Sachbuch:Im Glühen der Nordlichter

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Stabwechsel bei der Hundestaffel im Schnee. Illustration aus Lena Zeise: Balto & Togo (Foto: Illustration aus Lena Zeise: Balto & Togo)

Lena Zeise erzählt von einer Rettungsaktion mit Schlittenhunden, als in den 20er Jahren in der Arktis die Diphterie ausbrach

Von Harald Eggebrecht

Tiere geraten in Kinder- und Jugendbüchern häufig ins Kitschige oder ins unangenehm Heroische. Sie sind bedroht von Vermenschlichung und Nettigkeit. Doch wenn eine Geschichte in der Wirklichkeit gut ausgeht, hat es etwas Befreiendes. Von so einem tatsächlich geschehenen gelungenen Abenteuer erzählt dieses außergewöhnliche Bilderbuch.

Statt Flugzeugen, die damals den winterlichen Bedingungen in Alaska noch nicht gewachsen waren, entschloss man sich in der Dringlichkeit der Situation zu einer Hundeschlittenstaffette.

Eis und Schnee, Kälte und Wind, Nacht und Finsternis vermag die Autorin und Illustratorin Lena Zeise besonders gut ins Bild zu setzen. Wie die Nordlichter über den bitterkalten Winterlandschaften Alaskas grünlich glühen, bleibt sofort im Gedächtnis haften. Als Erzählerin gibt sich Lena Zeise wohltuend sachlich und unsentimental. Sie berichtet von jenem denkwürdigen Antitoxin-Transport im Winter 1925/26 über 674 Meilen von Nenana in der Nähe von Fairbanks an die Küste, durch dessen Gelingen ein Ausbruch der Diphterie im kleinen Alaska-Städtchen Nome eingedämmt wurde.

Statt Flugzeugen, die damals den winterlichen Bedingungen in Alaska noch nicht gewachsen waren, entschloss man sich in der Dringlichkeit der Situation zu einer Hundeschlittenstaffette. Und tatsächlich schafften es zwanzig Fahrer, sogenannte Musher, mit ihren Gespannen, insgesamt etwa 120 Schlittenhunde, diese tollkühne, lebensgefährliche Aufgabe zu meistern. Die Leithunde Balto und Togo wurden stellvertretend für alle so berühmt, dass ihnen im Central Park von New York ein Denkmal errichtet wurde.

Lena Zeise liefert nicht nur die Geschichte der großen Tour, sondern leistet nebenbei auch noch eine kleine Alaska-Einführung mit Hinweisen auf die Urbevölkerung und natürlich auf den Goldrausch. Je nach Aufgabe zeigen sich ihre Bilder außerhalb der eigentlichen Geschichte informativ schwarz-weiß oder in fahler Farbigkeit. Doch jeder Blick aufs Meer wirkt aufgeladen mit Dramatik. Der erste Auftritt von Togo und seinem Gespann strotzt vor Kraft und der Himmel darüber leuchtet in sanften Gelbtönen. So vorbereitet beginnt nun das aberwitzige Abenteuer des Serum-Transportes gleichsam in Cinemascope: Auf einem doppelseitigen Bild wird die schwarze Nacht erleuchtet nur vom Scheinwerfer der mächtigen Lokomotive, und dem Lampenschein aus dem kleinen Bahnhofsgebäude von Nenana, der letzten Eisenbahnstation vor der Wildnis. "Wild Bill" Shannon und sein Gespann erwarten die Übergabe. Dann beginnt der Wettlauf mit der Zeit, durch hüfthohen Nebel, undurchdringliche Nacht und sogar übers zugefrorene Meer. Hunde erfrieren, Schlitten stürzen um, selbst der Gewalt von Winterstürmen trotzen die Musher und ihre großartigen Zugtiere, die Lena Zeise liebevoll porträtiert, aber frei von jeder Niedlichkeit. Bei einem Schlittensturz des letzten Fahrers Gunnar Kaasen in der Transportkette scheint das Serum verloren, doch trotz Dunkelheit und Kälte findet Kaasen die lebensrettende Medizin wieder und schafft es mit seinem großartigen Leithund Balto nach Nome. Tatsächlich hat die Kälte die Medizin nicht zerstört oder unwirksam gemacht, und so kann Dr. Welch seinen Patienten endlich helfen. Noch eine zweite Lieferung kann nur mit Hilfe der Schlittenhundgespanne erledigt werden. Gerade die erzählerische Nüchternheit, gepaart mit raffinierter Farbdramaturgie für die verschiedenen Schichten der Handlung macht den Reiz des Buches und seine Spannung aus. (ab 12 Jahre)

Lena Zeise: Balto & Togo. Dramatische Rettung in Eis und Schnee. Gerstenberg 2021. 40 Seiten, 22 Euro

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