Sachbuch über Massenmörder:Grinsende Fratze des Bösen

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Eine Montage des Grauens: In dem Buch "Das Lachen der Täter" analysiert Kulturwissenschaftler Klaus Theweleit die brutalen Phantasien von Adolf Hitler, Anders Breivik und dem IS.

Von Fritz Göttler

"Ob ich euer König werden will?", fragt der Massenmörder, der gehandelt hat, um die kaputte Welt aufzurütteln und in Ordnung zu bringen: "Werd's mir überlegen, ob ihr es VERDIENT . . . Da werdet ihr mich stehen sehen. In voller Größe! Oh, mir wird ganz superschwarz vor Augen. Kopf in den Wolken. Ringkampf mit dem Weltgeist, dem falschen. Ich krieg ihn! Ich krieg ihn unter! . . . Fünf Kilo zugelegt im Kopf in den letzten neun Monaten. Gedanken von Gewicht! Zentnerschwer, wenn sie zur Welt kommen. 50 Kilo Sprengstoff in jedem einzelnen Satz. Und er springt auf euch. Drückt euch zu Brei. Macht euch platt."

Eine Männerphantasie aus dem Jahr 2012, der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik vor Gericht. Kein O-Ton, der Monolog - innerer wie äußerer - ist imaginiert von Klaus Theweleit, zum Finale seines neuen Buchs über das "Lachen der Täter". Breivik ist seine Präzedenzfigur, der Killer, dem das Lachen nicht überhebliche Beigabe seines mörderischen Handelns ist, sondern Zentrum. Im Lachen findet er Freiheit, gewinnt er sich selbst. Theweleit entwickelt das in seiner bewährten Manier, sprunghaft und assoziativ, zwischen Coolness und Pathos, ohne Scheu vor Spekulation und Kalauern. Er praktiziert erzählende Analyse, in der Tradition der Traumdeutung von Freud und der Mythen des Alltags von Barthes.

Montage des Grauens: Breivik, Hitler, Pol Pot und der IS

Der erste lachende Killer, der uns präsentiert wird, kommt aus dem Kino, Henry Fonda, der all American hero, der 1968 zum eiskalten Kinokiller mutiert, als er einen kleinen Jungen erschießt, aus nächster Nähe. "Fondas Colt hat einen überlangen Lauf; seine Augen strahlen das strahlendste Blau. Er lächelt, und drückt ab: C'era una volta il West = Once Upon a Time in the West; dt. Spiel mir das Lied von Tod." Mit diesem Lächeln ist damals der Western selbst gestorben.

Danach im Buch kommt dann das Lächeln von Breivik, als er am 22. Juli 2011 auf der Insel Utøya 69 meist junge Menschen erschießt. Es folgen die grinsenden Gangster aus Indonesien, die Mitte der Sechziger eine grausame Kommunistenhatz absolvierten und sich Jahrzehnte später fröhlich daran erinnern, sie süffig noch einmal nachspielen mit den Mitteln des Hollywoodkinos, im Film "The Act of Killing" von Joshua Oppenheimer.

Weiter: Die Massentötungen der Nazis im Zweiten Weltkrieg, die Massaker des Pol-Pot-Regimes in Kambodscha, die Folterungen und Tötungen der Armee in Guatemala in den Achtzigern, die Gemetzel in Ruanda 1995, die der Theatermacher Milo Rau im Stück "Hate Radio" auf die Bühne brachte, schließlich die Feldzüge des IS mit seinen unerbittlichen Hinrichtungsvideos. Noch nicht im Buch: der neunfache Mord in der Kirche in Charleston.

Eine Montage des Grauens und der Gräuel. Theweleit zitiert und kommentiert alle möglichen Quellen, Zeitungsartikel - viele auch aus der SZ -, Soziologen und Kulturtheoretiker wie Olivier Roy oder Susan Sontag, aber auch Romane oder Filme. Die Beschreibungen sparen die Brutalitäten der Täter nicht aus, vielleicht fehlen deshalb diesmal die Bilder und Fotogramme, die sonst in den Theweleit-Büchern so lebendig und eigenwillig den Verlauf des Textes durchsetzen.

Das Buch ist eine Rückkehr zu den "Männerphantasien", der großen Studie, in der Theweleit Ende der Siebziger am Beispiel der deutschen Freikorps-Soldaten den Typus des faschistischen, gewalttätigen Mannes entwickelte. Der in der Gruppe mordet und im Morden Selbstermächtigung und Selbstbestätigung erfährt, dem das Zerstören und Vergewaltigen und schließlich das Morden zu einer Art sexuellem Akt wird. Nur über seinen Körper kann dieser Typus beschrieben werden, er ist nach den extremen Brutalitäten von Nationalsozialismus und Stalinismus selten geworden, mit dem Beginn der Globalisierung und dem Erstarken der einstigen Dritten Welt wieder zurückgekehrt.

Die spezifische Ideologie, der er sich jeweils unterordnet - die der Templer, des Antisemitismus, des Islamismus - ist sekundär - in diesem Sinne ist Breivik bei Theweleit frei flottierend: Faschist, Dschihadist, Tempelritter. Sie alle sehen ihren Körper, zusammengehalten durch Zucht und Ordnung, bedroht durch einen zersetzenden Mix aus Marxismus und Feminismus - die Frauen und ihre Sexualität sind vor allem bedrohlich und ziehen Hass auf sich. Schuld an der Unordnung: die Frankfurter Schule, Marcuse, Wilhelm Reich, die Auflösung der patriarchalischen Familie, Feminismus, Sexualisierung. Nur stärkste Naivität schafft eine solche Ironie.

Schizophrene oder Borderliner, nur als Patienten kann man diese Mörder nicht beschreiben

Die bedrohten pubertären Körper reagieren mit Enthemmung. "Das Gelächter ist das orgiastische Gefühl der Killer. Töten ist das zentrale Mittel dieser Körper zum Erreichen des Spannungsausgleichs . . . Nur das Töten erleichtert ihn so, wie andere Menschen etwa der Liebesakt oder das Anhören einer geliebten Musik. Körperlich energetisch sind das ,vergleichbare' Vorgänge. Der Unterschied liegt in der grundlegenden Differenz der Körperorganisation." Die Radikalität, mit der Theweleit komplexe politische Vorgänge auf ihren physiologischen Unterbau reduziert, bringt einen beim Lesen immer wieder aus dem Konzept, auch er ist in seinem Schreiben bereit zur Emphase, zur Ekstase.

Das unfassbar Böse, das als Kategorie in den Reaktionen auf die von ihm gesammelten Killeraktionen gern beschworen wird, lässt er zur Erklärung nicht gelten, auch die Versuche nicht, diese Mörder als Patienten zu beschreiben - Schizophrener, Borderliner, Narziss. Das "Lachen der Killer" ist ein politisches Buch, das heißt, es ist pädagogisch und therapeutisch. Theweleit glaubt an die Normalität, ans Individuum und seine Geschlossenheit. Und an Bob Dylan: "While others say don't hate nothing at all except hatred."

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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