Rechtsradikalismus in den USA:Der abtrünnige Sohn von Amerikas Ultrarechten

Lesezeit: 10 min

Derek Black lebt heute an einem unbekannten Ort in den USA. (Foto: The Washington Post/Getty Images)

Vom Neonazi zum Liberalen: Derek Black wächst in einer der prominentesten rechtsextremen Familien Amerikas auf - bis er sich öffentlich von ihr lossagt.

Von Johanna Bruckner, New York

Mit 13 Jahren bekommt Derek Black die ersten Hass-Mails. "Du wirst in der Hölle schmoren", steht in einer der harmloseren. Es gibt auch andere: "Ich wünschte, du wärst gerade im selben Raum wie ich, dann müsstest du durch einen Strohhalm essen, du minderwertiger Dreckskerl!" Dereks Vater Don macht sich Sorgen um seinen Sohn, doch der beruhigt ihn: Diese E-Mails kämen offensichtlich vom Feind, warum sollte ihn kümmern, was der über ihn denke?

Der Feind, das sind für den jugendlichen Derek die politischen Gegner seiner Familie. Sein Vater Don betreibt mit Stormfront seit Mitte der Neunzigerjahre die größte Webseite für selbsternannte White Nationalists in den USA, außerdem moderiert er fünf Mal in der Woche eine politische Radioshow. White Nationalists - "weiße Nationalisten" - die Bezeichnung ist strategisch gewählt, ein Kampfbegriff, der helfen soll, Blacks Gedankengut einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, die sich von anderen Schlagworten abgeschreckt fühlen könnte. So wie White Supremacists, das die Überlegenheit der weißen Rasse behauptet. Oder einfach "Neonazis". Tatsächlich aber gehört die Familie Black nicht nur zur rechtsradikalen Szene in den USA, sie steht in deren Zentrum.

Derek gilt in der Szene als "First Child of American white nationalism". Für seinen Vater Don ist er Erbe und Hoffnungsträger. Ein Junge, der sich von Hassmails nicht eingeschüchtert, sondern angespornt fühlt? Der hat das Zeug zum Anführer.

Alt-Right und Andere
:Wer Amerikas Rechtsextreme sind

Ku-Klux-Klan trifft auf Alt-Right-Bewegung: Alte und neue Rechte treten in den USA zunehmend laut und selbstbewusst auf. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Jana Anzlinger und Veronika Wulf

Heute ist Derek Black 27 Jahre alt und er besitzt - so weit sich das von außen sagen lässt - eine ungewöhnliche innere Stärke. Nur dass er sie nicht mehr nutzt, um für die Sache seines Vaters zu kämpfen. Derek Black hat mit seinem früheren politischen Weltbild gebrochen. Und er hat sich damit zwangsläufig auch von seiner Familie entfernt, in der Politik nicht einfach nur ein Thema am Abendbrottisch war: Der Glaube an die Ideen des White Nationalism hält die Familie Black im Innersten zusammen.

Derek Blacks Geschichte ist in einem jüngst in der Washington Post erschienenen Porträt nachzulesen. Er lebt heute an einem unbekannten Ort in den USA und besitzt keine öffentlich auffindbaren Social-Media-Profile. Personen, die mit ihm in Kontakt stehen oder standen, halten sich bedeckt. Wohl zum Schutz des Aussteigers, dessen Geschichte beinahe unglaublich klingt. Der junge Mann, auf dem einst die Hoffnungen von Amerikas Ultrarechten lagen, ist übergelaufen. Heute schreibt Black Gastbeiträge für liberale Zeitungen wie die New York Times. Er ordnet für das linke Amerika zum Beispiel die Geschehnisse von Charlottesville ein und erklärt, warum es brandgefährlich ist, wenn der US-Präsident behauptet, dass unter gewaltbereiten Rassisten auch "gute Leute" seien.

Wenn Black in der New York Times über die Strategien schreibt, mit denen es White Nationalists geschafft haben, ihr rassistisches Gedankengut in die Mitte der amerikanischen Gesellschaft zu tragen, dann mag das nicht gänzlich neu sein. Aber es bekommt eine besondere Glaubhaftigkeit und Dringlichkeit - denn Derek Black hat sich in seiner Jugend genau solche Strategien ausgedacht.

Anfänge: Hineingeboren in eine der prominentesten rechten Familien Amerikas

Ein Podcast-Interview mit dem New-York-Times-Journalisten Michael Barbaro beginnt Derek mit den Worten: "Ich wurde in eine der prominentesten rechten Familien des Landes hineingeboren." Er sagt das ruhig, unaufgeregt - wenn Derek von seiner Kindheit und Jugend erzählt, hat das mitunter fast dokumentarischen Charakter. Er lässt nichts aus, beschönigt nichts. Aber er rechtfertigt sich auch nicht. Er mache sich nicht jeden Tag selbst fertig wegen dem, was gewesen sei, erklärt er an einer Stelle. Er könne mit sich selbst leben.

Dereks Vater Don lernt seine spätere Frau Chloe in den Siebzigerjahren bei einem Treffen der "White Youth Alliance" in seiner Heimat Alabama kennen. Chloe ist damals noch mit David Duke verheiratet, dem Gründer der rechtsradikalen Studentenorganisation. Duke trägt in der Öffentlichkeit Nazi-Uniform und begeht mit Gleichgesinnten den Geburtstag von Adolf Hitler. Später steigt er zur führenden Figur des Ku-Klux-Klans auf - stets an seiner Seite ist sein Freund Don Black. Beide wirken zeitweise als "Grand Wizard", der höchste Rang innerhalb des Klans. Als 1989 Derek zur Welt kommt, bitten seine Eltern David Duke, Patenonkel zu werden. Duke ist zugleich der Vater von Dereks Halbschwestern Erika und Kristin.

Dereks Familie zieht nach West Palm Beach, Florida. In der Nachbarschaft wohnen Einwanderer aus Guatemala und jüdische Rentner. Vater Don gefällt das nicht, aber er fügt sich dem Wunsch seiner Frau, die näher bei ihren Eltern leben möchte. Als der Vater aber mitbekommt, dass der schwarze Lehrer seines Sohnes den umgangssprachlichen Ausdruck "ain't" verwendet, nimmt er seinen Sohn von der Schule - und unterrichtet ihn von nun an selbst. Nationalismus und weiße Überhöhung werden zum Hauptbestandteil seines Stundenplans.

Der Vater bringt seinem Sohn das Programmieren bei - er selbst hatte einst seine Computerkenntnisse im Gefängnis erworben: Anfang der Achtzigerjahre verbüßte Don Black eine mehrjährige Haftstrafe, weil er mit acht anderen Männern einen Überfall auf den Mini-Inselstaat Dominica geplant hatte. Ziel der Operation "Red Dog" war ein Putsch auf der zu den Kleinen Antillen gehörenden Karibikinsel, um den zwei Jahre zuvor abgesetzten schwarzen Premier Patrick John wiedereinzusetzen, der ihnen lukrative Geschäfte in Glücksspiel, Drogenhandel und Prostitution sowie ein "arisches Paradies" als Gegenleistung versprach. Auf dem Boot der Gruppe stellte die Polizei später Sprengstoff, automatische Waffen und eine Hakenkreuzflagge sicher.

Doch diese Zeit liegt Anfang des neuen Jahrtausends weit hinter Dereks Vater. Don Black setzt längst auf das Internet, auf Kommunikation und Vernetzung statt Gewalt. "Wide Pride World Wide" lautet der Wahlspruch seiner Webseite. Als der zehnjährige Derek das vom Vater vermittelte Wissen nutzt, um einen Stormfront-Ableger für Kinder zu gründen, ist der Vater stolz. Auf die Frage, wie er seinen Sohn charakterisieren würde, antwortet Don einmal: "Er hat alle meine Stärken, aber keine meiner Schwächen."

Abkehr: "Sohn, ich glaube, du wurdest gehackt!"

Als der Vater am 16. Juli 2013 die Begriffe "Stormfront" und "Derek Black" in die Internet-Suchmaske eingibt, glaubt er noch an seinen Sohn. Derek wohnt da schon nicht mehr zu Hause, sondern besucht im dreieinhalb Autostunden entfernten Sarasota das College. Der Vater hat es sich zur Gewohnheit gemacht, seinen Sohn ein paarmal in der Woche zu googeln. Er will auf dem Laufenden bleiben. An diesem Tag aber wird Don ein Artikel angezeigt, mit dem er nicht gerechnet hat. Er ist auf der Seite des Southern Poverty Law Center (SPLC) erschienen, einer der bekanntesten Bürgerrechtsorganisation der USA - und einer der schlagkräftigsten: Mit ihren systematischen Entschädigungsklagen gegen Mitglieder des Ku-Klux-Klan hat es die Organisation geschafft, einzelne Klan-Ableger in den Bankrott zu treiben.

Der Artikel, den Don Black an jenem Dienstag im Juli 2013 anklickt, trägt den Titel: "Activist Son of Key Racist Leader Renounces White Nationalism". Sohn von bekanntem Rassisten sagt sich vom rassistischen Nationalismus los. Der Beitrag ist bebildert mit einem Foto, das einen Jungen mit schulterlangen roten Haaren und ernstem Blick zeigt. Es ist ein Kinderbild von Derek Black. Don Black, so schildert er es selbst rückblickend in der Washington Post, greift sofort zum Hörer und ruft seinen Sohn an: "Derek, ich glaube, du wurdest gehackt!"

Aber Derek ist nicht das Opfer einer Hacking-Attacke. Er hat sich nach langer Überlegung bewusst zu diesem radikalen Schritt entschieden. Am College, unbemerkt von Familie und Umfeld, hat er sich losgelöst von dem, woran er Zeit seines Lebens glaubte. Etwa, dass die weiße Rasse allen anderen an Intelligenz überlegen sei und dass es dafür wissenschaftliche Beweise gebe. Oder, dass Amerika die rechtmäßige Heimat weißer Europäer sei und andere Rassen in ihre Ursprungsländer zurückgeschickt werden sollten. Und, dass das Land von Juden unterwandert und die weiße Rasse unter einem schwarzen Präsidenten Obama von der Ausrottung bedroht sei.

Seinen "ideologischen Baukasten" nennt Derek rückblickend diese Überzeugungen im Gespräch mit New-York-Times-Reporter Barbaro. An jenem 13. Juli 2013, als er sich öffentlich vom White Nationalism abwendet, existiert dieser Baukasten nicht mehr. Im Verlauf der vergangenen Jahre sind ihm immer mehr Teile weggebrochen, zuerst sind es nur einzelne Überzeugungen, die sich in Gesprächen mit Kommilitonen als nicht haltbar herausstellen, irgendwann ist Dereks ganzes Weltbild erodiert.

Das New College in Sarasota gilt als eines der liberalsten im Bundesstaat Florida, als Derek dort anfängt, Geschichte zu studieren, witzelt Vater Don in seiner Radioshow, sein Sohn gehe nun auf das Marihuana- und Schwulen-freundlichste College im ganzen Land. Aber Don ist nicht wirklich beunruhigt. Als ihn ein Hörer on air fragt, ob er sich nicht sorge, dass sein Sohn beeinflusst werden könnte, antwortet er: "Wenn jemand beeinflusst wird, dann die."

Doch so einfach ist das nicht für Derek. Während zu Hause bei den Blacks fast täglich über das Thema "Rasse" gesprochen wird, spielt es in seinem College-Umfeld keine große Rolle. Derek ist weiter in der rechten Szene aktiv, gibt auf dem Campus aber den unpolitischen Geschichtsstudenten. Der junge Mann, der Zeit seines Lebens Außenseiter war und seine Kindheit und Jugend vor allem mit Erwachsenen und Online-Freunden verbracht hat, genießt die Gesellschaft Gleichaltriger.

Als in der Mensa ein Kommilitone auf seinem Laptop die Stormfront-Webseite aufruft, tut Derek so, als habe er noch nie davon gehört. Der Uni-Freund demonstriert anhand des Stormfront-"Herr der Ringe"-Forums, wie Amerikas Ultrarechte die Popkultur instrumentalisieren. Ausgerechnet dieses Forum war Dereks eigene Idee: Er ist selbst "Herr der Ringe"-Fan. Die Diskussionsplattform soll Neulingen den Einstieg in die Web-Welt des White Nationalism erleichtern. Ein niedrigschwelliges Angebot für "Ich bin nicht rechts, aber ..."-Typen.

Dereks Doppelleben geht so lange gut, bis ihn ein Mitstudent als prominenten Rechtsradikalen outet, am digitalen schwarzen Brett der Uni. Der Post endet mit einer Frage: "Wie sollen wir als Gemeinschaft darauf reagieren?"

Hunderte antworten. Einige wenige plädieren dafür, den Neonazi in ihren Reihen nicht auszuschließen, sondern das Gespräch zu suchen. Matthew Stevenson, ein Kommilitone von Derek und orthodoxer Jude, veranstaltet jeden Freitag ein Sabbat-Dinner und beschließt, Derek einzuladen. Er habe sich keine allzu großen Hoffnungen gemacht, seinen Gast von dessen antisemitischen Überzeugungen abbringen zu können, erzählt Stevenson rückblickend der Washington Post. Aber Derek sollte zumindest ein einziges Mal einem Juden gegenübergesessen haben.

Am Ende des Abends in Stevensons Studentenbude ist Derek immer noch Antisemit. Keiner der Anwesenden hat sich getraut, über Politisches zu sprechen. Aber Derek kommt wieder. Obwohl er anfangs befürchtet, dass ihn die Runde nur betrunken machen will, um ihn anschließend öffentlich bloßzustellen. Die Sabbat-Dinner sind eine Chance für Derek, seine vielleicht einzige - er weiß, dass die Anwesenden seine Ansichten nicht akzeptieren, aber er wird zumindest nicht ausgegrenzt. Irgendwann werden die Gespräche offener.

Bei einem dieser Abendessen erzählt Derek den Menschen, die langsam seine Freunde werden, dass er überzeugt sei, dass Rasse Intelligenz vorherbestimme. "Ich habe sie auf zwölf verschiedene Studien hingewiesen, alle veröffentlicht im White Nationalist Journal", erinnert sich Derek. "Beim nächsten Mal haben sie mir 150 Studien mitgebracht, die das Gegenteil beweisen, neuere, besser recherchierte Studien. Sie haben mir erklärt, wie Statistik funktioniert."

Der erste Baustein bricht weg, viele weitere folgen. Zunächst erwägt Derek, sich einfach still und leise aus der rechten Szene zurückzuziehen. Seit einiger Zeit schon erfindet er Ausreden, um nicht mehr in der Radioshow seines Vaters auftreten zu müssen. Doch auch wenn er sich wünscht, dieses Kapitel seines Lebens einfach schließen zu können und ein neues zu beginnen - da sei dieser nagende Gedanke gewesen, erzählt er Barbaro: "Ich habe Schaden angerichtet." Die Kinder-Webseite, die Auftritte mit dem Vater bei Konferenzen, die Gemeindewahl, die er mit 19 Jahren gewonnen hat, indem er über Political Correctness schimpfte, über Minderheitengesetze und die ungezügelte Einwanderung von Hispanics.

Neuanfang: Versuch einer öffentlichen Wiedergutmachung

Derek beschließt: So öffentlich er vorher seine radikalen Positionen propagiert hat, so öffentlich will er sich jetzt von ihnen distanzieren. Er will die Konfrontation mit seiner Vergangenheit suchen, den Konflikt mit Familie und ehemaligen Freunden aushalten. Als eine Art Wiedergutmachung.

Ein paar Tage nach Erscheinen des offenen Briefes telefoniert Derek mit seinem Vater. Es ist nicht der erste Gesprächsversuch, die vorherigen endeten damit, dass der Vater nach wenigen Sekunden wieder auflegte. Diesmal sagt Don: "Vielleicht war es keine gute Idee, einen Sohn zu bekommen, wenn das der Schmerz ist, der damit verbunden ist."

Im Gespräch mit New-York-Times-Journalisten schildert Derek, wie er versuchte, den Graben zu überbrücken, der sich zwischen ihm und seinem Vater aufgetan hatte: Familie und politische Überzeugungen müssten nicht dasselbe sein, appelliert er. Der Vater antwortet: "Aber wir glauben diese Dinge. Sie sind das Fundament unserer Familie, sie halten uns zusammen."

Zwei Wochen vergehen, es ist Ende Juli, Don Blacks Geburtstag. Derek sieht seine Familie zum ersten Mal wieder. Mutter und Schwestern haben ihn gebeten, nicht zu kommen. Als Derek da ist, lassen sie ihn nicht ins Haus. Doch der Vater will reden. Am Ende müssen Don Black und sein Sohn in einen Diner gehen, wie er der Washington Post rückblickend erzählt. Dort ist es erst einmal fast wie immer, Vater Don schöpft Hoffnung: Ob der Sohn vielleicht nur rebelliert? Oder hat er sich möglicherweise abgewendet, um es einfacher zu haben im Leben - unbelastet davon, Sohn einer prominenten rechtsradikalen Familie zu sein? "Wie kann ich dir beweisen, dass ich das wirklich glaube?", fragt der Sohn.

Er wird sich in den darauffolgenden Jahren immer wieder behaupten und beweisen müssen, vor seinem Vater, aber auch vor Journalisten, die misstrauisch sind. Wie reflektiert ist dieser junge Mann wirklich, der behauptet, sich losgesagt zu haben vom White Nationalism? Als Derek im Gespräch mit New-York-Times-Reporter Barbaro davon spricht, dass seine Familie "kosmopolitischer" gewesen sei als andere rechte Familien und das damit begründet, dass der Umgang mit Schwarzen nicht grundsätzlich verboten gewesen sei, reagiert der Journalist skeptisch. "Die Vorstellung eines kosmopolitischen Nationalisten ist ein bisschen heikel."

Was Derek aber tatsächlich meint: Seine Familie ist seit Mitte der Neunzigerjahre bestens vernetzt mit Nationalisten weltweit. An anderer Stelle erzählt er, dass seine Familie die erste in der Nachbarschaft gewesen sei, die über einen Breitband-Internetanschluss verfügte - damit sein Vater die Stormfront-Webseite vorantreiben konnte. Die Einblicke, die der Aussteiger gibt, widersprechen dem Klischee von den tumben Rechten. Weniger beunruhigend sind sie deshalb nicht - im Gegenteil. Denn eines macht Derek Black ganz deutlich: Amerikas Ultrarechte wissen sehr genau, was sie tun.

In einem Gastbeitrag in der New York Times hat er Trumps verharmlosende Äußerungen nach dem Neonazi-Aufmarsch in Charlottesville scharf kritisiert. Bei der Veranstaltung war es zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen, eine Frau starb, als ein rechter Kundgebungsteilnehmer mit seinem Auto in eine Ansammlung von Gegendemonstranten fuhr. Derek Black schreibt über das Zitat des Präsidenten: "Seine Worte markieren den vielleicht wichtigsten Augenblick in der Geschichte des modernen White Nationalism. Seine Äußerungen beschreiben die Marschteilnehmer, wie sie sich selbst sehen - nobel, angetrieben von der guten Sache, geplagt von ein paar faulen Äpfeln in den eigenen Reihen." Der Präsident habe so getan, als müsse man unterscheiden zwischen Neonazis, White Nationalists und jenen Demo-Teilnehmern, die nicht zu diesen Gruppen zählten. Dabei sei die Veranstaltung ganz eindeutig beworben worden als Kundgebung für White Nationalists.

Derek Blacks Gastbeitrag ist eine politische Analyse, er spannt den Bogen von der mangelhaften Aufarbeitung der amerikanischen Geschichte zu den jüngsten Erfolgen der Rechten (Amerika sei gegründet worden als Land der weißen Nationalisten, so Black). Es gibt aber auch einen sehr privaten Moment. Als er gehört habe, was in Charlottesville vorgefallen sei, habe er zwei Anrufe machen müssen, schreibt Black. Einer ging an seine Familie, der andere an Freunde von der Uni. Seine Familie war zur Kundgebung nach Charlottesville gereist - seine Freunde waren vor Ort, um dagegen zu protestieren.

Derek Black hat sein Geschichtsstudium mit Schwerpunkt Mittelalter inzwischen abgeschlossen und lebt an einem unbekannten Ort in den USA. Wie viele Aussteiger aus der rechten Szene besitzt er keine öffentlichen Social-Media-Profile. Journalisten, die ihn getroffen haben, sind bemüht, seine Identität zu schützen - aus ihren Gesprächen und Recherchen lässt sich jedoch die Geschichte von Derek Black rekonstruieren.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Debattenkultur
:Der Aufstieg der Rechten ist keine Diskurspanne der Linken

Nach der Frankfurter Buchmesse stellt sich die Frage, wie eine tolerante Gesellschaft mit Intoleranz umgehen soll. Mit den Rechten reden? Oder reichen Argumente nicht mehr aus?

Von Sonja Zekri

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: