Taylor Swift in Deutschland:Ungekrönte Königin von Köln

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Paillettenblazer, Gerte, roter Lippenstift - fertig ist (ein) Bühnenoutfit. Taylor Swift trägt es für eine Nachwuchs-Dominatrix schon ganz überzeugend. (Foto: Getty Images for TAS)

Taylor Swift kann auch Domina. Ihre Tänzer werden degradiert zu Spielzeugen dieser Frau, die weiß, was sie will. An diesem Abend: Deutschland, nein Europa erobern! Es gelingt - im Zweifelsfall mit einem Katzenvideo.

Von Hans Hoff, Köln

Die Frau lässt sich Zeit. Es scheint, als wolle sie die Bühne gar nicht mehr verlassen. Noch ein Song. Und noch einer. Als nach gut 140 Showminuten bei "Shake It Off" die Kölner Lanxess Arena von oben mit Flitter und Glitter geflutet wird, steht der Titelzähler bei 18 und Taylor Swift am Ende eines endlos langen Catwalks quasi mitten im Publikum. Sie deutet einen Knicks an, dann schüttelt sie ihre Oberweite und stakst betont langsam zurück zur Bühne.

Sie strotzt vor Selbstbewusstsein. Sie weiß, sie ist an diesem Freitag in Europa angekommen mit ihrer "1989"-Tour. Die gleich zweimal ausverkaufte Riesenhalle erlebt nicht weniger als einen Triumph der 25-jährigen Grammy-Gewinnerin. Die Botschaft ist deutlich: Sie ist da. Und sie wird so schnell nicht mehr weggehen.

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Schon der Beginn ist nicht viel weniger als eine showtechnische Regierungserklärung. Als die ersten Takte von "Welcome to New York" mit der Wucht eines startenden Düsenjägers durch die Halle donnern, schält sich der Star des Abends aus einer Gruppe von zwölf gleißend weiß gewandeten Tänzern. Ja, sie ist groß. Ja, sie hat lange Beine, und ja, sie weiß, was sie ihren Swifties schuldig ist.

Es rummst aus allen Rohren

Mehrfach noch wird sie an diesem Abend betonen, wie glücklich sie sei, dass gleich 15 000 einen Abend mit ihr verbringen wollten, und dass weitere 15 000 Swifties Karten für die ausverkaufte Show am Samstag erworben haben. Die Antwort ist ein Kreischkonzert aus überwiegend weiblichen Kehlen. Nimmt man diesen Klang zum Maßstab, dürfte das Durchschnittsalter in der Halle bei maximal 14 Jahren liegen. Taylor Swift hat zum Mädelsabend geladen, und alle sind gekommen. Sogar Lena Dunham, Cara Delevingne und Selena Gomez, die als optische Konserve von der Videowand grüßen und berichten, was für eine großartige Freundin Taylor so sei und wie prima man mit der abhängen könne.

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Mit abhängen hat es Swift aber nicht so an diesem Abend. Sie ist als Kämpferin angetreten und ihre Mission lautet Eroberung. Sie hat etwas zu beweisen. Sie will das Klischee zerstören, dass sie doch nur über Boys und Break-ups singen könne, dass die meisten ihrer Lieder irgendwie ähnlich klingen und ein bisschen wie aus dem rosa Plastikbad gezogen. Sie will zeigen, dass da mehr ist. Und sie schafft es.

Es rummst aus allen Rohren. Swift setzt auf Wucht, nicht aufs Filigrane. Zwar wirkt der hallende Sound ein bisschen sehr kathedralig, aber das gleichen die fünf auf der Bühne platzierten Musikerdarsteller rasch aus. Sie sind in Wahrheit keine Musiker, sie sind Heizer, und sie halten diese Swift-Maschine unter Dampf. Es dröhnt und es bullert, aber genau das macht den Unterschied zur Retortenmusik auf Platte aus. This is the real thing. This is the show.

Einmal so selbstbewusst sein wie Taylor Swift

Das Ergebnis ist brillanter Barbiepop, der wie eine Walze über die Zuschauer fegt. Kaum ist ein Song zu Ende gegangen und Swift im Bühnenboden verschwunden, da kehrt sie auch schon wieder zurück. Neues Kostüm, neuer Song, neue Energie. Es knallt und es kracht, und mittendrin agiert eine, die sich als Benutzeroberfläche anbietet für alle Mädchen, die davon träumen, dieser unwirtlichen Welt einmal mit demselben Selbstbewusstsein entgegentreten zu können wie das ehemalige Countrygirl. Die kann schmalzen, aber wenn man ihre eine E-Gitarre umhängt, kann sie auch rocken. So wie bei "Bad Blood", wo alles nach schwarzem Leder riecht.

Ja, sie kann auch Domina. Ihre Tänzer müssen sich ihr unterwerfen, sie werden degradiert zu Spielzeugen dieser Frau, die weiß, was sie will, die bei der Inszenierung dieser Show nichts dem Zufall überlassen hat. Wenn ihr Stimmchen dünn zu wirken droht, wird es halt eingebettet in die Vokalarbeit ihrer vier hervorragenden Backgroundsängerinnen.

Immer wenn man denkt, das war es jetzt aber, blitzt von irgendwoher ein neuer Effekt auf. Mittendrin erhebt sich der Catwalk in die Luft, und auf einmal singt Swift von oben herab. Sie schwebt dann mitten in einem Meer aus blau, grün, weiß oder rot blinkenden Lichtern. Die Zuschauer wurden vorab mit blinkenden Armbändchen ausgestattet und dienen nun als fernbediente Lämpchenträger. Das ergibt eine atemberaubende Kulisse, die auch die Frage in den Hintergrund treten lässt, ob mit den Plastikbändchen nicht jede Menge unnötiger Elektroschrott produziert wird. und ob es nicht bedenklich ist, wenn Konzertbesucher derart fremdgesteuert werden.

Volle Kraft voraus im Lichtermeer: Taylor Swift illuminiert die Lanxessarena. (Foto: Getty Images for TAS)

Aber bevor solche Argumente ihren Weg ins Bewusstsein finden, schaltet Swift um auf Predigt. Da schwebt sie dann hoch oben in der Luft und erzählt etwas von Freundschaft und von dem Gefühl, dass auch in schweren Zeiten nur der Moment zählt. Sie spielt die große Schwester, und sie macht das richtig gut.

Dann entkräftet sie noch das Argument mit den fernbedienten Zuschauern als Lämpchenträgern, indem sie selbst in einem Leuchtkleid auf die Bühne kommt und sich in allen Bonbonfarben illuminieren lässt. Swift quietschbunt wie ein Sonderangebot von Toys "R" Us. Alles nur ein Spiel, signalisiert sie.

"Sie ist die Schutzheilige der Katzen"

Dieses Wir-sind-ja-unter-uns-Gefühl verstärkt sie noch, als sie nach gut zwei Stunden auf der Videowand mit ihren Lieblingskatzen erscheint. Ja, Katzenvideos haben noch gefehlt. Die braucht es, um auch das letzte, vielleicht noch nicht ganz geöffnete Mädchenherz zu erweichen. "Sie ist die Schutzheilige der Katzen", darf Lena Dunham noch über ihre Freundin sagen, die ihre Lieblinge als Olivia und Meredith vorstellt.

"No cats were harmed in the making of this tour", heißt es danach auf der Videowand, ergänzt mit einem netten Pointennachsatz: "Only one Popstar." Der Popstar ist natürlich Taylor Swift, die an diesem Abend als ungekrönte Königin von Köln regiert. Mögen auf der anderen Rheinseite AC/DC gerade für 80 000 Open-Air-Fans rocken, das zählt hier nicht.

Der Bauch ist frei, der Nabel bedeckt: Nach diesem Credo ist die Garderobe der Taylor Swift geschneidert. (Foto: Getty Images for TAS)

Für "Shake It Off" geht Swift mit ihrem tanzenden Dutzend noch einmal auf den Catwalk, noch einmal in die Luft. Hoch oben über den Fans wirkt das, als tanze sie auf einem schwebenden Bügelbrett. Natürlich ordentlich gesichert mit einem Gurt um den Bauch. Der Bauch ist fast den ganzen Abend zu sehen. Verdeckt bleibt aber stets der Bauchnabel. Natürlich. Sie will sich ja nicht nackt zeigen. Sie will nicht wirklich unanständig sein.

Sex and the City in der Schulhofversion

Die Welt der Taylor Swift ist eine saubere. Sie weiß zwar, wie man sich verrucht gibt, aber am Ende präsentiert sie sich als eierlegende Wollmilchsau, als die perfekte Haus- und Businessfrau, die ihren Bonbonladen schmeißt, die aber vor allem ihre konservativen Werte hochhält. Ein bisschen wirkt das wie Sex and The City in der Schulhofversion. Betreutes Aufbegehren sozusagen.

Niemand dirigiert das besser als Taylor Swift. Sie setzt auf Vollbedienung. Nach der Show lässt sie noch bis tief in die Nacht Fotos mit ausgewählten Fans in die Welt twittern. Aber auch alle anderen haben etwas von dieser Europapremiere. Ihnen klingeln vom wuchtigen Sound noch lange die Ohren. Man war da, heißt das. Man war ein Swiftie. Ob man das bleiben möchte, muss jeder selbst entscheiden.

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