"Suburbicon" im Kino:Rassismus aus der Veranda-Perspektive

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Etwas stinkt hier gewaltig: Matt Damon und Julianne Moore sind in "Suburbicon" in ein Film-Noir-Komplott verstrickt. (Foto: Concorde)

In "Suburbicon" erzählt George Clooney von der Verlogenheit der weißen Mittelschicht im Amerika der Fünfzigerjahre. Leider bleiben seine afroamerikanischen Figuren darin Statisten.

Von Philipp Bovermann

Etwas ist faul an diesem Film. Und zwar noch grundsätzlicher faul als der Generalverdacht, der viele Filme durchzieht, in denen die amerikanische Vorstadtkultur seziert wird. Der Schmutz im Keller der makellosen Reihenhäuser mit den freundlich grüßenden Nachbarn wurde schon so häufig ans Tageslicht gezerrt, dass sich daraus fast ein eigenes Genre ergeben hat, ein festes Set an Kulissen und Themen, wie beim Western.

George Clooney, der Regisseur, beginnt "Suburbicon" mit einer Art Betriebsanleitung für kommende Filmemacher, die auch so einen Vorstadt-Film drehen wollen. Ein Werbevideo für die titelgebende fiktive Kleinstadt führt uns in deren Welt ein. Dort stehen Daddys in karierten Hemden auf ihren Vorgärten herum und freuen sich grinsend ihres beschaulichen Lebens. Der Postbote läutet munter die Klingel seines Fahrrads, der Sprecher im Off schwadroniert von dem Glück, das amerikanische Familien hier gefunden haben - und das natürlich viel zu schön ist, um wahr zu sein. Die Vorstadt wird zum Symbol einer bevorstehenden Bedrohung, zu einer präapokalyptischen Landschaft, in der fast identisch gekleidete Zombies Rasen mähen, Kellogg's essen und ihre riesigen, glänzenden Town Cars waschen.

Als eine afroamerikanische Familie einzieht, gefriert dem Postboten sein Dienstlächeln

Schon bald lässt sich die Quelle dieses Gefühls konkret benennen. In Suburbicon gibt es nämlich anscheinend ausschließlich Weiße. Als aber die Mayers, eine afroamerikanische Familie, in eines der Reihenhäuser ziehen, gefriert dem Postboten sein Dienstlächeln. Eine Versammlung wird einberufen, auf der Menschen auf ihrem Recht beharren, wählen zu können, mit wem sie Tür an Tür leben, es sei schließlich ein freies Land. Eine Belagerung beginnt vor dem Haus der Mayers. Sie werden mit Musik und Sprechchören beschallt, irgendwann fliegen die ersten Steine.

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Bizarrerweise ist das aber eigentlich gar nicht das Thema des Films. Denn die Bedrohung kommt in Vorstadt-Filmen fast immer von innen, nicht von außen. Also startet im Nachbarhaus ein zweiter Handlungsfaden. Dort wohnen die Gardners, nach den rassistischen Maßstäben der Fünfzigerjahre sind sie ganz normale Amerikaner, mit anderen Worten - sie sind weiß. Wo die Musik spielen wird, merken wir schon an der Besetzung. Matt Damon und Julianne Moore sind Mr. und Mrs. Lodge, sie haben einen Sohn, Moore spielt außerdem die Zwillingsschwester der Hausherrin. Die Doppelrolle reduziert sich bald auf eine einzige, denn Unbekannte dringen nachts in das Haus ein und betäuben die Bewohner mit Chloroform, um in Ruhe plündern zu können. Mrs. Lodge bekommt dabei eine besonders üppige Portion ab und wacht nicht mehr auf. Daraufhin nimmt die Schwester ihren Platz ein, denn der Kleine braucht schließlich eine Mutter.

Irgendwas stinkt natürlich gewaltig an der Art, wie reibungslos sich diese Übernahme vollzieht. Ebenso flutscht auch der Film selbst, der zwar nicht großartig ist, aber auf angenehme Art nicht zu viel und nicht zu wenig will. Den Schauspielern schaut man gerne zu, auch wenn sie nur, wie hier Matt Damon, mit zerschlagener Brille ein Sandwich essen. Oscar Isaac steht, wie immer sehr erfrischend, als Spürhund der Versicherung auf der Matte und schnüffelt in dieser Angelegenheit herum. "Suburbicon" ist eine dieser mittelgroßen Produktionen, deren Aussterben seit einiger Zeit beklagt wird. Auch das Handlungsmuster kommt einem auf nostalgische Weise bekannt vor. Es stammt aus Filmen der Vierziger- und Fünfzigerjahre. Man könnte sich sehr behaglich einrichten in dieser Noir-Fantasie einer Zeit, in der die Männer noch Hemden trugen und die Frauen Kleider - wenn nicht vor dem Nachbargrundstück ein rassistischer Mob, und damit die lärmende Gegenwart, randalieren würde.

Der sich allmählich entfaltende Pogrom wird allerdings quasi aus der Veranda-Perspektive erzählt, in Form kurzer, immer wieder in die Haupthandlung eingeschobener Sequenzen. So lässt sich über ihn, außer dass er stattfindet, nichts weiter sagen. Auch nicht über die schwarze Familie, die all das mit edlem Stolz erträgt, denn mehr als edel und stolz zu sein, mutet ihnen das Drehbuch nicht zu.

Die Mittelschicht möchte ihre Abgründe in Ruhe unter dem eigenen Teppich entdecken

Die solide "weiße" Handlung stammt von Joel und Ethan Coen. Sie schrieben das Drehbuch früh in ihrer Karriere, Mitte der Achtzigerjahre, ließen es dann aber liegen. George Clooney hat die Geschichte nun reanimiert, zusammen mit Grant Heslov umgeschrieben und durch die "schwarze" Handlung ergänzt. Er bleibt sich damit treu. In den Filmen, bei denen er Regie führt, feiert er gern mutige Journalisten, Kunstexperten, die für die Kultur in den Krieg ziehen, oder nun eben stolze Afroamerikaner. Beim Thema Rassismus gilt allerdings, dass gut gemeint meist das Gegenteil von gut ist, wie in der klassischen Hollywood-Erzählung vom "edlen Neger".

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George Clooney hat im Vorfeld zu Protokoll gegeben, dass andere vielleicht besser geeignet wären, diese Geschichte zu erzählen. Daher habe er sich auf Themen beschränkt, die ihm vertrauter sind, etwa die Verlogenheit der weißen Mittelschicht. Solcherlei Demut ist zwar prinzipiell ehrenwert, befreit ihn aber nicht von der Aufgabe, sich für seine von ihm ritterlich in Schutz genommenen afroamerikanischen Figuren zu interessieren. Stattdessen benutzt er sie als Statisten für ein Anti-Rassismus-Plädoyer, das dem Rest des Films ebenso fremd bleibt, wie es die schwarze Familie in Suburbicon ist. Man kann sich in dem Wissen um die Unfähigkeit, sein Gegenüber vollständig zu verstehen, auch sehr bequem einrichten.

Dennoch herrscht eine gewaltige Spannung im Inneren dieses Films. Nicht nur das Grundstück der Mayers wird belagert, sondern auch der zentrale Handlungsbogen um die Sauereien der Vorstadtbewohner. Die weiße Mittelschicht möchte ihre Abgründe mal wieder in Ruhe unter dem eigenen Teppich entdecken, wie man das in Vorstadt-Filmen so gern tut - aber irgendwie funktioniert das nicht mehr. "Suburbicon" wirkt nun selbst wie eine dieser makellosen Vorstädte - der Film muss die Scheinwelt, die er entlarven will, erst mühsam selbst konstruieren. Das schlechte Gewissen darüber kommuniziert er im Hintergrund mit. Die strahlend weiße Heimat aus Gardinen und Apfelkuchen ist nicht nur im Kern verrottet, sondern es hat sie vielleicht ebenso wenig gegeben, wie es den in Hollywood dargestellten Wilden Westen je gegeben hat. Deshalb ist "Suburbicon" kein guter Film. Aber ein gutes Zeichen.

Suburbicon , USA 2017 - Regie: George Clooney. Buch: Joel Coen, Ethan Coen, George Clooney, Grant Heslov. Kamera: Robert Elswit. Musik: Alexandre Desplat. Mit: Matt Damon, Julianne Moore, Oscar Isaac. Verleih: Concorde, 105 Minuten.

© SZ vom 08.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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