nicht zurückzugehen. Sie erinnerten daran, dass es in der heutigen Türkei keinen Schutz mehr durch das Recht gebe, und dass man von der Regierung kein rationales Handeln erwarten kann. Er würde sicherlich verhaftet werden, und niemand könnte sagen, für wie lange.
Schließlich entschied Atalay sich, zurückzukehren. In einem langen Brief, der von Cumhuriyet veröffentlicht wurde, begründete er seine Entscheidung. Er kehrt zurück, um den abscheulichen Anschuldigungen gegen seine Mitarbeiter und Kollegen entgegenzutreten. Er fügte hinzu, dass er keine Fragen der Staatsanwaltschaft beantworten werde. Diese würde nämlich versuchen, die redaktionellen Entscheidungen der Zeitung zu kriminalisieren.
"Ich werde am 11. November 2016 um zwölf Uhr mittags in Istanbul gelandet sein", schrieb er. "Wir werden sehen, was als Nächstes passieren wird." Das ist der heutige Freitag, an dem dieser Text erscheint. Alles, was wir tun konnten, war, ihm Glück zu wünschen. "Das wird schon", sagten wir. Aber wir hatten keine Ahnung, ob das stimmt. Wir wussten nur, dass er sich höchstwahrscheinlich zu den anderen Journalisten im Gefängnis hinzugesellen wird. Es sind jetzt fast 150.
Es sind extrem schwierige Zeiten für den Kern der kühnen türkischen Freiheitskämpfer in einem heftigen, asymmetrischen Kampf für die freie Welt und für den Schutz ehrbarer Berufe in den Medien, an der Universität und in der Justiz. Wir können uns die Qual, die Trumps Wahlsieg über sie brachte, nur vorstellen. Sie wissen besser als die meisten anderen, wie ermutigt autoritäre Figuren wie Erdoğan sich von nun an fühlen werden.
Wichtig ist die Aussage von Michael Roth (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, dass Deutschland den Dissidenten aus der Türkei die Türen öffnen und Asyl gewähren wird. Und es wird andere EU-Mitgliedsstaaten ermutigen, diesem Beispiel zu folgen. Erdoğan kündigte bereits an, dass er sogenannten Terroristen im Ausland die türkische Staatsbürgerschaft entziehen wird. Das Gleiche tat bereits das Militärregime in den Achtzigerjahren. Exil bleibt ein hässlicher Teil der holprigen türkischen Geschichte.
Ich schlug kürzlich bei einer Medienkonferenz in Leipzig vor, dass europäische Städte, welche auch immer, sich engagieren könnten, indem sie verhaftete türkische Journalisten zu Ehrenbürgern erklärten. Die Stadt X wählt den Journalisten X, die Stadt Y wählt den Journalisten Y. Das würde dazu führen, dass die lokalen Medien über die Einzelfälle verhafteter Journalisten berichteten und ein breiteres Bewusstsein für die einzelnen Miseren geschaffen würde. Eine solche bürgerschaftliche Initiative, die von Städten aus Nord- und Süd-, West- und Osteuropa ausgeht, würde den verhafteten türkischen Freiheitskämpfern ein Signal senden, das sie nicht alleingelassen werden. Der Vorschlag wurde positiv aufgenommen. Aus dem in Leipzig sitzenden European Centre for Press and Media Freedom hieß es, sie würden alle Möglichkeiten prüfen, wie die Idee zu realisieren wäre.
Sicherlich war es ein guter Anfang, dass die Pariser Stadtverwaltung meinem Kollegen Can Dündar vor einigen Tagen die Ehrenbürgerschaft angeboten hat. Möge dies der Beginn eines neuen kollektiven Schritts sein, die Demokratie wieder in unseren Besitz zu nehmen, über Grenzen hinaus. Es ist, wie Eco in seinem prophetischen, zwanzig Jahren alten Essay schrieb: "Freiheit und Befreiung sind unabschließbare Aufgaben."