"Così fan tutte" in Berlin:Der Fasching ist zurück

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Vincent Huguet inszeniert an der Berliner Lindenoper Mozarts "Così fan tutte" - leider so, wie es früher alle machten.

Von Helmut Mauró

Es hat ziemlich lange gedauert, bis man Wolfgang Amadé Mozarts "Così fan tutte" - die letzte der drei Da-Ponte-Opern - nicht mehr nur als seicht unterhaltsame Verwechslungskomödie verstand, sondern sich ernsthaft zu fragen begann, was hier eigentlich verhandelt wird. Noch lange Zeit - inzwischen hatte man "Die Hochzeit des Figaro" längst als hochpolitisches, hochexplosives Musiktheater identifiziert - ließ man die "Così" in der geistlosen Schmuddelecke lustiger Faschingsopern verrotten. Beinahe bis in die Achtzigerjahre, als Dieter Dorn die Sänger zu professioneller Schauspielkunst drängte und allein dadurch, ohne auf Komik zu verzichten, eine wundersame Ernsthaftigkeit in das Stück einzog.

Aus den beiden Flittchen Fiordiligi und Dorabella, die sich, kurz nach der Verabschiedung ihrer Verlobten in den Krieg, sogleich den nächsten Anwärtern an den Hals warfen, sind zwei ganz unterschiedliche Charaktere geworden, die sich des Geschehens, also sich selber, nach und nach bewusst wurden. Ohne freilich den Lauf der Dinge aufhalten zu können. Aus der Schmieren- wurde eine seriöse Tragikomödie. Die Regie musste gar nicht so viel erklären, sie öffnete aber den Denkraum dieser Oper für das Publikum.

Der Klamauk brachte selbst Daniel Barenboim an den Rand der Erschöpfung

Regisseur Vincent Huguet hat diesen Raum mit seiner Inszenierung an der Berliner Staatsoper unter den Linden nun wieder verschlossen. Seine müde klamaukige Reduktion von Da Pontes und Mozarts tiefergehendem, psychologisch durchtriebenem Witz hat selbst Daniel Barenboim am Pult der Staatskapelle Berlin hin und wieder an den Rand der Erschöpfung gebracht. So müde wie kurz vor der Pause klang Mozart lange nicht mehr.

Was war passiert? Kaum etwas. Es gab Frauen in Badeanzügen an einem zubetonierten Strand, einen hörbar gealterten Don Alfonso (Lucio Gallo), zwei kindische Männer, Typ 40-jähriger Lausbub, die auch stimmliche Grenzerfahrung suchten. Wie kann man nur, verehrter Ferrando, "Un'aura amorosa", eine von Mozarts hinreißendsten Arien, so nachlässig verbaseln? Und warum, Ferrando (Paolo Fanale) und Guglielmo (Gyula Orendt) passt ihr intonatorisch so oft nicht zusammen? Zur Verteidigung der beiden Komiker muss man sagen: Es wurde in der zweiten Hälfte dann nach und nach besser, am Ende richtig gut. Als wollte man sich mal wieder alle Kraft für die letzte Viertelstunde aufsparen, die dem Publikum dann - alles andere überschreibend - im Gedächtnis bleibt.

Musikalischer Lichtblick: Federica Lombardi als Fiordiligi. Mozart und sein Textdichter Da Ponte haben sie als die seriösere, moralisch anspruchsvollere der beiden Frauen konzipiert, und Lombardi überzeugte in dieser Rolle. Mehr noch aber glänzte sie von Anfang an als kraftvoller Sopran, der alle möglichen Schattierungen und Farben für die inhaltliche Darstellung und Entwicklung der Bühnenfigur nutzt, nicht nur zu sängerischem Selbstzweck. Obgleich der an diesem Abend ausreichend Grund zur Freude gewesen wäre.

Marina Viotti als Dorabella holte im Verlauf des Abends auf, sodass Duettszenen am Ende doch noch ein bisschen musikalischen Glanz verströmten und einige Grundirrtümer zumindest abmildern konnten. Zum Beispiel die Idee, dass eine Opera Buffa wie die "Così" qua definitionem ausschließlich lustig ist und Mozart dazu lustige Musik geschrieben hat. Es gibt zwar ein paar komische Stellen wie die musikalisch unterzitterte Magnet-Therapie, die Despina (Barbara Frittoli) als falscher Doktor demonstriert, aber vor allem gibt es ganz viel ganz ernst berührende Musik, die man auch der geistlos albernsten Regie nicht opfern darf. Daniel Barenboim hat das mit seiner Berliner Staatskapelle mit Kräften versucht. Und gegen Ende ist es dann, dank sich musikalisch besinnender Sänger, auch gelungen.

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