Paula Beer hat offensichtlich schon sehr früh im Leben mit einer Entscheidung genau richtig gelegen. Das war, als sie sich als Achtjährige dazu entschied, an einem Theaterkurs ihrer Schule in Berlin teilzunehmen, wo sie als Kind eines Künstlerpaares aufwuchs. Er vermittelte ihr eine fundamentale Erfahrung: Die Schauspielerei macht Freude. "Ich hatte große Angst davor, aber einmal auf der Bühne, hatte ich ein Gefühl der Fülle", sagte sie kürzlich dem Figaro in einem Interview.
Der Kurs legte die Basis für einen Werdegang, der noch in einer ganz großen Karriere münden könnte. Das deutete sich schon an, als sie sich 2009 als Vierzehnjährige im Casting für die Hauptrolle von Chris Kraus' Spielfilm "Poll" gegen mehr als 2500 Kandidatinnen durchsetzte, obwohl sie über wenig Schauspielerfahrung verfügte. Es folgten Auftritte als Sophie von Bayern in Marie Noëlles und Peter Sehrs Kostümfilm "Ludwig II." und in Andreas Prochaskas Alpenwestern "Das finstere Tal".
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Auf internationalem Parkett trat sie nun bei den diesjährigen Filmfestspielen von Venedig ins Rampenlicht, wo sie für ihre Rolle der jungen Kriegswitwe Anna in François Ozons Erster-Weltkriegs-Drama "Frantz" den Marcello-Mastroianni-Preis als beste Nachwuchsdarstellerin zuerkannt bekam. Sie ist damit überhaupt erst die dritte deutsche Schauspielerin, die in Venedig ausgezeichnet wurde.
Ozon, der als einer der besten Frauenversteher des Gegenwartskinos gilt, hatte klar erkannt, dass Beer eine Idealbesetzung für die Rolle war, wie sie seinen Vorstellungen entsprach. Die sahen so aus, dass sich Anna im Film von einer jungen unbedarften zu einer lebensklugen Frau entwickeln sollte. Beer meisterte die Aufgabe mit Bravour: "Sie konnte sowohl die Unschuld eines Mädchens verkörpern, als auch die Kraft einer Frau", lobte der Regisseur nach den Dreharbeiten.
In der Tat können wohl nur wenige Schauspielerinnen derzeit Jugend und Reife besser miteinander verbinden als Paula Beer - es ist schlicht frappierend, wie reflektiert die 21-Jährige für ihr jugendliches Alter wirkt: "Mir wird öfters gesagt, dass ich anders über Dinge nachdenke", sagt sie, ohne das für sich selbst in Anspruch nehmen zu wollen: "Ich weiß nicht, ob ich reifer bin als andere - für mich bin ich ja ich."
So unprätentiös selbstbewusst, wie Beer redet, tritt sie auch auf. Ihr Kleidungsstil ist auch mal von einem legeren Chic geprägt, selbst wenn die Kameras auf sie gerichtet sind. Auf Fans geht sie freundlich und natürlich zu und schreibt geduldig Autogramme.
Sie stellt sich großen Themen - auch abseits der Kamera
Gleichzeitig arbeitet sie an sich. Ein tiefes Verständnis der historischen, psychologischen und kulturellen Hintergründe des Films waren bei "Frantz" auch unabdingbar. Ozons neues Werk über die deutsch-französische Erbfeindschaft, über Lüge und Wahrheit, Aufopferung und Selbstbestimmung und die Bedeutung des Todes ist ein komplexer Film geworden, der dem Zuschauer große Interpretationsspielräume lässt.
Doch Beer erwies sich diesen großen Themen in ihrem Spiel stets gewachsen, weil sie sich ihnen auch abseits der Kamera stellt. Am Thema Lüge und Wahrheit findet sie etwa spannend: "Wie sehr lügt man für jemanden anders und wie sehr lügt man für sich selbst, oder wie sehr kann Wahrheit einem selbst oder anderen Menschen wehtun oder gut sein? Darüber könnte man sich stundenlang unterhalten und käme doch zu keinem Punkt."
In Ozons Film nähert sich Beer diesen Fragen als geschundene Seele: Anna und ihr französisches Gegenüber Adrien (Pierre Niney) sehnen sich jeweils nach der Leichtigkeit, die sie als Zeugen von Tod und Mord im ersten Weltkrieg verloren haben.
In einem solchen Kontext geraten ehern erscheinende Gewissheiten schnell ins Wanken. Etwa das Erziehungsideal, immer die Wahrheit zu sagen, das schon kleinen Kindern eingebläut wird, kann zur Herzlosigkeit verkommen. Anna etwa verschweigt die Wirklichkeit, allein um das Seelenheil der Eltern ihres gefallenen Verlobten Frantz zu schützen. Dabei könnte sie sich selbst entlasten, wenn sie ehrlich wäre. Adrien wiederum tischt Frantz' Eltern eine Lügengeschichte auf, um sich selbst von Schuldgefühlen zu entlasten - spendet ihnen damit aber Trost.
Doch nicht nur wegen ihres Interesses an solchen moralischen Zwickmühlen war Beer für die Rolle der Anna prädestiniert, sondern auch durch ihre Nähe zu Frankreich.
Paris, London, was kommt als nächstes?
Ozons Film wird beiden Seiten - der deutschen und der französischen - gleichermaßen gerecht, und auch hier gelingt Beer der Brückenschlag. Sie redet im Film erst deutsch, dann viel französisch - sie beherrscht die Sprache gut: "Als ich klein war, waren wir oft in Frankreich im Familienurlaub, deswegen habe ich schon lange eine Vertrautheit mit der Kultur, der Sprache und dem Essen. Mit 18 bin ich dann für ein Jahr nach Paris gegangen und war deswegen jetzt auch sprachlich für 'Frantz' bereit."
Wundert es da, dass sie im Nachbarland bereits als neue Romy Schneider ausgerufen wird - trotz der bekannten Borniertheit der Franzosen gegenüber Ausländern mit leichtestem Akzent? Im Film war Beer als Sophie Herzogin in Bayern immerhin schon die jüngere Schwester der Kaiserin Elisabeth, jener Figur, die von Romy Schneider immer bleiben wird. Vergleiche drängen sich da auf.
Aber auch in London fühlt sie sich nach mehreren längeren Aufenthalten inzwischen zu Hause. Derzeit filmt sie mit Sherry Hormann und Oscar-Preisträger Florian Henckel von Donnersmarck. Die Welt steht ihr offen.