Nächster Schlag fürs Kino:Ist "Mulan" der Anfang vom Ende?

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Disney startet seinen lang erwarteten Blockbuster "Mulan" im Netz. Wenn das funktioniert, hätte Hollywood den Beweis, dass Geschäftsmodelle jenseits der Kinos eine große Zukunft haben.

Kommentar von Tobias Kniebe

Für alle, die in diesem Tagen um das Überleben der Kinos bangen, hat die Nachricht es in sich: "Mulan", Disneys lang erwarteter und wegen Corona immer wieder verschobener Blockbuster, der die Menschen zurück vor die Leinwände locken sollte, kommt nun gar nicht mehr ins Kino. Stattdessen testet Disney ein teures Streamingmodell: Wer bereits Kunde auf der Plattform Disney+ ist und zusätzlich etwa dreißig Dollar (oder den Gegenwert in anderen Währungen) ausgibt, kann den Film ab 4. September anschauen - in den eigenen vier Wänden. Ein "einmaliger Fall" sei das, sagte Disneys CEO Bob Chapek, kein "neues Geschäftsmodell". Nun war aber schon immer der Verdacht, dass Disney einen solchen Schritt gehen könnte, um seine Streaming-Plattform (derzeit 60 Millionen Abonnenten) weiter zu pushen - einfach mal einen heiß gehandelten Blockbuster ganz an den Kinos vorbeischleusen. Normalerweise würde das auf den gewaltigen Widerstand der Kinoketten treffen, die das zu Recht als Angriff auf ihre Existenz begreifen müssen. Diese sind nun aber wegen Corona komplett gelähmt, und natürlich versteht man auch den Zwang eines börsennotierten Großunternehmens, in der Krisenzeit seine Investments zu retten - Disney musste im vergangenen Quartal harte Umsatzeinbußen von 40 Prozent hinnehmen.

Was aber, wenn der "einmalige Fall" mit "Mulan" überraschend gut funktioniert? Wenn die Menschen willig den hohen Preis bezahlen, ein paar virenfreie Kinder oder Freunde vor den heimischen Großbildfernseher einladen, die Vorhänge zuziehen und brandaktuelles Kino spielen? Dann hätte Hollywood den Beweis, dass solche Geschäftsmodelle, an denen Studios und Startups schon länger basteln, eine große Zukunft haben - und im Kinogeschäft wäre nichts mehr wie zuvor. Bisher wurde das nicht ernsthaft ausprobiert, weil der Preis - ein Totalboykott aller großen Kinoketten gegen jedweden Tabubrecher - zu hoch gewesen wäre.

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Von Tobias Kniebe

Die Coronakrise aber bietet für solche Versuche eine historische Gelegenheit. Nun werden alle gebannt auf die Ergebnisse starren. Und erst nach dem Ende der Epidemie wird man wissen, ob das zentrale Versprechen des Kinos überlebt hat: dass man, eingetaucht in einen ganzen Saal voller Mitmenschen, gleichgeschaltet wie in Trance, von Bildern und Emotionen durchgeschüttelt wird.

© SZ vom 06.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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