Neues Buch von Gaby Köster:Man lebt nur zweimal

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Gaby Köster ist wieder da - nicht ganz die alte, aber sie lebt. Die TV-Ulknudel erzählt in "Ein Schnupfen hätte auch gereicht", wie sie einen schweren Schlaganfall überlebt hat. Das Bücherschreiben ist ihre Sache nicht. Warum das Buch trotzdem wichtig ist.

Ruth Schneeberger

Gaby Köster war mal die Fröhlichkeit in Person. Eine unbeschwerte Blondine, eine Witzmaschine, die pure "Rampensau". Man darf das guten Gewissens so formulieren, weil sie sich selbst so beschreibt.

Gaby Köster als Supermarktkassiererin Rita in der RTL-Serie "Ritas Welt". (Foto: RTL)

Als "dümmste Praline der Welt", als schlagfertige Supermarktkassiererin in der RTL-Serie "Ritas Welt" oder bei "7 Tage, 7 Köpfe" jonglierte sich die Kabarettistin und Schauspielerin als aufrechtes kölsches Mädchen durch Soloprogramme und TV-Auftritte. Sie war wie Hella von Sinnen, nur unbedarfter, dafür fröhlicher und erfolgreicher, und sie ließ sich für ihre Schlagfertigkeit, ihr loses Mundwerk und ihre Bühnenpräsenz feiern. Das brachte ihr die höchsten Weihen ihres Genres: Von 1999 bis 2007 gewann sie vier Mal den deutschen Comedypreis, dazu den Deutschen Fernsehpreis und den Grimme-Preis. Wenn es neben dem Witz eines gab, über das die Kölnerin im Übermaß zu verfügen schien, dann war es Power.

Irgendwann wurde es dann still um Gaby Köster. Ein Schlaganfall, von dem sie sich nur langsam erholte. Nun sitzt sie wieder in Talkshows, trägt Dreadlocks, wirkt erschöpft und erzählt von ihrer schweren Krankheit, die sie Anfang 2008 aus dem Leben gerissen und fast ins Jenseits befördert hätte. Gaby Köster also ist wieder da - nicht ganz die alte, aber sie lebt. Und sie bewirbt ihr Buch mit dem Titel "Ein Schnupfen hätte auch gereicht". Muss einen das interessieren? Sehr wohl.

Denn im Unterschied etwa zu Sportmoderatorin Monica Lierhaus, deren TV-Comeback bei der Goldenen Kamera im Februar für Aufruhr gesorgt hatte, und darüber diskutiert wurde, ob sie schon wieder gesund genug für die Öffentlichkeit sei, wirkt Köster gefasster. Sie kann einwandfrei sprechen, ein bisschen laufen, und selber berichten, was ihr widerfahren ist.

Damit kann sie Betroffenen und Angehörigen Mut machen, denen es ähnlich ging und noch gehen wird. Man darf das nicht unterschätzen: Rund 260 000 Deutsche erleiden jährlich einen Schlaganfall, statistisch jeder Vierte stirbt sofort daran, die Hälfte der Patienten ist über 73 Jahre alt, doch zehn Prozent der Betroffenen sind jünger als 50. So wie die alleinerziehende Köster, die 46 Jahre alt war, als ihre Mutter sie auf dem Boden der Gästetoilette fand. Ihr Sohn war da gerade 14.

Es sind ja nicht nur die Betroffenen, die der Schlag trifft. In solchen Fällen sind es alle Familienangehörigen, der Freundeskreis und teilweise auch das berufliche Umfeld. Mit den oft sehr schweren Folgen der Erkrankung müssen dann alle zurechtkommen. Auch wenn es schwer fällt, den teilweise komplett veränderten Menschen nahezu rund um die Uhr zu versorgen. Und das betrifft nicht nur das Umfeld von Schlaganfallpatienten, sondern alle Angehörigen Kranker und Behinderter.

Gaby Köster legt mit ihrem Buch eindrucksvoll Zeugnis darüber ab, wie das ist, wenn man schlagartig aus dem Leben katapultiert wird, sich plötzlich im Krankenhaus wiederfindet und ein Teil der Schädeldecke fehlt. Wenn sich im Gesicht der Besucher, sobald man aus dem Koma erwacht und wieder aufrecht sitzen kann, eine Mischung aus Mitleid und Schrecken mischt, und der erste Blick in den Spiegel zum Horrortrip wird.

Dass sie das überhaupt mitteilen kann, ist sehr hilfreich, weil viele nach einem Schlaganfall gar nicht mehr sprechen können. Bei Köster ist die rechte Gehirnhälfte betroffen, weshalb ihr linker Arm lahm, das Sprachzentrum aber intakt geblieben ist. Im Gegensatz zum ehemaligen Chefredakteur der französischen Elle, Jean-Dominique Bauby, der nach einem Schlaganfall mit 42 seine Erinnerungen höchst mühevoll per Wimpernschlag diktieren musste, um sein beeindruckendes Buch "Schmetterling und Taucherglocke" auf Papier zu bringen, das später auch verfilmt wurde.

Gaby Köster in der RTL-Sendung "Stern TV". (Foto: I&U TV/dpa)

Gaby Kösters größtes Verdienst aber ist, dass sie alles immer noch mit Humor nimmt. Und deshalb der Krankheit und auch dem Tod einen Teil des Schreckens. Das unterscheidet ihr Buch etwa von den Krankheitsberichten eines Christoph Schlingensief, der mit seinem öffentlichen Wüten und Kämpfen mit der Krankheit viele Kritiker schlicht überfordert hat, weshalb sie ihrerseits wütend auf ihn reagierten.

Man muss es nicht als allgemeingültige Wahrheit annehmen, wenn die Autorin davon erzählt, wie sie im Koma ihren verstorbenen Vater "auf einer grünen Wiese" wiedersah. Oder wenn sie jetzt im Fernsehen beteuert, man müsse keine Angst vor dem Tod haben, weil "die Lieben einen abholen". Was man aber durchaus annehmen kann, ist ihr zupackender Umgang mit der Krankheit, mit dem schweren Schicksalsschlag, mit dem zutiefst veränderten Alltag. Gerade weil zu dieser Krankheit auch gehört, dass sie einen immer wieder zurückwirft, wenn mal wieder so gar nichts klappen will und der Körper dem Willen einfach nicht gehorcht.

Im Fernsehen wirkt Gaby Köster noch recht müde, der Schreck sitzt ihr immer noch tief in den Knochen - für das Buch aber hat sie ihren alten Wortwitz ausgepackt. Wenn sie von einem knackigen Ärztehintern im Krankenhaus, Urlaubserlebnissen mit ihrem Sohn, Mobbing bei RTL, dem Umgang mit den Medien und dem Leben als "TV-Star" erzählt, dann ist das vor allem für ihre Fans eine Fundgrube. Und für sie selbst eine lebensnotwendige Erinnerung an die Zeit, als sie noch so sein konnte, wie sie wollte.

Doch über diesen persönlichen Aspekt hinaus hat Gaby Köster als "Zurückgekehrte" ein paar universelle Wahrheiten zu bieten, von denen andere Prominente, die Bücher über ihr angeblich spannendes Leben schreiben, nur träumen können. Wichtig ist das Buch vor allem deshalb, weil sich in unserer westlichen Gesellschaft die Angst vor Tod und Krankheit so stark manifestiert hat, dass die meisten versuchen, sich davor zu drücken. Was oft dazu führt, dass selbst Anverwandte und enge Freunde sich von den Betroffenen abwenden. Weil sie es nicht ertragen, den geliebten Menschen krank, sterbend oder einfach leidend zu sehen. Sie haben Angst, dass dieses Leid auf sie übergreifen könnte - vor der Zeit, die doch eigentlich dafür vorgesehen ist.

Gaby Köster, die Komödiantin, ist es gewöhnt, aus dem traurigsten Umstand einen Lacher zu machen. Und sie schafft es nun sogar, dass daraus kein verzweifeltes Lachen wird.

Wahre Nähe

Eindrucksvoll beschreibt ihr Co-Autor und ebenfalls Ex-Comedian Till Hohenender (von ehemals "Till & Oebel") in einem nachgeschobenen Kapitel, worum es hier geht: Zwischen all den persönlichen Betrachtungen über seine eigene versemmelte Karriere, die eher einem Blogeintrag gleichen, ist eine sehr interessante Einsicht zu finden, die viel über Freundschaft, Nähe, Verantwortungsgefühl und darüber aussagt, was die Menschen sich in unserer hochmodernen Gesellschaft überhaupt noch schenken können.

Als er seine beste Freundin Gaby Köster im Urlaub auf Ibiza besuchen will, um in Ruhe mit ihr an dem Buch zu schreiben, hat sie plötzlich einen epileptischen Anfall. Wie er da beschreibt, welche Panik in einem solchen Moment in den Umstehenden aufsteigt, dass man der festen Überzeugung ist, man würde nun einen geliebten Menschen für immer verlieren, dass man dann nicht seinem ersten Impuls, einfach wegzurennen, folgt, sondern über seinen Schatten springen und helfen muss, damit im Krankenhaus festgestellt werden kann, dass danach wieder alles in Ordnung ist und das Leben weitergeht - das ist eine so existenzielle Erfahrung, dass sie den, der sie versteht, enorm bereichert. Er habe verstanden, schreibt Hoheneder, dass er einen Menschen im Ganzen annehmen müsse, auch wenn der sich verändere, und er sich nicht die guten Seiten rauspicken könne. Erst dadurch wurde die Freundschaft vollkommen.

Die ganzen Unzulänglichkeiten, dass etwa das Buch in dem für Köster üblichen Stil geschrieben ist, der leider schriftlich nicht so gut funktioniert wie von ihr persönlich, mit einem Augenzwinkern auf der Bühne vorgetragen ("Ja, nee, is klar!"), diese Marotten sind dann nebensächlich.

Man sollte Fan von Gaby Köster sein, um das Buch zu mögen - aber man muss sie nicht einmal kennen, um daraus fürs Leben und für sein Ende zu lernen.

Gaby Köster weiß nun nicht, wie es mit ihr weitergeht, wovon sie leben soll. Denn ob sie jemals auf die Bühne zurückkehren wird, lässt sich noch nicht sagen. Das Buch ist ein Anfang - es wird sie nicht bis an ihr Lebensende versorgen. Wenn Kritiker ihr nun vorwerfen, sie wolle aus ihrer Krankheit Kapital schlagen, dann haben sie nichts verstanden. Ihre Krankheit hat ihr Kapital zerstört - aber wenigstens hat sie ihr den Humor gelassen. Damit hat sie vielen immer noch eine ganze Menge voraus.

Gaby Köster ist an diesem Freitag, 16.9., um 22 Uhr in der NDR-Talkshow "Tietjen und Hirschhausen" zu Gast - am kommenden Montag wird ihr Buch auf Platz 2 der Spiegel-Bestsellerliste einsteigen.

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