Oscars 2018:Das Kinojahr weist in die Zukunft

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Frances McDormand gewinnt einen Oscar für die Rolle einer zornigen, mittelalten Mutter: Endlich sind nun auch solche Figuren die Helden. (Foto: AP)

In den diesjährigen Oscar-Gewinnerfilmen spielen endlich klassische Randfiguren die Hauptrolle. Dieser neue Geist muss sich jetzt auch in den Produktionsbedingungen niederschlagen.

Kommentar von Susan Vahabzadeh

Gleichberechtigung, in jeder Hinsicht: Das hatte die Oscar-Academy sich vorgenommen für die 90. Verleihung an diesem Sonntagabend. Nach all den Skandalen um Sexismus und Rassismus sollte nun eine neue Ära beginnen. Ganz so einfach wird das nicht werden - denn was die Kampagnen "Me Too" und "Oscarsowhite" zur Sprache brachten, waren ja nicht einzelne Ausrutscher, sondern es waren strukturelle Verstrickungen von Sexismus und Rassismus. Hollywood müsse nun den Worten Taten folgen lassen, mahnte der Moderator der Oscarverleihung Jimmy Kimmel, "denn die Welt sieht uns zu". Das stimmt im doppelten Sinn. Die Welt betrachtet die Bedingungen, unter denen Schauspieler arbeiten, und sie betrachtet die Ergebnisse, nämlich die Filme, die diese oder jene Bilder vom Zusammenleben entwerfen.

Stars haben eine Vorbildfunktion. Wenn sie einerseits seit Jahren bei den Oscars mit Schleifchen am Revers, flammenden Reden und stehenden Ovationen Gleichberechtigung fordern, ist es peinlich, wenn andererseits, wie vor wenigen Monaten beim Nachdreh zu "Alles Geld der Welt", der männliche Hauptdarsteller Mark Wahlberg im Ganzen anderthalb Millionen bekommt, sein weiblicher Gegenpart Michelle Williams aber nur achtzig Dollar pro Tag. Insofern könnte man die Beteuerungen auf der Bühne in diesem Jahr als leeres Gerede abtun. Zumal die allererste Frau, die je in der Kamera-Sparte nominiert wurde und die erst fünfte in der Regie-Sparte nicht gewannen.

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Frances McDormand wird beste Hauptdarstellerin, Gary Oldman bester Hauptdarsteller. Allison Janney und Sam Rockwell werden für ihre Nebenrollen geehrt. Ein Deutscher kann einen Oscar holen.

Das aber ist nicht das Entscheidende. Ohne die Symbolwirkung eines Regie-Oscars in Frauenhänden zu unterschätzen: Es kann nicht nur darum gehen, dass naturgemäß sehr junge Frauen, denn in vorangegangen Generationen gab es fast keine Frauen hinter der Kamera, die Trophäen heimtragen. Berufserfahrung und Leistung müssen zur Geltung kommen. Noch wichtiger als viele Oscars für Frauen ist, dass tatsächlich alle darauf hinarbeiten, die Arbeit hinter der Kamera gerechter unter allen Bevölkerungsgruppen zu verteilen. Stars könnten sich das etwa in ihren Verträgen festschreiben lassen und so ihren Filmen eine Art Quote verordnen.

Klassische Randfiguren sind nun mit ihrem ganzen Gefühlsleben die Helden

Am wichtigsten aber sind die Geschichten und Figuren, die zu sehen sind. Und hier weist das Kino den Weg in eine neue Richtung: Die Filme, für die sich die Academy-Mitglieder entschieden haben, handeln von genau jenen Typen, von denen es früher hieß, sie könnten keinen wirklich erfolgreichen Film tragen: eine gehörlose Putzfrau, eine zornige Mutter mittleren Alters, ein junger Schwarzer, dem die Eltern seiner weißen Freundin Angst machen. Klassische Randfiguren sind nun mit ihrem ganzen Gefühlsleben die Helden.

Mehr noch, dieses Kinojahr weist in die Zukunft: "Das Flüstern des Wassers - The Shape of Water", als bester Film und für die beste Regie ausgezeichnet, ist ein atemberaubend schönes Kunstwerk, das davon handelt, wie Solidarität die Kräfteverhältnisse verändern kann. Dazu wurde ein Transgender-Drama bester ausländischer Film, "Eine fantastische Frau". Filme prägen die Wahrnehmung von der Welt, darin liegt ihre Macht. Deswegen ist es so fatal, wenn etwa im deutschen Fernsehen sich noch immer viele Klischees von Männern und Frauen, In- und Ausländern durchsetzen, von dem, was angeblich normal ist und was nicht. In Hollywood weht da schon ein neuer Geist. Der muss sich jetzt nur noch in den Produktionsbedingungen niederschlagen.

© SZ vom 06.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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