Romy Schneider:Wie befreit

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Romy Schneider 1962 in " Boccaccio 70" von Luchino Visconti. (Foto: Cinédis - Francinex / Editions René Chateau Vidéo)

Eine sehr französische Ausstellung: Zum 40-jährigen Todestag ehrt die Pariser Cinémathèque die Schauspielerin Romy Schneider.

Von Johanna Adorján

Gleich beim Reinkommen schon hört man die Musik. Weiter hinten in der Romy-Schneider-Ausstellung, die bis Ende Juli in der Pariser Cinémathèque zu sehen ist, wird ein Ausschnitt aus "Die Dinge des Lebens" gezeigt, einem der schönsten traurigen Filme, von Claude Sautet, der mit dem tragischen Ende beginnt, einem Autounfall. Romy Schneider singt darin mit ihrer hellen, weichen Stimme auf Französisch "La Chanson d'Hélène". Sie singt über eine Liebe, die es nicht mehr gibt, ein Buch, das nun zugeschlagen ist, über die Sonne, die nie wieder in ein Zimmer scheinen wird. Wer das Lied kennt, weiß, in welche Stimmung es einen taucht. Man ist beim Reinkommen gleich ergriffen

Die Ausstellung erzählt chronologisch das Leben der Schauspielerin Romy Schneider nach, in Bildern und kurzen Filmausschnitten, hier und da sind auch Original-Kleidungsstücke und Briefe eingestreut. Aus deutscher Sicht ist allerdings schon das ungewöhnlich. Denn was die französischen Ausstellungsmacher aussparen, und zwar komplett, ist das Privatleben dieser Frau, die einem hierzulande so gerne als tragische Heldin verkauft wird, die entsetzlich darunter gelitten habe, als Teenager in dem bezaubernden Heimatkitsch "Sissi" mitgespielt zu haben, sich dann ins gefährlich erwachsene Liebesleben von Paris stürzte, dort aber auch nicht "das Glück" fand, und die schließlich an "gebrochenem Herzen" starb. So haben es uns Bunte und Hörzu eingebläut. Wie angenehm, das Private hier mal nicht miterzählt zu bekommen. Natürlich versteht man, warum sie nach Frankreich gegangen ist, wo man sie zuallererst als Schauspielerin ernstnahm, ernst nimmt.

Romy Schneider mit ihrer Tochter Sarah in ihrer Pariser Wohnung 1981. (Foto: Robert Lebeck)

Was aus deutschsprachiger Sicht gegen die Ausstellung spricht, ist, dass man sich mit dem Schreiben deutscher Begriffe hier nicht die geringste Mühe gegeben hat. "Liebelei", wie das Stück von Schnitzler heißt, das dem Romy-Schneider-Film "Christine" zugrunde liegt (bei dem diese Alain Delon kennenlernte, den sie höchstpersönlich aufgrund eines Fotos für dessen Rolle entdeckte und vorschlug), wird auf den Bildbeschriftungen konsequent "Libelei" geschrieben, aus Berlin-Grunewald, wo Romy Schneider mal wohnte, wurde Berlin-Grünewald. Solche Fehler sind natürlich immer wahnsinnig peinlich.

Sie sieht so heutig aus, kaum zu fassen, dass manche Aufnahmen 60 Jahre alt sind

Was auch sehr merkwürdig ist, aber beileibe (im Wortsinn) keine Spezialität nur dieser Ausstellung: Wie die Kleidung präsentiert wird, die Romy Schneider mal trug. Die hängt nämlich nicht nur am Bügel, wie man es von Kleidung, die gerade niemand trägt, kennt. Sondern sie ist ausgeformt, spannt sich sozusagen über einen abwesenden Körper. Wo mal Brüste waren, wölbt sich der Stoff, gibt es einen Hut, ist Platz ausgespart für einen unsichtbaren Hals und Kopf. Es hat was von Geisterbahn. Was sich jedenfalls mit absoluter Sicherheit sagen lässt: Romy Schneider war eine zierliche Frau von höchstens 1,60 Meter.

Das vielleicht Schönste an der Ausstellung sind die Fragmente aus dem unvollendet gebliebenen Film "L'Enfer" ("Die Hölle") von Henri-Georges Clouzot aus dem Jahr 1964. Romy Schneider, damals 26-jährig, spielte die Hauptrolle und zugleich doch nur ein Objekt: Der Film sollte von der Eifersucht ihres Film-Ehemannes erzählen. Er wurde nie vollendet, weil der Regisseur den Drehplan nicht einhielt, der Hauptdarsteller kündigte, der Regisseur schließlich einen Herzinfarkt erlitt (er überlebte). Die Aufnahmen, die er drehte, hauptsächlich sind es Lichttests, sind allerdings atemraubend, weil sie so frisch und neu aussehen, als seien sie von gestern Nachmittag. Romy Schneider fährt Wasserski oder trinkt aus einem Glas oder lacht einfach nur, und wechselndes Licht streicht ihr aus unterschiedlichen Winkeln über ihre regelmäßigen Gesichtszüge: Sie sieht so heutig aus, so lebendig, dass man kaum fassen kann, dass diese Aufnahmen fast 60 Jahre alt sind.

Aktofotografie als Mittel, die Deutungshoheit über den eigenen Körper zu erlangen: Romy Schneider im Jahr 1969. (Foto: Archives Douglas Kirkland)

Auch Romy Schneiders Verhältnis zu ihrer Sinnlichkeit, ihrer Körperlichkeit wird thematisiert. Sie sei zuletzt in nahezu jedem ihrer Filme nackt zu sehen gewesen, steht in der dazugehörigen Bildbeschreibung, und habe bewusst einigen Fotografinnen nackt posiert, um gewissermaßen die Deutungshoheit über ihren Körper zu haben. An dieser Stelle ist die Ausstellung schon fast zu Ende. Man sieht bereits den Vorhang zum Ausgang, weiß, dass in der Chronologie der Ereignisse nun ihr Sohn tödlich verunglückt und sie selbst nicht mal ein Jahr darauf stirbt. Aber hier nimmt man sich die Zeit, in aller Ruhe ein paar Aktfotos von Romy Schneider zu zeigen, die auf diesen selbstbewusst und schön ist und sich absolut ihrer Wirkung bewusst. "Der befreite Körper" lautet die Überschrift dazu. Es folgen dann noch ein paar Fotos aus ihrem letzten Film, "Die Spaziergängerin von Sans-Souci", dann ist die Ausstellung zu Ende. Es ist eben eine französische Ausstellung, und genau das ist das Gute daran.

Romy Schneider. Cinémathèque Française, Paris. Bis 31. Juli. Der Katalog kostet 35 Euro.

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