Liveübertragung der Mubarak-Prozesse:Public Viewing im Ramadan

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So viel Transparenz ist in der arabischen Welt selten: In Ägypten laben sich die Menschen an den Live-Übertragungen des Prozesses gegen Hosni Mubarak. Doch die Bilder kommen nicht überall in der Region - die Mächtigen setzen den üblichen Ramadan-TV-Brei dagegen.

Sonja Zekri

Den historischen Moment gibt es jetzt als Klingelton in drei Varianten. Hosni Mubarak, der "Pharao im Käfig", wie ihn ägyptische Medien nach dem ersten Prozesstag genannt haben, hat vor Gericht nicht viel gesagt. Eigentlich nur: "Ich bin hier, Euer Ehren." Und: "Ich bestreite alle Anschuldigungen" - also die Korruptionsvorwürfe, vor allem aber seine Mitschuld am Tod von fast 850 Menschen während der Revolution. Beide Mubarak-Sätze können sich Interessierte im Internet nun als Klingelton herunterladen, ergänzt um jenen Satz Richter Ahmed Refaats, der den Gestürzten mit seinem vollen Namen aufrief: "Mohammed Hosni Sajjed Mubarak."

Die Menge verfolgt gespannt den Prozess um ihren entmachteten Präsidenten Hosni Mubarak. Der große Bildschirm befindet sich außerhalb der Polizei-Akademie in Kairo, Ägypten.  (Foto: AP)

Von der ersten Sekunde an war der Prozess gegen die Mubaraks - Vater und Söhne -, den verhassten Ex-Innenminister Habib al-Adly und sechs hohe Polizeibeamte elektronisch reproduzierbar. In anderen Ländern, in ruhigeren Umständen mag vieles gegen die Liveübertragung von Gerichtsprozessen sprechen. Für Ägypten und die arabische Welt aber tragen schon die Bilder allein Beweischarakter. Er ist es wirklich, der einst Unantastbare, in Ohnmachtspose auf einer Krankentrage hinter Gittern. Die Generäle des Militärrats haben ihm dies nicht erspart. Zugleich aber ist die öffentliche Verhandlung das Gegenmodell zu den Sammelprozessen der Militärjustiz, die 30, 40 Angeklagte mit Blitzurteilen für Jahre ins Gefängnis bringen.

Die ägyptischen Produzenten der saisonalen Soap Operas hatten in diesem Jahr nicht viel zu lachen: Die Werbeeinnahmen brachen ein, viele Serien wurden nicht gedreht. Der Prozessauftakt am Mittwoch und die Fortsetzung mit dem Verfahren gegen Adly und seine Beamten am Donnerstag aber, live übertragen vom ägyptischen Fernsehen, raubte ihnen die letzten Zuschauer. In den Kaffeehäusern drängten sich die Menschen. Im Supermarkt ließen die Verkäufer ihre Kunden im Stich und scharten sich um den Fernseher. In den Firmen legten die Arbeiter die Werkzeuge nieder. Einige zitierten Koranverse über Gott, der verherrlicht und demütigt, wie es ihm gefällt. Public Viewing im Ramadan 2011.

Am zweiten Tag dieses Prozesses, den einige schon den "Jahrhundertprozess" nennen, folgte das Volk atemlos der Präsentation der Beweisstücke - Videokassetten des Geheimdienstes, Waffen, Einsatzpläne der Sicherheitskräfte für die Niederschlagung der Proteste, CDs mit Bildern Verletzter, aber auch Munition und die blutige kugelzerfetzte Jacke von Ahmed Hasem, einem der Opfer. Feierlich, manchmal etwas umständlich öffnete Richter Refaat Karton um Karton, deutlich erkennbar als leere Mineralwasserbox. Und als er keine Schere fand, um einige der Schnüre zu lösen und kurzerhand ein Feuerzeug an die Bänder hielt, stieg die Spannung ins Unermessliche.

Singen, Beten, Soaps

So sahen es die Menschen in Ägypten, so sahen sie es in Tunesien und dank der Satellitensender Al-Dschasira und Al-Arabija sahen sie es auch in den anderen Ländern. Und das war ein Glück. Dort nämlich, wo Könige und säkulare Dynastien sich dem Volksaufstand noch entgegenstemmen, speiste das offizielle Fernsehen das übliche Ramadan-Futter ein: viel Singen, viel Beten und natürlich Soaps. Saudi-Arabien, wo die Könige der Konterrevolution herrschen, hat sogar mit Entlassungen ägyptischer Arbeiter am Golf gedroht, um den Prozess zu verhindern. Saudische Urlauber kommen seltener nach Ägypten, da saudische Medien die Revolution fast als Naturkatastrophe beschreiben. Das schreckt ab.

Dabei schöpft zumindest das ägyptische Scharm el-Scheich wieder Hoffnung: Seit Mubarak aus einem dortigen Krankenhaus in ein Hospital in Kairo verlegt wurde, rechnet man am Roten Meer fest mit einer Rückkehr der Touristen.

© SZ vom 06.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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