Massentaugliche Musik:Hymnen für alle

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"Tage wie dieser" von den Toten Hosen

Seit mehr als 30 Jahren existieren Die Toten Hosen mittlerweile, derart genialisch verdichtet wie mit "Tage wie dieser" (2012) hatten sie ihr dosenbierseliges Mitgröl-Pathos bisher aber noch nie. Im Grunde ist dieses Lied ein einziges ums Ausgehen, Abgehen, kurz: ums Saufen kreisendes Exzess-Panorama, in dem Menschen sogar kollektiv "drauf" sein dürfen.

Den euphorischen Refrain ("An Tagen wie diesen / Wünscht man sich Unendlichkeit / An Tagen wie diesen / Haben wir noch ewig Zeit") bekamen sie jedoch derart universell hin, dass die Union um Angela Merkel, deren Mitglieder tendenziell noch nicht "drauf" gewesen sein dürften, 2013 mit diesen Zeilen ihren Wahlerfolg besang, dass die Fußball-Nationalmannschaft sich dem Vernehmen nach mit "Tage wie dieser" 2012 auf die EM-Spiele einstimmte (hat leider trotzdem nicht zum Titel gereicht), und das Stück laut einer Forsa-Studie zum "beliebtesten Lied bei deutschen Geschäftsreisenden im Jahr 2012" gewählt wurde.

Komasäufer, Druffis, Unions-Politiker, Geschäftsreisende, Fußballspieler, Fußballfans - die Toten Hosen nehmen alle mit, und das ist eine durchaus respektable Leistung. So eine Streuweite muss man erst mal hinbekommen. Umso universeller die Hymnen-Lyrics, umso vielversprechender also die Absatzzahlen. Am besten stellt sich der potenzielle Hymnenhitschreiber beim Hymnenhitschreiben wohl vor, wie der Refrain bei einem Bundesligaspiel in der Stadionkurve klingen würde.

Hitstrategie:

  • maximale textliche Universalität
  • maximale Trinkkompabilität
  • maximales Pathos (Musik & Text!)
  • maximale Refrain-Grölbarkeit

"Get Lucky" von Daft Punk

"Get Lucky", der internationale Hit des Jahres 2013, stammt von zwei Franzosen, die mit ihrem Debüt "Homework" (1997) einen wesentlichen Beitrag zum Fortschritt der elektronischen Spielart House leisteten und sich seit Beginn ihrer Musikkarriere als behelmte Roboterwesen inszenieren. Sie geben sich dabei wirklich Mühe, denn Fotos von den beiden ohne Helm gibt es kaum.

Ganz offensichtlich geht es bei Daft Punk also um Geheimniskrämerei. Geheimniskrämerei, die für das Album "Random Access Memories", dem ersten Daft Punk-Studioalbum nach acht Jahren, mit einer mächtigen Werbekampagne perfekt in Szene gesetzt wurde. Die Plattenfirma platzierte Soundschnipsel im begehrten Werbeblock der US-Comedy-Show Saturday Night Live, ließ ein Teaser-Video beim riesigen Coachella-Festival in Kalifornien abspielen und kleisterte die halbe Welt mit Werbeplakaten zu. "Get Lucky" war die erste Single-Auskopplung dieses Albums, und was die Toten Hosen können, das können die Roboter auch, nämlich vom Hedonismus erzählen: "We're up all night for good fun / We're up all night to get lucky." Die ganze Nacht aufbleiben. Spaß haben. So einfach ist das.

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